*100. Kapitel - Was kommt nach dem Ziel?

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550 Jahre zuvor:

Ich starrte in den blauen Himmel und meine Atmung kam mir in kurzen Abständen über meine Lippen. Mein Brustkorb hob und senkte sich schnell und ich entdeckte ein paar Vögel, die vor der Sonne vorbeiflogen. Sie ließen sich im Wind gleiten, schienen das warme Wetter zu genießen. Keine Wolken bedeckten den Himmel und alles erschien friedlich, nun, fast.
»Bitte, erinner' mich, dass wir das nie wieder tun«, vernahm ich eine Stimme neben mir, die ich Jeshe zuordnen konnte. Er war ebenso aus der Puste und meine Ohren konnten die Luft hören, die aus seiner Nase beim Ein- und Ausatmen strömte.
»Du hast doch eh gewonnen«, maulte ich zurück, doch meine Stimme klang mehr müde als energiegeladen.
»Ein eindeutiger Sieg war dies jedoch nicht«, meinte der Elb neben mir im Sand sitzend, »Ja, jetzt im Nahkampf habe ich gewonnen, und? Ich habe dich zuvor mit Sionon kämpfen sehen, hab' gewusst, was in etwa auf mich zukommt, und nach ein paar Schwächen in deinem Kampfstil gesucht.«
»Was für Schwächen bitte?«, jetzt klang meine Stimme scharf und mein Kopf schnellte zur Seite. Ich funkelte ihn fragend an, sodass ein kleines Lächeln auf seinen Lippen auftauchte. Er hatte einen Unterarm auf seinem Knie und das andere Bein war ausgestreckt. Heute trug der Elb einen Zopf und mir fiel auf, dass seine schwarzen Haare lang geworden waren, sodass sie in einem Zopf besser beim Kämpfen aufgehoben waren. Wie allen Elben konnte man Jeshe sein Alter nicht zuordnen, und so hatte er ein zeitloses Gesicht. Seine grünen Augen glitzerten vergnügt, doch am meisten störte mich sein widerliches Grinsen.
»Jeder hat Schwächen, wenn man danach sucht«, antwortete er und stand schließlich auf. Er klopfte sich den Sand von der Kleidung ab und die vielen Körner gesellten sich wieder zu ihren Artgenossen am Boden. Auch ich war voller Sand und reichlich müsste sich in meinen Haaren befinden, weshalb ich heute noch in irgendeinen See springen müsste.
Auf Jeshes Worte murmelte ich jedoch nur eine widerwillige Zustimmung, setzte mich schlussendlich auf und kam auf meine Beine. Auch ich klopfte meine Kleidung ab und meine Hose wurde wieder braun. Meine Haare waren immer noch in meinem geflochtenen Zopf, doch viele Strähnen hatten sich in den zwei Kämpfen gelöst, warum ich meine Haare öffnete. Während ich dies tat, gesellte ich mich zu den anderen und blickte in erheiterte Gesichter.
»Was?«, fragte ich streng an meine Truppe gewandt, sodass ein paar blitzschnell ihr schadenfrohes Grinsen verloren und Fëanor auflachte.
»Sie sind bloß froh, Teil dieser fabelhaften Übungskämpfe geworden zu sein«, meinte Fëanor und ein paar meiner Krieger nickten flott, warum ich leise aufseufzte und meine linke Schulter kreiste.
»Wenn ihnen so viel daran liegt, dass sie es sehen haben dürfen, dann werden sie keine Probleme damit haben, wenn ich im Südosten wieder ein Übungsduell ausrufe, neben einem Schleichtraining und einer Übungseinheit im Konzept der Überraschung, nicht?«, ich hob eine Braue und sofort bekam ich die gewünschte Reaktion, als ich ihnen meine Pläne mitteilte. Nacheinander schliefen allen die Gesichter ein und wieder lachte Fëanor, dessen dunkle Seite in der letzten Stunde viel zu viel Unterhaltung bekommen hatte. Seine Tochter Míriel saß neben ihm im Schneidersitz, wobei sie mit ihren Händen ihre nackten Füße festhielt, deren Fußsohlen sich berührten. Ihre großen, blauen Augen beobachten alles mit viel Interesse, obwohl sie mit ihrem zarten Alter nicht viel verstand. Sie grinste nur vor sich hin und hatte sich zwischen ihren Vater und Sionon gesetzt, den sie zu mögen schien. Logisch, da Sionon in Fëanors Einheit diente.
Ich hingegen sah wieder zu meinen Kriegern und Calen meinte: »Damit lässt sich leben, denn diese Kämpfe waren sehenswert.«, und sie bekam Zustimmung von den anderen. Danach sprachen wir noch alle miteinander etwas, bis sich die Gruppe wieder auflöste. Meine Truppe blieb unter sich und man bemerkte den Unterschied im Rang zwischen den Kriegern des Palastes und der Grenzen. Als Kommandantin der Grenzen stand ich jedoch nur mehr einen Rang unter dem eines Palastkriegers. Deshalb blieb ich bei den drei Männern und Míriel sitzen, die indessen mit dem Sand des Übungsplatzes spielte.
Wir hatten uns schlussendlich alle gesetzt und während ich meinen Kriegern nachsah, erhob Jeshe seine Stimme: »Sie müssen dich bestimmt hassen.«
»Sie lieben mich. Ich bin die beste Kommandantin im Südosten.«
»Und die strengste«, meinte Sionon.
»Wie gesagt, die beste«, war meine einfache Antwort darauf und ich fand einen lila Fleck unter meinem Ellenbogen auf meinem Unterarm. Die beiden Kämpfe hatten es in sich gehabt, sodass es nicht einmal die anderen drei dies abstreiten konnten.
»Man muss aber sagen, dass du beeindruckend kämpfst, Lithil, und ich sehe fast jeden Tag Übungskämpfe«, erhob Fëanor im nächsten Moment seine Stimme und ich nahm den Blick von Míriel, die das ungeschliffene Übungsschwert gefunden hatte, aber daran scheiterte, es aufzuheben. Mit kurzen, schwachen Beinen stemmte sie sich in den Sand, verlor das Gleichgewicht und fiel vornüber in den Sand. Ja, sie war süß.
»Wir haben sie alle auch nie kämpfen sehen, also bis auf den letzten Kampf, also zwei von uns.«, Jeshe nickte und er hatte recht. Am westlichen Jägerposten waren wir in unseren gemeinsamen Jahren nie zusammen bei einer Jagd gewesen und auch konnte man meine Fähigkeiten nach fünf Jahren Kampferfahrung nicht mit fast vierhundertundfünfzig vergleichen. Auch Fëanor hatte in meiner Anfangszeit nur mit der sehr jungen Lithil Erfahrungen gemacht. Die ganzen anderen Jahre hatte ich eigene Erfahrungen gesammelt, wobei ich viel von Aldon gelernt hatte, doch auch noch von Legolas. Des Öfteren, als er bei den Grenzen oder Jägern gewesen war, hatten wir zum Spaß trainiert und mit allen anderen Erfahrungen zusammen hatte ich meinen eigenen Stil entwickelt.
»Ich will sie auch in der nächsten Zeit nicht mehr kämpfen sehen, zumindest als meine Gegnerin«, beschwerte sich Sionon und Jeshe fragte: »Fühlst du dich in deinem Ego gekränkt?«
»Ja.«
»Herzzerreißend!«, lachte Fëanor und bekam einen bösen Blick von seinem Unteroffizier. Ich wusste, dass Fëanor ein gutes Verhältnis zu fast allen Kriegern des Palastes hatte und trotz seines hohen Ranges stets die Beziehung zu den anderen pflegte. So saß er auch hier mit uns allen am Boden neben ein paar Bäumen um den Übungsplatz. Der Elb lebte für dieses Leben und auch ich konnte nicht verleugnen, dass ich Frieden im Leben als Kriegerin fand.
»Ja, herzzerreißend, tut mir ja leid«, meinte der blonde Elb, »Ich hab' halt noch nie gegen eine Frau verloren. Nichts gegen dich, Lithil.«
»Schon gut, ich seh's als Kompliment«, lachte ich und Fëanor meinte: »Die Zeiten ändern sich. Zwar waren schon immer ein paar Elbinnen in der Verteidigung tätig, aber ich glaube, dass wir bald welche unter uns im Palast finden werden.«
Nach seinen Worten sah er mich an und ich schüttelte amüsiert mit meinem Kopf. Kurz wurde es still zwischen uns und jeder hing seinen Gedanken nach. Die Geräusche eines fast ganz normalen Tages im Palast waren zu hören, anschließend fragte ich, weil ich neugierig war: »Und was lässt dich dies glauben?«
Die Antwort bekam ich jedoch von Sionon, der gerade Míriel beobachtete: »Weil eine gewisse Elbin sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht hat und in dieser Jagd sehr gute Leistungen erbracht hat. Obendrein kann sie im Kampf gegen einer der besten Krieger mithalten, was alles Dinge sind, über die Hauptleute reden, wenn sie neue Krieger rekrutieren, stimmt's, Fëanor?«, Sionons Augenbrauen zuckten leicht nach oben. Fëanors Gesicht war Antwort genug.
»Alles, was ich gesagt habe, waren zwar spekulative Zukunftsgedanken, doch wenn wir schon über die Besprechungen der Hauptleute sprechen wollen, die einen Sionon nichts anzugehen haben als Unteroffizier, werde ich jedoch sagen, dass diese ganz bestimmte Elbin bei vielen in die Auswahl fallen wird, aber natürlich müssen wir spekulativ bleiben«, sagte er, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen, und dass man über mich sprach, war offensichtlich. Ich ließ ihnen jedoch ihre Ausdrucksweise und doch konnten wir nicht länger miteinander reden.
Jeshes Blick ging hinter meiner Schulter vorbei und er zog seine Brauen zusammen. Ich drehte mich daraufhin um und sah einen Boten aus den Toren des Palastes kommen, der auf uns zukam. Es war ein Bote des Königs und ich musterte ihn verwirrt.
Es handelte sich um einen kleineren Elben mit braunen Haaren und Augen. Seine Haare reichten ihm bis zur Schulter und waren in der elbischen Art geflochten. Er hatte keine stark ausgeprägten Gesichtszüge, und so wirkte er jünger als er vielleicht war. Der Bote trug weiße Kleidung, die einer Robe glich, und seine Hände waren vor seiner Mitte verschränkt.
Sein Erscheinen bewirkte in unserer Gruppe, dass wir uns nacheinander erhoben und nur ich schien mich zu fragen, warum uns ein Bote aufsuchte. Jeshe, Sionon und Fëanor begrüßten den Elb freundlich und ich tat es ihnen nach, dann erhob der Bote seine Stimme: »Ich darf die Kommandantin Lithil der südöstlichen Grenzen bitten, mir zu folgen. König Thranduil ersucht um eine Unterhaltung.«, und ohne auf eine Antwort meinerseits zu warten, machte er kehrt und ging weg. Ich sah ihm kurz erstarrt hinterher, bis mich Fëanor an den Schultern packte. Er schien meine Verwirrtheit zu verstehen, meinte neben meinem rechten Ohr: »Denkst du wirklich, dass du dem Prinzen vom Waldlandreich das Leben retten kannst, ohne mit dem König reden zu müssen?«, er klang amüsiert, »Komm!«, dann stieß er mich vorwärts und ich entdeckte den Nutzen meiner Füße wieder.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt