Am nächsten Tag wurde ich von einer Hand geweckt, die auf meiner Schulter lag. Ganz sanft, sodass sie nur von Legolas stammen konnte, infolgedessen erhob der Elb seine Stimme: »Der Morgen graut, Lithil. Wir wollen schnell essen und dann aufbrechen«, sprach er zu mir und im nächsten Moment schlug ich meine Augen auf. Ich war halbwegs ausgeschlafen und hatte durchschlafen können, wobei nicht alle dieses Vergnügen gehabt hatten. Gimli neben mir kaute an irgendeinem Trockenfleisch herum und wies tiefe Augenringe auf.
»Oh, ist der zweite Stein von Erech endlich erwacht?«, fragte er mich. Ich blickte ihm verschlafen entgegen.
»Ja, der Stein ist wach, danke der Nachfrage«, meinte ich trocken und setzte mich auf. Die Decke rutschte von meinen Beinen nach unten und während Gimli vor sich hingrummelte, begutachteten meine Augen die Umgebung. Es war nebelig, trotzdem konnte ich ganz genau erkennen, dass die Armee der Toten in der Nacht mehr geworden war. Ruhig standen sie da, wobei einige zu Pferd waren, und ihre Augen glühten förmlich, die das einzig gut Erkennbare von ihnen waren, da sie mehr einem Nebel glichen. Nicht lebendig, und doch schien das Schattenheer eine Macht innezuhaben, die den Lebenden Angst machte.
»Ja, schau' sie dir ruhig an, neben denen hast du friedlich geschlafen«, äußerte sich der Zwerg, »Nicht einmal die anderen deines Volkes haben so wie du geschlafen. Ich weiß nicht, ob ich es als beeindruckend erachten oder ob ich Angst vor dir haben soll.«
»Bitte entscheide dich für Zweiteres, dann habe ich Ruhe von dir.«, seufzend rieb ich mir meine Schläfen, da es für Gimlis Worte zu zeitig nach dem Aufstehen war. Gimli schien aber nicht fertig zu sein, denn als ich meine Decke zusammenrollte, blies er Luft aus seiner Nase aus und meckerte herum: »Ruhe bevorzuge ich auch, doch davon hatte ich genug heute Nacht. Aber bevorzugt die liebe Lithil immer noch Ruhe, wenn eine Gefahr aus den Schatten der Nacht springt und sie nicht von mir geweckt wird?«, meinte er hypothetisch und ich rollte mit meinen Augen.
»Wenn ich es mir recht überlege, bevorzuge ich deine Schreie mehr, wenn ich dich ins Heer der Toten werfe. Angreifen werden sie dich wahrscheinlich nicht, aber es würde mir Freuden bereiten«, sprach ich zuckersüß und Legolas schien das Gespräch von Gimli und mir interessant zu finden. Er legte gerade seine Waffen an und seine blauen Augen sahen uns amüsiert zu.
»Pf, ich bezweifle, dass du es schaffen würdest.«, Gimli sah mich provozierend an.
»Ich habe schon schwere Säcke Mehl getragen«, erwiderte ich trocken meine Antwort, die Gimlis linkes Auge zum Zucken brachte.
»Oh, ich beweise dir, dass du dies nicht schaffst!«, er zeigte mit dem Finger auf mich. Ich war indessen aufgestanden.
»Nur zu, ich warte«, meinte ich, doch bevor unser Gespräch ausarten konnte, hörte ich Aragorns Stimme von der Seite her: »Man weiß, dass sich die Welt immer noch richtig dreht, wenn nicht einmal ein Heer der Toten euch beide aufhalten kann, dass ihr den alten Streitereien eurer Völker Ehren macht«, er klang heiter und der Mensch war gerade von seinem Pferd Roheryn zu uns getreten. Seine hellen Augen sahen zwischen uns beiden her, wobei Gimli und ich bloß mit einem Schulterzucken antworteten. Obwohl wir nun etwas wie eine Freundschaft pflegten, kamen alte Gewohnheiten dennoch gelegentlich an die Oberfläche. Am Anfang unserer Reise hätte ich ihn gerne einen Kopf kürzer gesehen. Jetzt würde es mir schon ausreichend Genugtuung geben, wenn ich ihn ins Schattenheer werfen dürfte. Ich nahm einmal an, dass ich dies als Fortschritt erachten konnte. Anders als bei Legolas und Gimli, die sich wirklich gut verstanden und eine tiefere Beziehung führten, führten der Zwerg und ich eine neckende Freundschaft.
»Wir bringen uns schon nicht um«, war meine Antwort.
»Will ich auch hoffen, da ich euch beide gerne noch in der Schlacht an meiner Seite wissen möchte«, meinte der Waldläufer und selbstverständlich hatte Gimli auch eine Meinung: »Lithil kann man nicht umbringen. Sie ist wie ein Parasit und hat sogar die Giftklinge überlebt, wenn das kein Zeichen ist.«
»Ha, ha, lustig«, machte ich, doch auch der Elb, der eigentlich mein Freund war, schien dem Zwerg zuzustimmen.
»Da hat Gimli aber recht, man bekommt dich wirklich nicht los«, warf indessen auch Legolas sein Öl ins Feuer und mein Kopf schnellte zum Elben, der seinen Köcher anlegt.
»Du stehst auf der falschen Seite, mein Lieber«, mahnte ich, »Nach Gimli stehst du als nächster auf meiner Liste.«, und als meine Augen abwechselnd zum Elben und Zwerg schweiften, seufzte Aragorn: »Macht euch dies untereinander aus, aber wir brechen in weniger als einer Stunde auf.«, dann verschwand der Waldläufer zu anderen seiner Sippe und teilte auch ihnen mit, dass wir bald aufbrachen.
»Das Schicksal scheint euch noch etwas Zeit zu geben und auch muss ich mich fertig machen«, gab ich nickend von mir und während Legolas kopfschüttelnd zu Arod ging, schnallte ich mir meine Waffen um, wobei mich Gimli durchgehend beobachtete, da er nichts anderes zu tun hatte. Schlussendlich brachte er die Decken von Legolas und ihm zu Arod, als auch ich zu Maiden ging und sie für den heutigen Tag aufbruchsbereit machte.
Bei den Pferden angekommen, schienen diese viel wacher als gestern zu sein und nachdem ich noch rasch eine Mahlzeit zu mir genommen hatte, saßen wir alle auf. Der blonde Elb half Gimli aufs Pferd und als Aragorn auf seinem Pferd an uns allen vorbeiritt, überprüfte, ob alles in Ordnung war, ritt er zur Spitze, wo Elrohir auf ihn wartete. Die Nachhut bildeten Legolas, Gimli, Elladan und ich, wobei Elronds Sohn wieder als Letzter ritt.
Als der Morgen im Osten dämmerte, stieß Aragorn in das silberne Horn und erhob seine Stimme: »Marschiert mit uns und erfüllt euren geschworenen Eid!«, rief der Mensch zur Armee der Toten.
Wie aufs Stichwort blies uns kalter Wind entgegen, als wir uns in Bewegung setzten und die Toten uns wieder folgten. Bei Tageslicht sahen sie noch furchterregender aus und ihre blassweißen Fahnen wehten hinter uns her. Sie schienen absolut kein Geräusch zu erzeugen, wenn sie sich fortbewegten, und auch war kein Flüstern mehr zu hören.
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Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔
FanfictionKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...