550 Jahre später:
Nach einer Reise von fünfzehn Tagen erblickten meine Augen das Goldene Dach Edoras'. Es funkelte in der Sonne und ich erinnerte mich an meine letzten Besuche in der Menschenstadt. Das erste Mal waren wir nicht freundlich in Empfang genommen worden und hatten mit einem Greis Bekanntschaft gemacht. Schlangenzunge hatte ihn in seinen Fängen gehabt und die Gedanken des alten Mannes gelenkt. So alt war König Théoden jedoch nicht gewesen, denn in der Goldenen Halle waren wir Teil seiner Wiedergeburt geworden. Der Schatten Schlangenzunges war von ihm gefallen und sofort waren wir mit dem König und sein Volk in die Schlacht um Helms Klamm geritten. Durch diese Reise hatte ich die Menschen Rohans kennengelernt und den nun König Éomer ins Herz geschlossen. Nach Helms Klamm hatte uns unser Weg nach Isengard und wieder zurück in die Hornburg geführt, wo ich König Théoden zum letzten Mal lebend gesehen hatte. Eines Königs würdig war er Minas Tirith zur Hilfe geeilt und hatte tapfer gekämpft. Als großer Mann war er gestorben, und zwar genauso, wie er es gewollt hatte. Ich erinnerte mich an seine Worte, dass er im Kampf sterben wollte, und genau dies hatte ihm das Schicksal geschenkt.
Nach all diesen Gedanken blickte ich hin zum Wagen, in welchem der König nach Hause fuhr. Der Wagen rollte über die grünen Wiesen Rohans und es schien, als ob ihn sein Zuhause begrüßen würde. Wir ritten an den Grabhügel der alten Könige entlang und die weißen Blumen Immertreu schienen sich dem Wagen entgegenzustrecken. Hinter dem Wagen ritten stolze Gestalten und die Männer Rohans machten ihrem König alle Ehre. Mit einem strengen Blick lenkte Éomer sein Ross und er sah einem König würdig aus. Sein goldenes Haar funkelte in der beginnenden Abendsonne und seine Rüstung war blank poliert.
Mit dumpfen Hufschlägen kamen wir voran, als wir uns der Goldenen Halle und den Bergen näherten. Die Halle von den Berghängen im Hintergrund geschmückt und mit vielen Laternen erhellt, da es langsam Abend wurde. In der Dämmerung erreichten wir das Tor und es wurde in die Trompeten und Hörner geblasen. Edoras begrüßte seinen gefallenen König und während wir alle abstiegen, führte König Éomer, begleitet von Aragorn, Théoden in eine steinerne Halle. Dorthin brachte man ihm seine Waffen und alle anderen schönen Dinge, die er besessen hatte.
»Ich wünschte, ich hätte diesen König Théoden kennenlernen dürfen«, sprach Samweis, als wir dem Wagen nachsahen und unsere Pferde von Stallburschen zu den Ställen gebracht wurden. Sam stand neben Merry und Frodo. Er knetete seine Hände vor seinem Oberkörper und sah bedrückt aus, obwohl er den König nicht gekannt hatte.
»Ich hab' ihn so gern wie einen Vater gehabt«, erwiderte Merry, der den ganzen Weg über als Knappe auf dem Wagen gesessen hatte. In seinen Augen war Trauer zu finden und ich wusste, dass er viel Zeit mit dem König verbracht hatte. Théoden hatte Interesse an dem Volk aus dem Auenland gefunden und wahrscheinlich musste Merry daran denken, dass er ihm nie die Geschichte des Pfeifenkrautes erzählen hatte können.
»Denken wir alle daran, dass er im Kampf gestorben ist, wie er es sich gewünscht hatte. Ein in Erfüllung gegangener Wunsch eines Toten ist etwas Besonderes«, sprach ich und legte meine linke Hand auf die rechte Schulter von Merry. Ich drückte leicht zu, dann erhob Gandalf seine Stimme: »Théoden war ein guter Mann und ihn auf seinem letzten Weg zu begleiten, bedeutet ihm viel. So ehrenvolle Gäste hatte noch kein Herrscher der Mark auf seiner Beerdigung vor ihm, doch auch hat Théoden gegen einen großen Feind gekämpft. Und jetzt wollen wir ihm diese letzte Ehre zuteilwerden lassen.«
Nachdem er geendet hatte, kamen wie aufs Stichwort Aragorn und Éomer zurück. Wir standen noch bei der Stadtmauer, doch schon jetzt konnte man sagen, dass in Edoras wieder Leben zu finden war. Überall hingen Laternen und im Westen leuchtete die Sonne am Himmel. Der Abend kündigte sich an und zusammen setzten wir uns in Bewegung.
Wir marschierten durch die Stadt und unser Geleit erregte Aufmerksamkeit. Von allen Häusern und neben der Hauptstraße begrüßten alle ihren König, und doch schienen viele der Menschen Ehrfurcht vor den Großen unter dem Elbenvolk zu haben. Der Einzige, der neben Elrond und dem Herrn und der Herrin Lothlóriens nicht klein aussah, war ganz allein Gandalf der Weiße. In weißer Robe ging er hinten bei den Elben und zusammen schienen sie die Weisesten Mittelerdes zu sein. Arwen Abendstern, doch auch König Elessar und Elronds Söhne strahlten ebenso Größe aus. Gewiss hatte das Volk von Edoras noch nie so viele hohe Besucher auf einmal in Empfang genommen. Dies erkannte man auch am Gesicht der Frau Éowyn, die uns an den Treppen zur Goldenen Halle begrüßte. Golden schimmernd wirkte ihr Haar in der Abendsonne, doch anders als ihre weißen Kleider trug sie passend eines in einem fließenden Schwarz. Éomer ging voraus, begrüßte seine Schwester, die traditionell mit einem Schwert vor ihr im Boden ihren Bruder und König in Empfang nahm. In der Abwesenheit des Königs hatte sie sich um das Volk Edoras' gekümmert und nun überreichte sie ihrem Bruder das Schwert, als Zeichen seiner Heimkehr. Dafür ging sie gemäß in die Knie und der König von Rohan nahm ihr das Schwert ab, dann stand die Frau auf und stellte sich neben ihren Bruder.
Nacheinander begrüßten wir Éowyn und sie uns. Am meisten schien sie sich zu freuen, mich und den Fürsten von Ithilien zu sehen. Faramir begrüßte sie mit einem Lächeln und höflichem Handkuss und es schien mir so, als ob die beiden mehr füreinander empfanden. Anders als in Aragorn, der für sie nur Verständnis und Mitleid übriggehabt hatte, könnte sie in Faramir vielleicht die große Liebe finden. Als sich jedoch Arwen und Éowyn gegenübertraten, bildete ich mir ein, dass sich die zwei Frauen gegenseitig in ihre Herzen sehen konnten. Éowyn sah in Arwen Abendstern den Grund, warum Aragorn sie nie wahrgenommen hatte, und diese Erkenntnis musste sie akzeptieren. Die zwei Frauen miteinander zu vergleichen, hätte man nicht wagen dürfen, denn beide von ihnen waren große Frauen in ihren Völkern und bekanntlich brachte ein Vergleich zwischen den Menschen und Elben nichts. Als sich Éowyn und König Elessar begrüßten, sah man zwischen ihnen eine größere Distanz, die dieses Mal von Éowyn ausging.
Als sich alle begrüßt hatten, die Ritter, mit denen Éomer nach Minas Tirith geritten war, ebenso bei der Halle standen, wo sich das Volk von Edoras versammelt hatte, erhob der König Rohans seine Stimme. Er sprach in der Sprache seines Volkes, doch Aragorn übersetzte leise seine Worte in die Gemeine Zunge für uns, die die Sprache der Pferdemenschen nicht beherrschten: »Lange ist es her, seitdem König Théoden zum letzten Mal in Edoras verweilt war. Lange, wenn wir nach unseren Herzen gehen, doch nicht einmal ein halbes Jahr, seitdem Théoden, ein, vielleicht der größte Herr der Riddermark in der Schlacht auf den Pelennor-Feldern gefallen ist. Sein heldenhafter Tod hat ihm den inneren Frieden gebracht, den er sich so sehr gewünscht hat und mit seinem eigenen Frieden kam unser aller Frieden. Nun ist König Théoden nach Hause gekehrt und möge er bald neben seinen Vorfahren auf ewig ruhen. Solle sein Grab von den schönsten Immertreu geziert werden! Jetzt aber werden wir seine Heimkehr feiern und zu seinen Ehren können wir edle Gäste in Edoras begrüßen. Der König und Königin von Gondor, begleitet von den Fürsten Dol Amroths und Ithiliens; Hobbits aus dem Auenland, unter ihnen der Ringträger Frodo Beutlin; Gandalf der Weiße; Gimli Glóinssohn; ehrenvoll begrüßen wir die aus dem schönen Volk, denn der Herr vom entfernten Bruchtal Elrond, seine Söhne und Hausvolk, wie die Herrin und der Herr des Goldenen Waldes Lórien, mit ihrem Volk, sind unsere Gäste, sowie zwei aus dem schönen Volk aus dem Düsterwald. Begrüßen wir sie! Doch, vor allem ist dies die Feier zu Ehren König Théodens, also lässt ihn uns achten, als einen unserer besten Könige Rohans!«
Nachdem Éomer seine Rede beendet hatte, erklang von der ganzen Stadt her Beifall und wieder wurde in die Trompeten und Hörner geblasen. Ja, König Théoden war in seine Heimat zurückgekehrt.
Nach diesen Worten setzten wir unseren Weg in die Halle fort, die für ein großes Fest geschmückt worden war. Die Halle erlebte das prächtigste Fest, seit sie erbaut worden war, und neben uns wurde die Halle von den größten Rittern der Mark und den edelsten Frauen Rohans gefüllt. Viele Barden der Menschen hatte Lieder über Théoden verfasst, die sie vortrugen, und trotz der Trauer, die zu spüren war, war es ein Fest, das dem gefallenen König nur alle Ehren zukommen ließ. Denn nicht nur in der Halle, sondern in der ganzen Stadt wurde gefeiert.
DU LIEST GERADE
Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔
FanfictionKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...