62. Kapitel - Die Pfade der Toten

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Wir ritten bis zum Spukberg und standen in seinem Schatten. Die Sonne war noch nicht hoch genug am Himmel, dass sie uns ihr Licht schenken könnte, und doch wirkte es, als ob der Berg es so wollte. Er schien seinen Namen verteidigen zu wollen, um uns Dunkelheit zu schenken. Auch sorgte er für ein schauderndes Gefühl in uns, als wir zwischen Reihen von uralten Steinen hindurchritten. Alt, sodass sich die Steine an eine Zeit ohne die Elben erinnern konnten und gehört hatten sie von ihnen noch nicht viel. Wenige wagten es, diesen Weg zu reiten. Die Steine schienen die Vorboten zu sein und ihre Stimmen flüsterten Worte der Warnung. Einige aber sprachen einem gut zu, schienen uns hineinlocken zu wollen und warfen größere Schatten als die anderen Gesteine.
Wir kamen zum Dimholt-Wald und trotz der Bäume fühlte ich mich nicht wohl. Sie wirkten bedrohlich und scheu zugleich. Ihre Äste bewegten sich unnatürlich. Als mein Blick zu Legolas ging, stellte ich fest, dass auch er sich unwohl fühlte. Als Gimli zu bemerken schien, dass sich selbst die Waldelben unter diesen Bäumen unwohl fühlten, wurde sein Gesicht bleicher und seine Augen zuckten hin und her. Er schien von jeder Seite eine Gefahr zu erwarten, und doch wusste ich tief in mir, dass diese Gefahr nicht am Leben war. Hier schien alles tot zu sein und gar die Bäume hatten fahle Erinnerungen, die sie mir nicht erzählen wollten.
Unter den Bäumen fanden wir den Eingang in eine Schlucht am Fuß des Berges und mitten im Weg stand ein hoher Stein. Ganz allein stand er vor uns, erschien wie ein erhobener Zeigefinger.
Gimli sah ihn an, flüsterte: »Das Blut stockt mir.«, doch niemand anderes sprach zu ihm und jeder schwieg still. Die Pferde aber teilten die Gedanken des Zwerges, da sie sich scheuten, am Stein vorbeizugehen. Sie schnaubten, rissen ihre Köpfe nach oben, sodass uns nur die Möglichkeit des Absitzens blieb. Meine Füße berührten den Boden, der von vielen trockenen Tannennadeln bedeckt war, dann griff ich nach Maidens Zügel. Die Augen der Stute sahen ängstlich hin und her, aber nachdem ich ihr gut zugesprochen hatte, ließ sie sich an dem Stein vorbeiführen. Ich folgte den Dúnedain vor mir und hinter mir gingen Legolas und Gimli mit Arod, der ein ängstliches Pferd zu sein schien. Zum Glück gab es aber noch jemanden, der mehr Angst hatte, denn Gimlis zitternde Beine hätten für ein Erdbeben sorgen können. Er schien noch kleiner als normalerweise zu sein und hielt seinen Kopf durchgehend geduckt.
In dieser Konstellation kamen wir in die Tiefe der Schlucht, und dort, in einer steilen Felswand, starrte uns ein dunkles Tor entgegen. Dunkel, weshalb es der Magie der Nacht entsprungen sein müsste, oder dass dies der Nachts Rückzugsort war, wenn der Tag einbrach. Über dem breiten Torbogen waren Zeichen und Figuren eingeritzt, doch undeutlich und nicht zu lesen. Purer Schrecken strömte heraus und wir hielten vor dem dunklen Eingang. Allen schien es nun das erste Mal schwer zumute zu werden, bis auf Legolas, die Elbenbrüder und mir, denn uns Elben konnten die Gespenster der Menschen nicht schrecken. Wir standen als einzige ruhig da und dies war auch gut so, da die Pferde Rohans unruhiger als die der Dúnedain waren.
»Das ist eine böse Pforte«, Halbarad sah nach vorne, schluckte kaum merklich, »Mir scheint, dass mich dahinter mein Tod erwartet, aber es ist mir ein Nebel. Dennoch will ich hindurchgehen, aber kein Pferd will da hinein.«
»Wir müssen hinein, und darum müssen es die Pferde auch«, erwiderte Aragorn, »Denn, wenn wir je durch diese Finsternis hindurchfinden, dann liegen noch viele Meilen vor uns und jede Stunde, die wir verlieren, bringt Sauron dem Triumph näher. Mir nach!«, rief er im gebieterischen Ton aus und sein Wille schien stark. So stark, dass ihm seine Sippe und ihre Pferde folgten. Die Pferde der Waldläufer waren ihren Reitern so treu ergeben, dass sie sogar die Furcht vor diesem Tor zu überwinden bereit waren, solange die Reiter festen Schritts neben ihnen hergingen. Anders war es bei den Pferden Rohans und während Maiden sich gegen mich stemmte, scheute Arod zurück und blieb stehen, zitternd und schwitzend vor Angst.
»Sssch«, machte ich und stellte mich vor Maiden. Die graue Stute stand schnell atmend vor mir und ich strich ihr über die Stirn. Ich legte ihr meine Hände über die Augen und nahm ihr den Anblick des Schreckens einen Moment lang. Auch Legolas tat es mir nach. Er sang dem Pferd Worte vor, die leise durch die Düsternis klangen, bis Arod sich führen ließ.
»Geh' du voran, vielleicht hilft es Arod, wenn er hinter den Pferden der Dúnedain geht«, meinte ich und Legolas trat in die Dunkelheit ein. Anschließend nahm ich meine Hände von Maidens Augen und sie sah weniger ängstlich aus.
»Ich passe auf dich auf«, flüsterte ich ihr zu und dieses Mal ging sie mit mir. Wir ließen Gimli hinter uns, der mit scheppernden Knien vorm dunklen Tor stand und es war surreal. Wo Elben unter die Erde gingen, da scheute sich ein Zwerg. Lange hielt diese Scheu aber nicht an, denn, als ich von Dunkelheit umgeben war, hörte ich hinter mir Gimli hertrotten.
Drinnen waren wir von völliger Dunkelheit umgeben, dass sogar die meinen Augen sich schwertaten, überhaupt etwas zu sehen. Erst als Aragorn eine Fackel entzündete, die er von Dunharg mitgenommen hatte, entflammte an der Spitze des Trupps ein kleines helles Licht. Als ich meinen Weg ging, bemerkte ich, wie einer der Elbenbrüder stehenblieb und sich seitlich hinter mir einreihte. Auch er entzündete eine Fackel und nur mehr hinter ihm war Gimli, den ich im orangen Licht sehen konnte, wie er sich selbst überreden musste, Schritt für Schritt zu gehen. Der Zwerg versuchte, den Elben zu überholen, doch nicht nur seine kurzen Beine machten es ihm schwer, auch sein eigener Wille.
Kurz sah ich den Halbelben hinter mir an und versuchte herauszufinden, wer es von den beiden war. Ich wusste, dass einer von ihnen einen Langbogen trug und der andere dafür einen langen Dolch neben seinem großen Schwert. Mehr aber wusste ich von ihnen nicht und entschied mich in diesem Moment, dass ich in Zukunft mit ihnen reden müsste.
»Elladan«, seufzte der Elb etwas amüsiert und schien meinen Blick deuten zu können. Wahrscheinlich hatte er ihn schon viel zu oft gesehen, was mich nicht wundern würde. Kurz war ich überrascht, dass er zu mir gesprochen hatte, dann lächelte ich leicht und formte mit meinen Lippen ein 'Danke', worauf ein Zwinkern folgte.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt