550 Jahre später:
Am blauen Himmel zog ein Adler seine Runden und ich bestaunte dies prahlsüchtige Tier. Der braun gefiederte Herrscher der Lüfte schien sich präsentieren zu wollen und auf Beutejagd zu sein. Auch in der Natur war ein großer Schatten von der Welt gezogen und ihre Bewohner bemerkten das. Nicht so deutlich wie wir, da die Natur immer noch stärkeren Gesetzen folgte, als es die Dunkelheit tat. Die Tiere verstanden nicht, warum sie nun wieder ungestört ihr Leben leben konnten, warum dieser Schatten von ihrem Gemüt abgefallen war. Sie konnten nicht wissen, dass es Sauron gewesen war, der diese Dunkelheit verursacht hatte, und auch würden sie es nie wissen. Sie mussten es jedoch nicht, weil das Naturreich seinen eigenen Gesetzen folgte, wie der Adler in den Lüften. Er verstand nicht, warum er wieder über Ithilien fliegen konnte, ohne vom Osten abgeschreckt zu werden, und dies brauchte er auch nicht. Er brauchte nur den Wind, der unter seinen Flügel hinwegwehte, ihm die Fähigkeit zum Fliegen gab, ihm Freiheit schenkte.
Meine Augen konnten sogar die unterschiedlichen Farben in seinen Federn beobachten, wie sie durch den Gegenwind zurückgeschlagen wurden. Seine intelligenten Augen schienen gerade ein Opfer zu entdecken und sein gelber Schnabel zuckte kurz und gierig auf. Der gelbe Schnabel lief in einem leichten Bogen, spitz wie ein Hacken, zusammen. Im nächsten Moment zog der Vogel seine Flügel zusammen und ließ sich in die Tiefe stürzen. Meine Augen folgten dieser Bewegung genau und im Sturzflug wurde der Adler in der Ferne auch für die anderen sichtbar.
»Ein Adler also«, vernahm ich Aragorns Stimme neben mir, »Ein wunderschönes Geschöpf«, sprach er fort und seine grauen Augen folgten dem Tier, wie es in einem Feld seine Beute fand.
»Gewundert habe ich mich bereits, was du gesehen hast«, meinte eine andere Stimme, die Éomer zugeschrieben werden konnte. Ich befand mich mit den zwei Männern auf der kleinen Insel Ithiliens, wo ganz in der Nähe unser Lager war. Es war eine lange und bewaldete Insel, die vom Anduin umflossen wurde und an ihrem Ufer lagen viele Schiffe. Von Tag zu Tag wurde das Heerlager immer mehr ein kleines Dorf und viele wichtige Vorräte waren uns gebracht worden. Gewiss würden wir noch eine längere Zeit in Ithilien verweilen und da es niemand eilig hatte, nach Minas Tirith flott zurück zu marschieren, genossen wir den neuen Frieden in diesem schönen Land. Alle Verwundeten konnten sich gänzlich erholen, wie es auch zwei Hobbits taten.
Heute hatten wir eine freudige Nachricht von Gandalf erhalten, der die Hobbits wie seinen größten Schatz hütete. Die zwei kleinen Männer lagen in flauschigen Betten im Buchenhain und erholten sich. Frodo war jedoch heute in der Früh schon erwacht, was uns Mithrandir freudestrahlend mitgeteilt hatte. Müde wie der Hobbit aber gewesen war, war er sofort wieder eingeschlafen, doch Gandalf war sich sicher, dass sie heute erwachen würden. Ihre Reise hatte viele Spuren und Müdigkeit in ihren kleinen Körpern hinterlassen und sie galten als die Helden Mittelerdes. Jeder von uns konnte es kaum erwarten, bis wir die beiden begrüßen dürften, und all jene, welche die Hobbits noch nicht kannten, waren gewillt, sie kennenzulernen. Die beiden wurden bereits erwartet und alles war für eine große Feier, zu ihrer Ehren, hergerichtet worden. Selbst wir hatten uns hergerichtet, und so trug ich nach langer Zeit wieder einmal Kleid, das mir gefiel. Immer noch war es hochgeschlossener als die Kleider der Elben, doch der leichte, fließende Stoff des blaugrauen Kleides – blaugrau wie der Himmel im Morgengrauen – kam nahe an denen von uns Elben heran. Es ging bis zum Hals und hatte weite Ärmel, die zum Handgelenk eng zusammenliefen. Das Besondere an diesem Kleid waren jedoch seine silbernen Verzierungen, die um Hals und überm Dekolleté zwei Ringe bildeten. Von dort aus verliefen die Verzierungen wie Sonnenstrahlen zu den Schultern, wo sie eine Art feine Schulterpanzerung bildeten und hin zu meiner Brust und Taille verliefen die Linien wie ein angedeuteter Harnisch. Um den engsten Teil meiner Taille bildete das Silber einen Gürtel und floss dann in den Rock des Kleides fließend nach unten. Die Schönheit dieses Kleides hatte mich dazu veranlasst, es heute einer Hose vorzuziehen, und ich wünschte, dass ich dem Schneider meine Bewunderung aussprechen könnte. Das Kleid schmeichelte zugleich der weiblichen Figur, so wie es Härte ausstrahlte. Aus diesem Grund wirkten meine Stiefel nicht fehl am Platz. Sehen tat man sie sowieso nicht unter dem vielen Stoff. Meine Haare trug ich heute offen und neben meinen zwei Strähnen hinter meinen spitzen Ohren, hatte ich noch zwei weitere Haarsträhnen an meinem Hinterkopf zu einem Zopf geflochten. Die anderen Anwesenden trugen ebenfalls festliche Kleidung. Aragorn neben mir strahlte in einem blanken Kettenhemd und fast schon spiegelähnlichen Lederschuhen. Bart und Haare waren von einem Barbier frisiert und gestutzt worden und auch Éomer machte Eindruck. Seine goldenen Haare glitzerten in der Mittagssonne und er trug die Kleidung eines Kriegers, die man zu Festlichkeiten anzog. Jedoch, nicht nur wir drei hinterließen Eindruck, denn viele Ritter des Heers waren auf den Wiesen vor der Insel aufmarschiert. In schimmernder Rüstung standen sie da und warteten auf die Hobbits, um ihnen einen gerechten Empfang zu verschaffen. Auf der langen Insel waren drei Throne aus Grassoden aufgestellt worden und hinter ihnen wehten drei Banner. Es waren das Banner von Rohan, Dol Amroth und das von Aragorn, welches ihm Arwen geschickt hatte.
»Elbenaugen sehen in große Entfernungen, die wir uns Menschen kaum vorzustellen vermögen«, erklang Aragorns Stimme und ich stellte fest, dass ich nur eine kurze Zeit in Gedanken versunken gewesen war. Der braune Adler tauchte gerade wieder in den blauen Himmel ein und hatte Beute im Schnabel.
»Es erfreut mein Herz, dass die Natur, mit ihren Bewohnern, in dies so nah am Osten liegende Land zurückkehrt«, sprach ich und die beiden Männer stimmten mir zu.
»Kaum zu glauben, aber es ist wahr. Alles Kämpfen hat sich gelohnt«, sagte Éomer.
»Kämpfen lohnt sich immer, immer, wenn es einen Grund dazu gibt«, gab ich kund und meine Augen sahen sich in der Gegend um. Gerade kamen Legolas und Gimli auf die Insel geschritten und beide trugen feine Gewänder. Gimli hatte sich sogar sein rotes Haar zurückgekämmt und sein Bart war neu geflochten. Der Zwerg trug saubere Kleidung und der Elb neben ihm stand ihm in nichts nach. Legolas' blonde Haare wurden von der Mittagssonne zum Schimmern gebracht und auch er trug festliche Kleidung, die den Gewändern der Elben ähnlich waren. Die zwei schienen sich gerade über etwas zu unterhalten, wobei sich Legolas über Gimli lustig zu machen schien. Mit angepassten Schritten zu denen von Gimli ging der Elb neben dem Zwerg leichtfüßig her und Legolas' Lippen umspielte ein schelmisches Grinsen. Seine weißen Zähne waren zu sehen. Seine blauen Augen blitzten lebendig. Ein Grinsen, welches ihm durchaus stand, und wieder erkannte ich deutlich die Schönheit des Elben, doch leider blieb mein Blick nicht unauffällig.
»Was?«, fragte ich Aragorn und Éomer seufzend, die mich so ansahen, als ob man den beiden Männern stundenlang gesagt hätte, wie toll sie doch wären. Sie waren also ziemlich von sich selbst eingenommen und ich rollte mit meinen Augen.
»Nichts«, begann Aragorn mit zuckenden Mundwinkeln, »Wir freuen uns einfach, dass ihr zwei euch endlich eure Liebe gestanden habt.«, und natürlich wehte der Wind von daher.
»Eine ziemlich offensichtliche Liebe«, bestätigte Éomer nickend und sie freuten sich ungemein, dass sie recht behalten hatten. Ich erinnerte mich an ihre vielsagenden Blicke bei der Trinkwette und schon damals waren sie unerträglich gewesen. Neben der Tatsache, dass die beiden nun Könige waren, teilten sie sich dem Anschein auch denselben schlichten Humor, den ich bei den Menschen in letzter Zeit öfters bemerkt hatte. Dieser Humor veranlasste mich zum Seufzen, im Anschluss darauf erwiderte ich: »Dann gehe ich einmal dieser offensichtliche Liebe nach, wenn's die Herren erlauben?«, spottete ich und wollte an Éomer vorbeigehen, als seine Stimme erklang: »Um genau zu sein, sagte ich: 'Eine ziemlich offensichtliche Liebe'.«
»Thiach uanui a naneth gín gen hamma!« (Du bist hässlich und deine Mutter zieht dich bis heute noch an!), warf ich dem blonden Mann entgegen, gab ihm einen Stoß gegen seine Schultern, sodass er gegen Aragorn taumelte, der dumm kicherte. Danach schritt ich von ihnen weg, doch ich hörte noch ihr Gespräche als ich zu Legolas und Gimli ging.
»Kraft hat sich wirklich«, merkte Éomer lachend an, »Hast du die Beleidigung verstanden?«
»Etwas«, lachte Aragorn, der den waldelbischen Dialekt des Düsterwaldes nicht beherrschte, »aber es ist bestimmt besser, dass wir die Bedeutung dieser Worte nicht gänzlich wissen.«, danach lachten sie weiter und wie gesagt, die beiden waren ziemlich leicht zu unterhalten.
Im nächsten Augenblick kam ich bei Legolas und Gimli an, die mein Gespräch mit Éomer und Aragorn nicht mitbekommen hatten. Gimli stand mit verschränkten Armen da und Legolas nahm seinen amüsierten Blick vom Zwerg und sah mich folglich an. Sofort tauchte ein liebevolles Lächeln auf seinen Lippen auf, das ich erwiderte. Zur Begrüßung nahm Legolas meine Hand, strich mit seinem Daumen kurz und sanft über meinen Handrücken, dann sah ich zu Gimli und entdeckte Legolas' Grund für sein vorheriges Lachen. Gimli hing eine rote Haarsträhne vor sein Gesicht und wie es schien, hatte er viel Arbeit in seine Frisur hineingesteckt. So entfernte ich ihm die Haarsträhne, was er damit kommentierte, dass er nach meiner Hand schlug.
»Etwas Spucke würde gewiss die Haare an Ort und Stelle halten«, schlug ich vor und des Zwerges Augen nahmen einen bedrohlichen Ausdruck an.
»Wag' es, meine Haare mit Spucke zu behandeln, dann zeige ich dir, was Spucke ist.«
»Keine Sorge, ich hatte nicht vor, deinen Schopf anzufassen. Wer weiß, welches Ungeziefer an euch Zwergen lebt«, stichelte ich zurück und bevor wir beide weitermachen konnten, erschallten Trompeten.
Sofort stellte ich mich mit geradem Rücken neben Legolas und neugierig blickte ich umher. Auch die anderen wussten, was diese Trompeten bedeuteten, und ich sah, wie Éomer sich zu Imrahil und den Elbenbrüdern gesellte. Merry und Pippin standen etwas abseits bei den Dúnedain, Beregond und anderen höheren Offizieren Gondors und Rohans. Aragorn war zum mittleren Thron gegangen und hatte Platz genommen. Stolz lag sein gezogenes Schwert auf seinen Knien und seine grauen Augen sahen auf den Wiesenstreifen. Das Gras war in Sonnenschein gehüllt und dort standen stattliche Bäumen mit dunklem Laub und scharlachroten Blüten.
Kurz darauf traten drei Gestalten aus dem kleinen Wald heraus und ein Lächeln umrundete meine Lippen, als ich Gandalf mit den zwei Hobbits sah. Mit strahlend weißer Robe ging der Zauberer ein wenig hinter Frodo und Sam, welche mit runden Augen die vielen Ritter in schimmernder Rüstung betrachteten. Das herangetretene Heer machte wahrlich Eindruck und die zwei Wachposten in schwarzsilberner Tracht begrüßten die Hobbits würdevoll. Danach blies ein Mann abermals in eine Trompete und die Hobbits traten endgültig aufs Feld mit dem Heer. Viele Kompanien standen in Reih und Glied, wirkten wie Statuen, und ihre Rüstungen blitzten in der Sonne. Als die beiden mit Gandalf näherkamen, fuhren tausende von Schwerter gleichzeitig aus ihren Scheiden, Speere wurden gegen Schilde geschlagen. Hörner und Trompeten erschallten von überall. Danach erklangen viele Stimmen und in vielen Sprachen riefen sie:
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Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔
FanfictionKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...