20. Kapitel - Der Herr von Moria

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Nun standen wir hier und der einzige Weg war der auf der anderen Seite. Die schönen, alten Bäume neben der Tür lagen jetzt vor der Zwergentür. Unbehagen machte sich unter uns Gefährten breit, da wir gezwungen waren, durch die Minen von Moria zu gehen.
Boromir murmelte Widerworte, die von den Wänden zurückgeworfen wurden, doch es brachte ihm nichts und auch er schritt, wie die anderen, die Treppe hinauf. Niemand sprach ein Wort. Während ich Gandalf folgte, der aus seinem Stab einen trüben Lichtschein leuchten ließ, erklomm ich die breite Treppe. Die Stufen waren sauber und unbeschädigt. Oben angekommen, standen wir in einem Gang mit gewölbter Decke, der in die Dunkelheit hineinführte.
Herumstehend verweilten wir ein paar Sekunden. Niemand wusste etwas mit seiner eigenen Wenigkeit anzufangen, bis Frodo vorschlug, dass wir einmal eine Mahlzeit zu uns nehmen sollten, da der Hobbit Hunger zu beklagen hatte. Der Vorschlag wurde vor allem von den Hobbits begrüßt.
Ich ließ mich auf das Gestein plumpsen und setzte mich neben Pippin, welcher seine behaarten Füße vor sich ausgestreckt hatte, auf die Treppe. Legolas setzte sich vor mich hin, sodass ich seinen blonden Haarschopf leicht im Halbdunklen sehen konnte. Gandalf spendierte allen, wie zuvor schon am Caradhras, einen Schluck von dem Miruvor aus Bruchtal und sagte, dass er leider nicht mehr lange reichen würde, als das Gefäß wieder bei ihm angekommen war. Auch sollten wir alle sparsam mit dem Wasser umgehen, da wir unsere Flaschen erst wieder im Schattenbachtal befüllen könnten, denn, obwohl Moria viele Bäche und Brunnen hatte, würden wir jene nicht anrühren. Grauste es mich nur an dem Gedanken daran, Minenwasser zu trinken.
Wir hatten noch ein paar Meilen hinter uns zu bringen, weswegen wir nur kurz rasteten, folgend brachen wir auf; wir wollten die Wegstrecke so schnell wie möglich hinter uns bringen. So marschierten wir trotz Müdigkeit weiter voran. Gandalf ging voran. In der linken Hand hielt er seinen Stab, dessen Lichtschimmer nur den Boden vor seinen Füßen erhellte, in der rechten sein Schwert Glamdring.
Hinter ihm schritt Gimli, dann Frodo, wobei auch er sein kurzes Schwert Stich gezogen hatte. Die beiden Schwerter leuchteten nicht, was uns alle beruhigte, denn diese alten Schwerter, von Elben geschmiedet, warnten ihre Träger vor Orks.
Hinter Frodo folgten die anderen Hobbits und die zwei Menschen, samt Legolas und mir. Legolas war in sein altbekanntes Schweigen gehüllt, das ich, wenn ich es nicht schon seit tausend Jahren kennen würde, als unangenehm empfunden hätte.
Ich marschierte zwischen Aragorn und Legolas entlang, wobei der Mensch beinahe Legolas in Sachen Trübseligkeit schlug.

Ja, die beiden, wie viele anderen, wollen nicht hier sein und müssen dies natürlich jedem zeigen...
Fast wäre ich schon zu Gimli gegangen, weil dieser bestimmt gerne über Moria geplaudert hätte, doch so tief war ich noch nicht gesunken.

Ich wanderte einfach. Eine Weile führte der Weg stetig abwärts, dann blieb er auf gleicher Höhe. Die Luft wurde warm und stickig, doch auf meinem Gesicht spürte ich einen kühleren Hauch, der aus kaum erkennbaren Öffnungen in den Wänden kam. Durch meine Elbenaugen sah ich viele Treppenabsätze, Torbögen, Gänge und Stollen, aufwärts oder steil bergab führend. Doch die Hauptattraktion war die Dunkelheit um uns herum.
Niemand hätte dem Zauberer helfen können, sich die Wege zu merken, die wir gingen, denn schon bald war alles zu einem einzigen Labyrinth geworden. Wir schritten durch diese Ewigkeit dahin, immer weiter. Jedoch, ungeachtet der Dunkelheit und all der Krümmungen und Kreuzungen der Straße wusste Gandalf dem Anschein nach immer, wohin er wollte, und verlor nie den Mut, solange es einen Weg gab, der zum Ziel führen könnte.
Es gab nicht nur viele Kreuzungen, an denen man sich entscheiden musste, sondern an manchen Stellen waren auch Löcher und Gruben und dunkle Brunnenschächte. Schächte, die so tief waren, dass sie in eine andere Welt führen mussten. Der längste Riss im Boden war gute zehn Fuß breit und es dauerte eine knappe Ewigkeit bis Pippin den Mut beisammen gehabt hatte, die fürchterliche Kluft zu überspringen. Schlussendlich hatte er es geschafft. So konnten wir der Kluft, von der von tief unten ein Geräusch von brodelndem Wasser heraufdrang, den Rücken zukehren.
Wir wanderten weiter. Niemand sprach viele Worte. Das einzige Geräusch machten unsere Schritte, und wenn wir einen Augenblick stehenblieben, hörten wir überhaupt nichts. Selten hier und da ein Rieseln oder Tröpfeln unsichtbaren Wassers. Gelegentlich bildete ich mir ein, dass ich ein leises Tapsen von Füßen hörte, doch es verschwand immer genau dann, wenn es hörbar wurde. Ein Echo konnte es aber nicht sein, denn wenn wir anhielten, tapste es noch ein paar Mal für sich allein, ehe es still wurde.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt