*95. Kapitel - Junge Köpfe

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550 Jahre zuvor:

Ruhe umhüllte mich und ich befand mich in der Welt des Schlafes. Die schönste Welt, die es gab, wenn man mich nach meiner Meinung fragen würde. Alles war ruhig und die unterschiedlichsten Traumszenen spielten sich vor meinen inneren Augen ab. Jedoch, auch ohne das Träumen war die Welt des Schlafes schön. Alles war ruhig, angenehm weich. Gewiss wusste ich, dass ich immer noch im Bett von Legolas liegen musste, doch meinem schlafenden Ich war dies egal. Seit langem hatte ich nicht mehr so gut schlafen können, da in den letzten Wochen viel für die Große Jagd vorbereitet worden war. Jetzt war sie vorbei, trotzdem konnte diese Ruhe nicht ewig andauern.
Ich bemerkte, wie ich zurück in die Welt der Wachen kam, was natürlich nicht bedeutete, dass ich meine Augen öffnete. Nein, ich rollte mich auf die andere Seite, weil das Licht der Fenster zu hell wurde und währenddessen seufzte ich müde auf. Das darauffolgende leise Lachen konnte nur von Legolas stammen, der, wenn man meine Schlafgewohnheiten als Vergleich betrachtete, bereits lange wach sein musste. Im nächsten Atemzug vernahm ich ein Geräusch von Pergament und wahrscheinlich las der Elb gerade die Berichte, die ich gestern auf seinem Nachtisch gesehen hatte. Es würde ihm zumindest ähnlichsehen.
Nach dem raschelnden Geräusch vernahm ich Legolas' Hand, die über meinen Kopf strich, und als er ihn abwesend kraulte, war es schier unmöglich, in diesem Moment an Aufstehen zu denken. Gar war ich wieder kurz davor, in den Schlaf zu sinken, doch entschloss mich, spähend meine Augen zu öffnen. Irgendwie hatte ich es geschafft, dass ich mit meinem Kopf unter dem Kissen lag, und durch meine Wimpern hindurch blickend entdeckte ich Legolas. Wie vorhergesagt, hielt er in seiner linken Hand ein Stück Pergament und die andere Hand bewegte sich abwesend auf meinem Kopf. Ich seufzte seelisch auf und streckte mich, wobei meine Arme unter dem Kissen verschwanden, sodass Legolas ein zweites Lachen klingen ließ.
»Auch endlich wach?«, fragte er mich. Nach meinem Strecken öffnete ich meine Augen ganz. Er sah mich von der Seite aus an und zu müde, richtige Worte zu bilden, grummelte ich meine Zustimmung.
»Mhm...«, machte ich und während Legolas den nächsten Bericht nahm, erhob er abermals seine Stimme: »Für deine Verhältnisse bist du sogar früh wach geworden. Mittag ist noch mindestens zwei Stunden entfernt.«
»Sieh', meine Schlafgewohnheiten haben sich verbessert«, witzelte ich, aber das folgende Gähnen erzählte eine andere Geschichte.
»Gewiss«, kam es sarkastisch und während ich eine Hand vor meinen Mund hielt, legte ich mich seitlich hin.
So verging etwas Zeit, in der ich Legolas beobachtete, wie er die Berichte las, die von den Kriegern des Palastes stammen müssten, da die Leiter der Grenz- und Jägerposten ihre Berichte noch schreiben müssten. Die Krieger des Palastes hatten bei der Jagd bloß die Grenzen des Palastes abgesichert und demnach ihre Berichte vorher fertigbekommen. Ein paar Elben hatten ihr Leben gelassen, doch leider gehörte so etwas hinzu, wenn man sich dazu entschied, in der Verteidigung zu dienen.
In den Berichten schien jedoch nichts Interessantes zu stehen, da der Elb sie mehr überflog als las. Seine blauen Augen flogen über die Lettern, denn den interessantesten Bericht hatte immer noch seine Gruppe vorzuweisen. Ich wusste, dass Legolas immer zu viel nachdachte und sich fragte, ob er bestimmte Situation verhindern hätte können. Ob er ein oder mehr Späher in den Bäumen stationiert hätte sollen, um das herannahende Orkheer zu entdecken, die die Späher zuerst von den Bäumen geholt hatten? Diese und weitere Fragen schwirrten in seinem Kopf umher und mit diesen Dämonen musste sich jeder Kommandant herumschlagen. Ein Kampf konnte nie ohne Verluste auf beiden Seiten stattfinden und diese Realität gefiel niemandem.
Als ich meine Stimme erheben wollte, vernahm ich außerhalb des Raumes im Gang leise Schritte, dann ein Klopfen an der Tür. Legolas schien leicht genervt zu sein, doch als Prinz gab es selten einen Tag, an dem er nichts zu tun hatte.
»Bitte? Wer will mich sprechen?«, fragte er und durch die Tür erklang eine bekannte Stimme: »Hier ist Elif, Prinz Legolas. Auf dem Weg habe ich einen Schreiber getroffen, der Berichte bringen wollte, die ich ihm abgenommen habe«, erklärte sie und Legolas hob eine Braue, »Ich habe dies getan, weil ich sowieso Essen bringe, doch bitte sagt mir nicht, dass ich hinter dieser Tür auch Lithil antreffen werde.«
Ah, von hier spielt die Musik, dachte ich und folglich wechselten Legolas und ich einen Blick. Infolgedessen tauchte ein ertapptes, sogleich unschuldiges Grinsen auf unseren Lippen auf. Gewiss schickte es sich nicht, wenn dem Prinzen Berichte gebracht wurden und er mit einer Kommandantin der Grenzen im Bett lag. Viele ungewollte Gerüchte könnten die Folge sein, die vor allem mir schaden würden.
Ja, Elif hatte die richtige Vermutung und ihre Tat war berechtigt, sodass mir einfiel, dass sie ein intelligenter Kopf war.
»Dieses Schweigen reicht mir als Antwort. Nan Aear a Geil!« (Bei dem Meer und seinen Sternen!), hörten wir, warum Legolas mit seinen Augen rollte.
»Bitte, Elif, komm herein, bevor die Unterhaltung durch die Tür noch Aufregung bringt. Es ist ja nichts Ernstes«, sprach der Prinz und im nächsten Moment wurde die Tür geöffnet und ein kleiner Wagen, von der Elbin geschoben, kam in den Raum, dann fiel die Tür ins Schloss und es ging los: »Nichts Ernstes! Nein, nein, überhaupt nicht!«, ließ sie klingen, sodass ich in die Matratze einsank. Ich wusste, dass Elif so etwas wie eine Mutter für Legolas war und neben dem König einer der wenigen war, die in einem solchen Tonfall mit dem Prinzen sprechen durfte.
Die schwarzhaarige Elbin ließ den kleinen Speisewagen am Fußende des Bettes stehen, anschließend schritt sie an Legolas heran und legte die Berichte auf den Tisch neben dem Bett. Jedoch, in ihrer Handbewegung steckte zu viel Schwung, als dass es kein einfaches Legen war. Kurz blieb sie neben dem Tisch stehen, dann bekamen wir beide einen tödlichen Blick, warum es mich wunderte, dass ich danach noch weiteratmen konnte.
»Ja, ja«, murmelte sie, schüttelte ihren Kopf, folgend ging sie flott zu den Fenstern, öffnete zwei und ihre Schimpftirade ging weiter: »Warum hättet ihr nicht einmal eure Köpfe für andere, weiterreichende Gedanken verwenden können? Einfaches Denken lässt euch auf den Entschluss kommen, dass es sich nicht schickt, wenn man euch so sieht, oder Lithil einfach nur beim Verlassen des Raumes des Prinzen, Prinzen, gesehen wird!«, schwungvoll ging ein Fenster auf und die Morgenluft strömte in den Raum hinein, »Selbst der kleine Besuch gestern hätte nicht sein sollen, aber das, wirklich? Wenn ihr jungen Leute doch einfach nur weiter denken würdet! Wisst ihr eigentlich, wie schnell einen Gerüchte ruinieren können? Anscheinend nicht!«
Nachdem sie geendet hatte, blitzten ihre blauen Augen auf und mit verschränkten Armen kam sie ans Fußende des Bettes. Sie trug wieder die Kleidung der Dienerinnen, wobei das Kleid schöne Stickereien hatte, und ihre schwarzen Haare waren in einem geflochtenen Zopf. Ich hatte mich auf meinen Rücken gelegt und die Decke anstarrend, seufzte ich laut auf.
»Bitte, als ob wir gleich ein Kind zeugen! So jung sind wir jetzt auch nicht wieder.«
»Nicht jung, ja, gewiss«, sehr viel Sarkasmus war zu hören, »Erreicht einmal euer erstes Jahrtausend, dann reden wir wieder über dieses Thema.«
»Schon verstanden«, ich fuhr mir durch mein Gesicht, »Ich habe einfach gestern nicht mehr den Weg zu den Zelten gefunden, weißt du, deswegen bin ich hier gewesen.«
»Mach' dich nicht darüber lustig, Lithil! Es ist ernst und vor allem für die deine Wenigkeit!«, mahnte Elif und am Rücken liegend wechselte ich einen kurzen Blick mit Legolas. Er symbolisierte mir, dass man in diesen Momenten nicht mit Elif diskutieren sollte und ich bald auf dünnes Eis trat.
Ebendeswegen seufzte ich, setzte mich auf, sodass ich die Elbin ansehen konnte. Sie hatte ihre Hände in ihre Hüfte gestemmt und ihr Blick ging zwischen uns beiden hin und her. Neben ihrer Aufgebracht entdeckte ich jedoch noch ein seltsames Funkeln, doch dieses war nur kurz zu sehen, dann erklang abermals ihre Stimme: »Habt ihr zwei noch etwas zu sagen?«, doch wir schüttelten gleichzeitig unseren Kopf und sie nickte.
»Gut«, sagte sie, »gegen Mittag kommt ein Heiler, um dem Prinzen seine Verbände zu wechseln.«
Mit diesen Worten, gefolgt von einem weiteren mahnenden Blick, verließ sie das Gemach, wobei die Tür viel zu laut ins Schloss fiel, als dass es noch angebracht gewesen wäre. Danach ließ ich mich ins Kissen fallen und nachdem es kurz still zwischen uns zweien gewesen war, begannen wir zu lachen. Es war schon eine eigenartige Erfahrung, von Elif zurechtgewiesen zu werden, wie es eine Mutter tun würde. Leider hatte sie aber recht, und so entschloss ich, nicht auf ewig in diesem Bett liegenzubleiben, was ich durchaus tun hätte können.
Ich streckte mich noch einmal im Sitzen und als wir unser Lachen beendet hatten, sah ich hinüber zu Legolas. Ich beugte mich zu ihm und sprach: »Leider hat sie doch recht und auch muss ich sowieso nach meiner Truppe sehen. Mit etwas Glück haben die besonderen Persönlichkeiten unter ihnen noch nicht alle in den Wahnsinn getrieben. Du bleibst schön hier, geht auch nicht anders und bitte, mach' dir nicht immer so viele Gedanken über die Vergangenheit, was sein hätte können«, als ich endete, lächelte ich ihm entgegen und aus einem mir fremden Impuls aus, bekam er zum Abschied einen Kuss auf seine Wange. Darauf kletterte ich übers Bett, schlüpfte in meine Stiefel und als ich aufstand, meinte ich auf den Wangenkuss bezogen, indem ich auf meine eigene Wange tippte: »Und lassen wir Elif von dem hier nichts erfahren. Gerüchte verbreiten sich schnell, mein Freund.«
Wenn es sie sowieso nicht schon getan haben, dachte ich und musste daran denken, dass man die Freundschaft zwischen uns beiden schon als mehr betrachtete, zumindest taten dies ein paar Elben. Legolas schüttelte auf meine Worte nur heiter seinen Kopf, dann schnappte ich mir einfach einen der Äpfel, die auf dem Wagen in einer Schale lagen, sowie einen Lembas-Keks und verließ den Raum, machte mich auf die Suche nach meiner Truppe.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt