*11. Kapitel - 1 000 Jahre zuvor

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Nach dem Rat verging die Zeit. Die Tage zogen dahin, dann wurden es Wochen. Der Herbst erreichte Bruchtal, die Blätter fielen und bald würden zwei Monate in Elronds Hause vergangen sein. Der November war vorüber und hatte die letzten Spuren des Herbstes mit sich genommen. Die Bäume wirkten kahl. Das Licht der Sonne war nur mehr ein blasser Lichtstrahl. Ein eisiger Wind wehte vom Osten des Nebelgebirges herab und der Dezember war weit fortgeschritten.
Eine Entscheidung war gefällt worden, denn der Rat hatte bestimmt, dass der Eine vernichtet werden müsste. Frodo Beutling würde nach Osten zum Schicksalsberg reisen und neun Gefährten würden diese Reise, die alles entschied, mit dem Hobbit auf sich nehmen: Gandalf der Graue, Meister der Zauberei, die vier Halblinge, Sam Gamdschie, Frodo Beutling, der Ringträger, und die zwei anderen Hobbits Meriadoc Brandybock und Peregrin Tuk. Legolas und ich vertraten die Elben, ich dazu das Geschlecht der Frauen. Gimli Glóinssohn für die Zwerge, Aragorn, Arathorns Sohn, würde auch mitkommen, denn Isildurs Ring ging auch ihn an, und Boromir für die Menschen, obwohl der seine Weg bei Gondor enden würde. Elrond hatte mit seinen Ratgebern darüber entschieden, uns jedoch die Wahl gelassen, diese Reise anzutreten. Er hatte uns ein paar Tage Bedenkzeit gegeben, doch gebraucht hatten diese die wenigen. Legolas und ich hatten sofort beschlossen, mit den Gefährten zu reisen. In meinem Inneren hatte ich gespürt, dass ich nicht in meine Heimat zurückkehren könnte. Es fühlte sich richtig an, mit dem Ringträger diese Reise zu bestreiten, die im Osten ein Ende finden würde, wenn das Schicksal es gestatten würde.

Der Ring muss vernichtet werden.

Meine Gedanken kreisten in meinem Kopf umher. Gerade befand ich mich in einem der Säle des Anwesens und hatte in den grauen Himmel gesehen. Die Wolken hingen an den Gipfeln des Gebirges – hatten sich an ihnen festgekrallt. Kalter Wind wehte und meine Gedanken kamen zu einem Stillstand. Ruhen konnte ich aber nicht, und so musste ich mir meine Zeit anders vertreiben. Ich beschloss, Legolas zu nerven. Er hatte es sich auf einem der Sofas gemütlich gemacht. Der Elb döste vor sich hin, hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und seine Augen waren nur leicht geöffnet. Seine Gesichtszüge waren weich, hatten jederlei Stärke verloren.
»Ist es nicht seltsam, dass man im Winter gerne nach draußen gehen möchte, aber es viel zu kalt dafür ist?«, fragte ich, ging vom Fenster weg. Meine Füße schritten auf dem Teppich, welcher die gepolsterte Sitzbank umrundete, und meine Schritte wurden gedämpft. Ich ging einmal um den Elben herum, setzte fort: »Meine Ohren vernehmen das Rauschen der Wasserfälle und gerne würde ich in ihnen baden, doch erfrieren möchte ich nicht. Ein Dilemma würde man meinen können.«
Ich blickte zu Legolas, doch dieser schien nicht sprechen zu wollen. Ich zog eine Schnute, denn er ignorierte mich. Meine Versuche, um seine Aufmerksamkeit zu erreichen, hatten rein gar nichts gebracht. Ausruhen konnte er sich aber später!
Ich stolzierte auf ihn zu, wobei meine Robe ein raschelndes Geräusch klingen ließ. Als Legolas meine vom Teppich gedämpften Schritte wahrzunehmen schien, öffnete er seine Augen weiter. Er schüttelte belustigt seinen Kopf, aber schenkte mir keinerlei Beachtung. Ich verschränkte meine Arme vor der Brust. Ein widerliches Grinsen war auf Legolas' Lippen zu sehen. Er ignorierte mich tatsächlich, und hatte meine Versuche, ein Gespräch zu starten, deutlich mitbekommen.
Vor ihm stehend, erhob ich meine Stimme: »Du, Legolas, kannst du überhaupt noch schlafen oder sind deine Muskeln inzwischen schon so weich, dass sie dich nicht mehr tragen können? Ich tippe auf Zweiteres, denn dies würde erklären, wieso du hier einfach nur sitzt und rein gar nichts tust.«

Ist dieser liebliche Elb tatsächlich ein Krieger, oder täusche ich mich?

Ich stemmte die Hände in meine Hüfte, rümpfte die Nase.
»Gut, dann eben nicht, mellon nín. Aber sage ich dir eines, wecken werde ich dich ganz bestimmt nicht, wenn du morgen noch immer hier vor dich hinvegetierst und dein einsames Dasein nur mehr dein einziger Begleiter ist«, sagte ich, denn morgen würden wir abreisen. Legolas rührte sich immer noch nicht. Ja, ich wusste, dass er mir, als er sich aufs Sofas gesetzt hatte, gesagt hatte, dass er nun träumen möchte, aber ich wollte gerne mit ihm reden. Die letzten zwei Monate hatten wir viel Zeit für uns gehabt, die uns im Düsterwald durch unsere Pflichten oft fehlte.
»Sei gewarnt, vielleicht zerfließt du, wenn du weiterhin herumliegst. Kannst du deine Zunge überhaupt noch heben, oder hat sich diese bereits verflüssigt?«
Ich erkannte deutlich, dass er mich durch seine halb geschlossenen Augen ansah. Er schien mir symbolisieren zu wollen, dass er wirklich ruhen wollte, sodass ich seufzte und es aufgab. Als ich mich schon umgedreht hatte, spürte ich aber eine Hand an meiner Hüfte, die mich zu sich zog. Ich atmete schnell ein, landete wenige Sekunden später auf dem weichen Sofa und halb auf Legolas' Schoß.
»Halte doch einfach einmal deinen Mund, Lithil. Genieße den letzten Tag und ruhe dich aus. Wer kann schon ahnen, wann sich uns die nächste Gelegenheit bieten wird«, erklärte Legolas, mit ruhiger Stimme. Sein Arm verweilte immer noch auf meiner Hüfte. Ich sah zu ihm und rückte etwas beiseite, um mich ganz auf das Sofa zu setzten. Da Legolas aber schön warm war, blieb ich nahe an ihm.
»Aber-«
»Nein, kein Aber und jetzt entspanne dich wenigstens einmal. Du kannst doch sonst überall und immer schlafen«, widersprach der blonde Elb und unterbrach meine Worte. Kurz seufzte ich trotzig auf, versuchte, ihn mit meinen Blicken zu erdrosseln, doch ließ mich bald in die weichen, mit Spitze verzierten Kissen fallen. Ich platzierte meinen Kopf auf Legolas' Schulter, schloss meine Augen, verwehrte ihnen den Anblick meiner Umgebung.
Als ich jedoch nicht auf Anhieb in eine angenehme Entspannung glitt, griff ich nach einem Kissen, legte es auf Legolas' Schoß und legte mich ganz aufs Sofa. Ich vernahm leises Lachen, aber dies war mir gleichgültig, denn der Wechsel meiner Position half. Langsam döste ich vor mich hin, dann vernahm ich Legolas' Hand, die mir über den Kopf fuhr.
Ein Lächeln lag auf meinen Lippen, als ich an Legolas' und meine erste Begegnung dachte. Früher war ich noch eine scheue Elbin gewesen, welche sich das Ausmaß der Welt nicht vorstellen hatte können. Nichtsdestotrotz hatte ich schon immer meine Sturheit besessen, die mir oft Steine in den Weg gelegt hatte.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt