Als der Mittag vorbei war, hatten wir uns von den Hobbits verabschiedet. Pippin war noch bei Merry geblieben, der sich wieder ausruhen wollte, und als die Sonne sich langsam gegen Westen neigte, gingen wir aus der Stadt. Mir fiel auf, dass ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, obwohl ganzer Tag war der falsche Ausdruck, da ich fast bis zum Mittag geschlafen hatte. Trotzdem war ich immer noch etwas müde, doch leider war die Müdigkeit mein ständiger Begleiter. An freien Tagen fand man mich meistens irgendwo im Palast und dessen Umgebung im Düsterwald liegen. Als Elbin nutzte ich mein ewiges Leben, neben meinen Arbeiten im Heer, fürs Schlafen und Lesen. Natürlich auch, um mit Legolas und anderen Zeit zu verbringen, doch meistens fand man mich schlafend, mit einem Buch an meiner Seite, irgendwo.
Ich wollte nicht wissen, wie viele Jahre meines Lebens ich wahrlich verschlafen hatte, und so lenkte ich meine Aufmerksamkeit aufs zertrümmerte Tor von Minas Tirith. Auch Gimli musterte es und sprach: »Um dieses Tor wieder in seiner alten Pracht erstrahlen zu lassen, werde ich Aragorn gute Zwerge schicken. Die Menschen haben bereits vergessen, wie man mit solch Bauten umgeht und bewohnen sie nur mehr.«
»Die Stadt ist eben sehr alt«, meinte ich darauf nur, ging nicht weiter auf seine Worte ein. Um ehrlich zu sein, wollte ich mich nicht darüber unterhalten, wie man ein altes Tor reparierte, doch Gimli schien nicht mit uns darüber reden zu wollen. Seine dunklen Augen verfolgten das zertrümmerte Tor nur so lange, bis wir bereits aus der Stadt getreten waren und ihm den Rücken zugewandt hatten. Er schien es aus allen erdenklichen Blickwinkeln zu studieren und sich in seinem Kopf einen Plan zu überlegen, wie man dem Tor seine alte Pracht und Stärke zurückgeben könnte.
»Viel Arbeit...«, murmelte er abschließend und als er beinahe rückwärtsgehend hinter uns herstolperte, drehte er sich um und schritt normal weiter. Er strich sich seinen Bart glatt und Legolas erhob darauf seine Stimme: »Nach dem Ende des Krieges muss viel wieder aufgebaut werden, egal welche Seite gewinnt«, und während er sprach, erreichten wir die Reihen der Zelte. Ein großes Heer lagerte vor den Toren Minas Tiriths und überall sah man die Soldaten. Von noch nicht ausgewachsenen Jungen bis hin zu Männern mit beginnendem weißen Haar war alles dabei. Neben den großen Kriegern stachen sie einem ins Auge und man erkannte deutlich, dass die meisten von ihnen anderen Beschäftigungen in Friedenszeiten nachgingen. Minas Tiriths Hilferuf hatte viele erreicht und demnach mussten auch die einfachen Männer kämpfen. Trotz allem sah man den meisten von ihnen nicht an, dass sie nicht hier sein wollten, denn sie wahrten eiserne Mienen.
Zu dritt gingen wir durch ihre Reihen und immer noch verfolgten uns Blicke, doch im Laufe dieser Reise hatte ich mich an sie gewöhnt. Sie würden nie aufhören, aber wir waren nicht die einzigen, welche von diesen Blicken bedacht wurden. Wir kamen in die Mitte der Zeltreihen und uns kamen zwei gleiche Männer entgegen. Elladan und Elrohir, beide einen grauen Mantel um ihre Schultern, schritten anmutig durchs Lager. Die Besprechung der Heerführer schien zu Ende zu sein und nun würden sie wieder anderen Pflichten nachgehen.
Ich musterte die beiden, deren Gesichter von elbischer Schönheit geziert waren. Ihr schwarzes Haar, hinter den Ohren geflochten, und wahrlich sahen sie nicht schlecht aus. Und wenn der Großteil meiner untugendhaften Gedanken nicht bereits Legolas gegolten hätte, hätte sich mein Kopf an den beiden Elben austoben können. Unter ihrer Kleidung ließ sich ihr muskulöser Körper erkennen und mein Blick musste dezent auffällig gewesen sein. Von der Seite aus spürte ich im nächsten Wimpernschlag einen bohrenden Blick auf mir. Als ich mich ihm zuwandte, blickte ich zwei eisblauen Augen entgegen. Legolas schien nicht erfreulich auf meine Blicke zu reagieren und dies veranlasste mich dazu, unschuldig zu grinsen. Ebenso gefiel es meinem Ego komischerweise, dass der blonde Elb dem Anschein nach ein Problem damit hatte, wie ich die beiden ansah. Schon auf unserer Reise nach Minas Tirith war mir dies nicht entgangen und bald könnte er nicht mehr leugnen, dass es sich nicht um Eifersucht handelte.
Doch nicht nur ich wurde mit einem kalten Blick bestraft, denn als wir die Elbenbrüder passierten, bekamen jene, speziell Elladan, auch Legolas' Blick zu spüren. Natürlich versuchte er, es mit einem freundlichen Nicken zu kaschieren, aber ich kannte ihn zu gut. Ebenso schienen die beiden Brüder etwas verwirrt zu sein, jedoch verschwand kurz darauf der kalte Blick aus Legolas' Augen. Deswegen schienen die beiden zu glauben, ein Trugbild gesehen zu haben.
Als sie an uns vorbeigegangen waren, wobei Gimli und ich sie normal gegrüßt hatten, mir Elladans intensiver Blick nicht entgangen war, erreichten wir unsere Zelte, die sich zwar mittig in der Nähe der großen Zelte von den Heerführern befanden, doch noch immer so weit entfernt, dass hinter den Zelten keine weiteren mehr standen. Unsere Zelte trugen die Farben von Gondor, da wir neben den Dúnedain und Männern Gondors lagerten. Daneben lagerte der neue Statthalter Gondors Fürst Imrahil mit seinen Männern. Er war, bis Faramir wieder bei Kräften war, Statthalter und hatte seine Truppen auf die Pelennor-Felder gebracht. Die anderen waren in Minas Tirith stationiert und ebenso waren die Männer Angbors auf den Feldern. Angbor selbst war heute in frühen Morgenstunden mit einigen seiner Männer nach Süden gezogen, um Männer aus den südlichen Lehen zu holen. Jetzt, da die Orks und die Kriegsvölker fort waren, welche die Überfahrt und viele Häfen blockiert hatten, konnten die Südländer Minas Tirith im letzten Angriff unterstützen.
So über die Krieger nachdenkend, ging ich in mein Zelt, schnappte mir meine kleine Tasche und etwas zu essen. Gondor tat alles Mögliche, um die ganze Armee zu versorgen, aber zum Glück hatten viele ihre eigenen Vorräte mitgebracht und auch müssten schon die ersten Bauern mit Lieferungen unterwegs sein, da die Nachricht des Sieges bereits von Boten verbreitet wurde.
Ich verweilte nicht lange in meinem Zelt und kurz darauf trat ich nach draußen, wo Gimli und Legolas vor ihrem Zelt saßen und beide aßen gerade. Gimli aß irgendwelche eingelegten Fische, sodass mir nicht nur aufgrund seiner Manieren schlecht wurde. Das Öl mit Salz, in welchem die Fische eingelegt waren, tropfte in seinen Bart, als er einen kleinen Fisch am Schwanz hielt und sich in den weit offenen Mund steckte. Auch Legolas schien sich im Laufe unserer Reise noch nicht gänzlich an die Essgewohnheiten des Zwerges gewöhnt zu haben. Seine blauen Augen wirkten verstört, während er Gimli beim Essen anstarrte. Als Gimli sich zusätzlich seine Finger ableckte, an denen noch irgendein anderer Dreck klebte, schüttelte ich mich. Ich zwang mich dazu, den Blick vom Zwerg zu nehmen, wie er einzeln einen Finger nach dem anderen in seinen Mund steckte. Ganz allein seine Essgewohnheiten grausten mich und nicht der Fakt, dass er Tiere aß. Meiner Meinung nach konsumierten die anderen Völker zu viel Fleisch, doch da wir Elben nicht gänzlich vegetarisch lebten, hatte ich nichts dagegen einzuwenden. Irgendwoher müssten wir Elben unsere Felle herbekommen, und so gingen wir gelegentlich auf die Jagd. Natürlich musste danach das ganze Tier verwertet werden und doch aß ich Fleisch nur, wenn es nichts anderes gab.
Aus diesem Grund setzte ich mich auch mit Brot und Honig neben Legolas und trauerte abermals dem einfachen Lembas nach. Es war angenehm, einen vollen Magen und alle Nährwerte für einen einzigen Tag zu haben. Zwischendurch könnte man an seinen Lieblingsspeisen naschen und mehr brauchte man nicht. Vielleicht ließ sich heute am Abend noch eine warme Mahlzeit irgendwo auftreiben, da schon einige Köche auf die Felder gezogen waren. Gegen eine gute Brühe oder einfache Bohnen hätte sogar ich nichts einzuwenden.
»Wasch?«, schmatzte Gimli. Er sah zu Legolas, der seinen Blick noch immer nicht vom Zwerg abwenden hatte können. Der Elb schüttelte seinen Kopf, meinte trocken: »Manchmal bist du ekelhaft.«, danach rollte Gimli mit seinen Augen und ihm schien Legolas' Direktheit egal zu sein. Legolas war nämlich jemand, der einem seine Meinung offen ins Gesicht sagte. Dies war auch gut so, da man ihm viele Emotionen vom Gesicht ablesen konnte. Natürlich konnte er auch eine eiserne Miene wahren, wenn er es musste, was er als Prinz gelernt hatte, doch auch in diesen Momenten konnte ich immer noch hinter seine Fassade blicken, seine Körpersprache deuten.
»Leb' damit«, war Gimlis einfache Antwort und es schien, als ob er provokativ doppelt so laut weiterschmatzte.
»Würde ich gerne, wenn du nicht so laut wärst!«, hielt der Elb dagegen, doch der Zwerg zeigte Legolas bloß den halb verkleinerten Inhalt seines Mundes und meinte, nachdem er hinuntergeschluckt hatte: »Dann halt dir die Ohren zu, ganz einfach.«
»Selbst dann würde man dich als Zwerg noch hören.«
»Nicht mein Problem, dass deine Ohren zu viel hören, Elb.«
»Ein Dolch würde die Sache auch klären«, warf ich ein, lenkte das Gespräch in die ernste Richtung. Ernst im Sinne, dass durch meinen Vorschlag das Problem im Nu gelöst sein könnte.
»Du scheinst wirklich irgendwo in dir eine dunkle Seite zu haben, nicht?«, fragte Gimli, doch ich zuckte nur mit meinen Schultern.
»Vielleicht, aber die Stimmen in meinem Kopf sagen, dass ich noch nicht ganz böse bin.«
Gimli begutachtete mich mit einem Kopfschütteln und Legolas bedachte mich mit einem Blick, als ob er wirklich gerade über die Möglichkeit nachdachte, dass ich Stimmen hörte. Somit schenkte ich ihm nur ein Augenrollen und wir aßen unser karges, verspätetes Mittagessen, für mich Frühstück.
Kurz darauf, als ich einen Schluck von meiner Wasserflasche nahm, fiel mir eine Haarsträhne ins Gesicht, die ich daraufhin genervt hinter mein Ohr strich. Als ich meine Wasserflasche verschloss, bemerkte ich den Blick von Legolas auf mir ruhen. Ich hob meine Braue und er klärte seine Stimme: »Mein Angebot steht immer noch«, meinte er, mit dem Blick auf meinen Haaren. Ich begann, zu überlegen. Da ich heute bereits den Kampf in unserer Diskussion verloren hatte, brachte es mir nichts, weiter an meiner Sturheit festzuhalten.
»Gut!«, stieß ich zwischen zusammengepressten Zähnen aus und wieder tauchte dieses widerliche Grinsen in Legolas' Gesicht auf. Ich zwang mich dazu, ihn neutral anzusehen, und als er sich von dem Holzstück, auf welchem er gesessen hatte, auf den Boden setzte und mir deutete, dass ich zwischen seinen Beinen Platz nehmen sollte, stand ich widerwillig auf und tat es. Ich nahm meine kleine Umhängetasche mit, in der ich alles Nötige hatte, und überreichte sie dem Elben, dann ließ ich mich am Boden nieder. Er war mehr trockene Erde als Wiese und mit dem Rücken saß ich zum Elben. Gimli begutachtete abermals die Schneide seiner Axt und schien immer noch an den Schmied denken zu müssen. Ich für meinen Teil hatte an der Schneide seiner Axt nichts auszusetzen, und so starrte ich nach vorne, während Legolas sich um meinen Haufen von roten Haaren kümmerte.
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Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔
FanfictionKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...