35. Kapitel - Rohans Reiter

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Am nächsten Tag war Legolas abermals vor uns auf den Beinen und stand entfernt von allen anderen. Ich rieb mir den restlichen Schlaf aus dem Gesicht, versuchte, ihn zu vertreiben und schritt zum Elben heran.
Legolas sah in die Ferne. Im Osten dämmerte blass der Tag. Ein kleiner heller Schimmer, ausgehend vom Boden des Horizontes. Meine Füße bewegten sich über den Untergrund und geräuschlos bewegte ich mich auf den Elben vor mir zu. Bei Legolas angekommen, legte ich ihm meine linke Hand auf die Schulter, drückte leicht zu. Trost vermochte meine Geste nicht zu spenden, doch der Elb reagierte. Er legte seine linke Hand auf meine. Angenehme Wärme ging von dieser Berührung aus.
Mit seinem Daumen streichelte Legolas sanft meinen Handrücken, dann erhob er seine Stimme: »Sieh in die Ferne, Lithil.«
Meine Elbenaugen spähten über das Land Rohan. Am Waldrand sah ich komische Schemen.
»Ich vermag nicht zu bestimmen, was meine Augen sehen, mein Freund.«
»Ich ebenso nicht, es ist seltsam. Wir müssen weiter marschieren und die anderen wecken«, entschloss der Elb, drehte sich mir zu.
Seine Hand hielt meine fest. Legolas sah mir in meine Augen. Der Blick war so intensiv, dass es mir schwerfiel, jenem lange standzuhalten. Normalerweise tat ich mir bei solchen Angelegenheiten nicht schwer, doch seine blauen Augen strahlten etwas aus. Sie schienen sich an etwas ganz Bestimmtes zu erinnern  fern lag dies jedoch in der Vergangenheit. Eine Erinnerung an eine andere Zeit, und doch würde die Erinnerung nicht verschwinden, nie.

Auch ein langes Leben ust nicht imstande, jemandem vergangene Erlebnisse vergessen zu lassen.

Ich wandte meinen Blick schließlich ab, wollte mich nicht mit dem Gefühl befassen, welches in mir aufstieg, konnte es nicht; mein Gemüt war durch diese Reise verändert worden. Wenig, doch fühlte ich eine Veränderung, wenn ich an die Lithil vom letzten Sommer dachte. Ich war nachdenklicher geworden, ebenso schwelgte ich öfters in Erinnerungen.
Legolas ließ meine Hand los. Diese fühlte sich komisch kalt an, darauf ging der Elb seinen vorherigen Vorhaben nach.
»Wacht auf, wacht auf!«, rief er den anderen zu, »Rot dämmert der Morgen. Seltsame Dinge erwarten uns am Waldrand. Ob gute oder böse, kann ich nicht sagen, aber wir werden gerufen. Wacht auf!«
Die anderen fuhren hoch, wobei Gimli so aussah, als ob man ihm einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet hätte. Seine Augen waren weit aufgerissen, aber der Mensch stand ihm in nichts nach. Etwas leid taten sie mir schon, denn ich hatte schon viel zu oft erfahren müssen, was es hieß, von Legolas geweckt zu werden. Den Fall vom Baum in den See unter mir nahm ich ihm bis heute noch übel.
»Die Stimme einer Göttin...«, grummelte Gimli, aber erhob sich mühselig. Legolas schien jedoch kein Problem zu sehen und fast augenblicklich machten wir uns auf den Weg.
Zuerst langsam, bis die Sonne den Tag ankündigte. Der Morgenwind war kalt, ließ meine Wangen rot werden. Es war mehr eine Erfrischung als Qual und im Laufschritt folgten wir der Spur. Die Buckelhöhen von Rohan, dem Pferdeland, kamen wir immer näher. Eine Stunde vor Mittag kamen wir dort an.

Die grünen Hänge stiegen zu kahlen Kuppen an, zogen sich nach Norden, bis sie verblassten. Der Boden war staubtrocken, desto näher man dem Fuß der Höhen kam, doch ein breiter Streifen Flachland lag zwischen ihnen. Auf der anderen Seite des Streifens floss ein Fluss, der von einem breiten Gürtel von Schilf gesäumt wurde. Das Schilf tanzte im Wind und in ihm schien kein Lebewesen zu leben. Es war zu ruhig, doch warum, konnte ich nicht bestimmen.
Etwas westlich fanden wir einen Kreis im Gras, der von Orkstiefel zertreten worden war. Vom Kreis aus führte die Spur nördlich weiter.
»Hier haben sie eine Weile gerastet«, sprach Aragorn betrübt, als er sich den Boden genauer angesehen hatte, »Aber selbst die weiterführende Spur ist schon alt. Ich fürchte, dein Herz hat dir die Wahrheit gesagt, Legolas: Dreimal zwölf Stunden, schätze ich, ist es her, dass die Orks hier standen, wo wir jetzt stehen. Wenn sie ihr Tempo durchgehalten haben, müssten sie gestern Abend Fangorns Grenzen erreicht haben.«
»Ich kann weder nach Norden noch nach Westen zu etwas anderes sehen als Gras und Nebel«, äußerte sich Gimli, »Könnten wir den Wald sehen, wenn wir auf einen der Hügel stiegen?«
»Bis dahin ist es noch weit. Wenn ich mich recht erinnere, ziehen sich diese Höhen etwas über acht Wegstunden nach Norden, bis zum Austritt der Entwasser«, erklärte Aragorn.
»Also, geh'n wir weiter! Meine Beine sollen die Meilen vergessen. Sie täten es bereitwilliger, wenn mir das Herz nicht schwer wäre«, sagte Gimli und abermals setzten wir uns in Bewegung. Dieses Mal mit weniger Hoffnung, doch wir würden die Jagd nicht aufgeben.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt