91. Kapitel - Böse Gedanken

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Legolas' point of view
550 Jahre später:

»Sollten wir es ihr sagen?«, hörte ich eine Stimme, die so tief war, dass ich sie nur Gimli zuordnen konnte. Ich fand den Zwerg neben den Hobbits oben auf der letzten Ebene der Weißen Stadt. Von hier aus konnte man in beeindruckende Weiten blicken und immer etwas Neues entdecken, wenn man sich die Zeit nehmen und in die Ferne sehen würde. In diesem Moment war der Himmel eine reine dunkle Wolkendecke. Die unterschiedlichsten Grautöne waren zu erkennen und gefährlich verdickten sich die Wolken, sodass ich in den Höhen bereits Donner vernahm. Die Luft roch nass und es wirkte, als ob der Himmel einen aufs Haupt fallen würde. In der Luft lag Anspannung, die bald explodierte und genau deswegen war ich auf die letzte Ebene gekommen. Ich hatte zuvor mit Aragorn über gewisse Angelegenheiten gesprochen, die er nun als König Gondors mit mir als Prinzen des Waldlandreiches besprechen konnte. Ich hatte ihm angeboten, dass mein Volk helfen würde, Minas Tirith zur schönsten Menschenstadt Mittelerdes zu machen, und der neue König hatte sich über meine Worte gefreut. Gewiss müsste ich in meiner Heimat alles noch mit meinem Vater und den hohen Elbenfürsten des Waldlandreiches besprechen, aber bestimmt würden wir Elben unsere Hilfe anbieten. Aragorn war ein Freund meines Volkes und nach diesem Gespräch hatte ich mit ihm über noch etwas andares sprechen wollen.
Als wir in Ithilien verweilt hatten, hatte ich das Gefühl nicht losbekommen, als ob dies Land sich nach den Elben sehnte, und wie ich bereits angesprochen hatte, wollte ich dieses Land besiedelt sehen. Das Dritte Zeitalter neigte sich dem Ende zu und tief in meinem Herzen spürte ich, dass mit dem Vierten Zeitalter die Zeit der Elben langsam ein Ende finden würde. Nicht nur im Düsterwald, obwohl dort die Elbenherzen weniger Sehnsucht nach dem Westen verspürten, doch auch in Imladris und Lórien hatte ich in den Herzen der Elben diese Sehnsucht gespürt. Der Krieg gegen Sauron schien vielen klargemacht zu haben, dass die Ära der Elben bald einen Schluss fand. Im Westen war unser wahres Zuhause und ich war mir sicher, dass in den nächsten Jahren viele Elben Mittelerde verlassen würden. Natürlich würden die Elben nicht verschwinden, denn in der Stadt der Großen Bäume hatte ich viele Elben getroffen, die wahrscheinlich noch eine lange Zeit in Lothlórien weilen würden. Zu schmerzvoll wäre der Abschied von den prächtigen Mallornbäumen, als dass der Westen diesen Elben Frieden schenken könnte. Und, wie es Elben in Lórien gab, die noch nicht nach Westen segeln würden, so gab es sie auch im Düsterwald, der schon bald wieder zum Grünwald werden würde, und in Imladris zu finden. Diese Elben schienen mir perfekt zu sein, neben den drei großen Elbenstädten eine neue Heimat zu gründen. Die Waldelben könnten Ithilien zum schönsten Fleck Mittelerdes machen und diese Gedanken hatte ich Aragorn mitgeteilt. Er kannte das Volk der Elben gut und schien meine Gedanken zu teilen. Aus diesem Grund würde ich über diese Angelegenheit mit König Thranduil und den Elbenfürsten sprechen. Vielleicht würde in den nächsten Jahren eine Waldelbenkolone nach Ithilien ziehen, doch das könnte nur die Zukunft zeigen. Zumindest schien Aragorn der Gedanke zu gefallen, das Elbenvolk nah an seiner Heimat zu wissen, und desgleichen könnte das Vierte Zeitalter das erste werden, wo Menschen und Elben Seit an Seit lebten. Die Zwerge dürfte man ebenfalls nicht vergessen, denn schon bald würde man mehrere von ihnen in der Weißen Stadt sehen. Gimli hatte König Elessar versprochen, dass sein Volk Minas Tirith ein neues Stadttor bauen würde und noch andere Strukturen in der Stadt zu verbessern, die dem Zwerg ein Dorn im Auge waren. Die Menschen Gondors würden bald ihren Augen nicht mehr trauen können, denn noch nie hatten Elben und Zwerge zusammen den Menschen geholfen – eine neue Ära war angebrochen.

In Gedanken versunken, kam ich beim Zwerg und den Hobbits an, die im Durchgang standen, der zur letzten Ebene führte. Mit dem Dach überm Kopf, das sie vor dem herannahenden Gewitter schützen sollte, blickten sie auf die große Ebene und ich erhob meine Stimme: »Wer soll was wem sagen?«, nahm ich Bezug auf Gimlis vorherige Worte und die Drei drehten sich um. Neben ihm standen Merry und Pippin, denn Frodo und Sam waren mit Gandalf im Anwesen, da es bald gewittern würde. Sie waren schlauer als wir, die hier draußen standen. Mein Blick fiel auf Gimli, der ein schelmisches Grinsen zur Schau stellte. Ich trat näher an den Ausgang des Durchgangs heran und blickte über den Hof der Ebene. Auch hier war der Himmel dunkel, doch eine gewisse Elbin schien vom Wetterumschwung nichts mitzubekommen. Auf der Mauer seitlich ausgestreckt lag Lithil und schlief friedlich. Sie hatte den Kopf Richtung Abgrund und ich konnte nur ihren Rücken und Haare sehen. Sie trug ein braunes Kleid mit kurzen Trägern, für das es langsam zu frisch wurde, sodass sogar ich meinen Elbenmantel trug. Jedoch schien sie die aufkommende Kühle, vom Norden durch den Wind kommend, und das Donnern über ihr nicht zu hören.
Wieder fragte ich mich in diesem Moment, wie diese Elbin solche Schlafgewohnheiten haben konnte, da sie mit ihnen fast schon denen der Waldläufer Konkurrenz machte. Auf unserer Reise in der Ringgemeinschaft hatte ich mich oft über Aragorns Talent, in jeder noch so unangenehmen Erdgrube schlafen zu können, gewundert, doch Lithil machte dem gerade ernsthafte Konkurrenz. Sie teilte sich zwar das eben genannte Talent mit den Waldläufern, doch im Gegensatz zu ihnen hatte sie einen festen Schlaf.
»Sie wird uns alle töten, wenn wir sie nicht wecken«, sprach ich, mit dem Blick in den Himmel.
»Dann sind wir einfach zu spät gekommen, um sie zu warnen, ganz einfach«, antwortete Gimli und rieb sich fies grinsend seine Hände. Er schien sich in diesem Augenblick an alle Momente zu erinnern, als Lithil ihn mit Wasser übergossen hatte, und leider hatte der Zwerg recht; Lithil würde diese kleine Abkühlung nicht schaden. Ich selbst spürte in meinem Inneren Schadenfreude aufkommen und so gerne ich sie auch hatte, hatte sie es verdient.
»Willst du ihr den nicht zur Hilfe eilen, Herr Elb?«, fragte Gimli verwundert, da ich immer noch hier stand und nichts tat.
»Nun, wie du gesagt hast, dann sind wir einfach zu spät gekommen, um sie zu warnen«, und nachdem ich diese Worte gesprochen hatte, begannen die Hobbits zu grinsen und Gimli lachte auf: »Och, dass du eine dunkle Seite hast, habe ich noch gar nicht gewusst!«
»Glaub mir, wenn du ihr so 'was schon nach einem knappen Jahr wünscht, welche Wünsche muss ich dann haben?«, hielt ich dagegen und der Zwerg nickte. Seit den letzten etwas mehr als fünfhundert Jahren hatte ich Lithil so gut wie jeden Tag gesehen, da sie in dieser Zeit den Kriegern als erste Elbin beigetreten war. Demnach konnte sich jeder denken, dass ich in dieser Zeit etliche Male Lithils Sinn für Humor ertragen hatte müssen, und mit dem Blick auf die Elbin, konnte ich meine Worte nur wiederholen: Ja, sie hat diese Abkühlung verdient.
Mit diesem Gedanken blickte ich wieder in den Himmel, dann kam der erwartete große Donner. Der Himmel schien zu explodieren, der Wind aus dem Norden verstärkte sich, infolgedessen kam der Regen. Nur war es kein normaler Regen, denn es schien, ob sich irgendwo ein Staudamm in der grauen Wolkendecke entleerte und in weniger als einer Sekunde war die ganze siebte Ebene nass, samt Lithil. Die Hobbits lachten erfreut auf und ich sah doch leicht geschockt dabei zu, wie Lithil aus ihrem Schlaf hochschreckte. Ich hatte nicht erwartet, dass es dermaßen stark regnete. Nun, wir alle hatten es nicht erwartet und am meisten Lithil. Mit runden, grünen Augen setzte sie sich auf und schnappte nach Luft. Ihr Gesichtsausdruck brachte Gimli fast zum Brüllen vor Lachen und er schlug sich mit seiner Hand sogar auf den Oberschenkel, weswegen ich kurz überlegen musste, ob der Zwerg oder die geschockte Elbin ein lustigerer Anblick war. Meine Aufmerksamkeit erregte jedoch schnell wieder Lithil, die geschockt von der Mauer sprang und nach oben ins Gewitter sah. Erste Blitze waren in den Wolken zu sehen und ihre roten Haare klebten in Strähnen an ihrem Körper.
»Ae! Baw, baw, baw, ae! Barad!« (Ah, nein, nein, nein! Verdammt!), fluchte sie in ihre Muttersprache verfallend los, warum ich zu lachen anfing. Nachdem sie sich fertig aufgeregt hatte, bemerkte sie, dass sie komplett durchnässt war und nicht nur ihre Haare am ganzen Körper klebten, ebenso ihr braunes Kleid. Und, obwohl der nasse Stoff nicht durchsichtig wurde, gab er vom Körper der Elbin sehr viel frei. In diesem Moment konnte man nicht verleugnen, dass Lithil die Schönheit ihrer Vorfahren geerbt hatte.
Ebendeswegen verging mir mein Lachen darauf und am liebsten hätte ich verlegen weggesehen, doch ich schaffte es nicht. Zwar stieg mir Wärme in die Wangen, aber so, dass man es nicht bemerkte. Meine Augen hafteten sich auf Lithil. Ich hatte gedacht, dass ich mit meinem Alter nicht mehr leicht aus der Fassung zu bringen wäre, doch ich lag falsch, sehr falsch, sodass ich mich zurückversetzt in die Zeit fühlte, als Lithil meinem jungen Ich den Kopf verdreht hatte. Jetzt musste ich mir eingestehen, dass sich daran auch nichts verändert hatte.
Ergo musterten meine Augen Lithils Körper ganz genau. Der Stoff ließ wenig Freiraum für die Vorstellungskraft übrig und präsentierte ihren anmutigen Elbenkörper. Man konnte erkennen, dass sie eine Kriegerin war, da sie der elbischen Natur gemäß trainiert war, doch das sagte absolut nichts über ihre Reize aus. Sie hatte Rundungen an den dazu vorgesehenen Stellen und mit meinen Blicken folgten ihrer Hüfte bis zu ihrer Taille und Brust nach oben. Lithil bemerkte ebenso in diesem Moment, dass ihr ganzes Kleid an ihrem Oberkörper klebte, und nachdem sie noch ein paar Flüche in den Himmel ausgesendet hatte, die ich nicht wiederholen wollte, bedeckte sie mit ihrem einen Arm ihre Oberweite.
Weiter dachte ich jedoch nicht mehr über ihre Brüste und generell ihren schönen Körper nach, da Lithil ihre Schimpferei beendet hatte und ihr Kopf schnellte zum Durchgang, unter dem wir standen, trocken standen. Ihre grünen Augen blitzten zu den lachenden Gestalten herüber und beinahe konnte dieser Blick den Blitzen im Himmel Konkurrenz machen. Dieser Blick brachte mich auch endlich dazu, mein Starren unter Kontrolle zu bringen, und während die Elbin auf uns zuschritt, war mein Blick direkt in ihrem Gesicht.
»Na, etwas nass, nicht?«, feixte Gimli schon, als Lithil vor uns im Durchgang stand und tropfte. In ihrem Gesicht waren Rinnsale zu sehen, die sich von ihrer nassen Haut abhoben und sie tropfte den noch trockenen Boden im Durchgang voll. Das weiße Gestein wurde um sie herum grau, und dass Lithil innerlich brodelte, musste man nicht erwähnen; es war offensichtlich. Ihr Blick war so zu deuten, dass sie Gimli am liebsten erwürgt hätte, um ihn seines Lachens zu berauben. Auch die zwei kichernden Hobbits bekamen einen tödlichen Blick und wieder tauchte ein Grinsen auf meinen Lippen auf. Es war schon herrlich zu sehen, dass dieses Mal nicht Lithil diejenige war, die lachte, und doch hatte ich irgendwo noch ein gutes Herz. Infolgedessen löste ich die grüne Spange von meinem Elbenmantel und reichte ihn der klitschnassen Lithil.
»Da hat wohl jemand das Gewitter verpasst, nicht?«, spottete ich, mit dem Blick in ihrem Gesicht, und Gimli prustete durch meine Worte abermals los. Ich bemerkte, wie sich Lithils Kiefer anspannte. Ihr vernichtender Blick ließ es mir kurz kalt den Rücken hinabrinnen, doch mein großes Ego hielt diesem Blick stand.
»Ihr hättet mich warnen können!«, fuhr sie uns an und ihr Ton war schneidend.
»Ja, haben wir aber nicht!«, lachte nun Merry und Pippin saß bereits am Boden und sein Lachen war mehr ein Keuchen. Lithil schenkte jeden von uns noch einen giftigen Blick, dann entriss sie mir den angebotenen Mantel und sprach: »Erwarte keinen Dank!«, folglich stürmte sie an uns vorbei. Sie warf sich den Mantel um, ging den Durchgang entlang und schritt nach draußen in den strömenden Regen.
Wir hingegen blieben im Durchgang stehen und als Lithil verschwunden war, wahrscheinlich auf den Weg zum Haus, das wir Gefährten bewohnten und sich im sechsten Ring befand, lachte Gimli abermals los. Ich jedoch hatte mich gezwungen, ihr nicht nachzusehen und war immer noch verlegen.
»Ich weiß nicht, was lustiger gewesen ist, die Verlegenheit des Herrn Elb, oder die Wasserflut auf Lithil, die jetzt wütend ist, ha, ha, ha!«, lachte der Zwerg. Ich rollte mit meinen Augen und stieß Luft durch meine Nase aus, während die Hobbits lauter lachten. Anschließend warteten wir zusammen im Tunnel ab, bis der Regen nachließ, zu einem Nieselregen überging, und traten unseren Weg ins große Haus an.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt