Am nächsten Tag erwachte ich, als es viel zu hell im Raum wurde. Blinzelnd kam ich in die reale Welt und befand mich immer noch im Bett von Legolas. Als ich mich jedoch zur Seite drehte, stellte ich fest, dass er nicht da war. Mir fiel ein, dass er mir gestern erzählt hatte, dass er heute eine Unterhaltung mit seinem Vater und den Elbenfürsten hatte, die jedoch erst zur Mittagszeit stattfinden und bis zum Abend andauern würde. Dass Legolas bereits weg war, bedeutete, dass es nach Mittag war.
Ich rollte mich auf meinen Rücken, streckte mich ausgiebig. Meine Hände berührten das Bettgestell und fertig mit Strecken, sah ich hinauf zur Decke, die schön geschwungen war. Anschließend setzte ich mich auf, wobei die flauschige Decke von meinem Körper rutschte. Im dünnen Nachthemd war es nicht zu heiß, und doch befreite ich meine Beine aus der Decke. Ich rutschte hin zur Bettkante, dann überrollte mich ein Gähnen und abermals streckte ich mich. Nach diesem überaus eleganten Gähnen öffnete ich meine Augen wieder und sah mich im leeren Raum um. Aus den großen Fenstern und der Balkontür kam reichlich Licht hindurch und eines der Fenster war geöffnet. Es ließ Mittagsluft in den Raum, obwohl es für die Morgenluft geöffnet worden war. Der Gesang von Vögeln und Rascheln von Blätter drang in meine Ohren und mit einem Blick nach draußen stellte ich fest, dass es windig war. Der Herbst wollte sich langsam ankündigen, doch die Natur trotzte, und so strahlten die Blätter in einem kräftigen Grün, als ich es jemals im Düsterwald gesehen hatte.
Als Nächstes fiel mein Blick neben das Bett, wo ich überraschenderweise eine frische Schale Obst und etwas Lembas fand. Auf einem Stuhl in der Nähe entdeckte ich einen Stapel mit frischem Gewand, das mir bekannt vorkam. Es handelte sich um eine Hose, Tunika und meine Schuhe aus meinem Gemach. Dass Elif heute ihren Rundgang durch die Gemächer der hohen Elben beendet hatte, war nun klar.
Ich war verwundert, dass sie mich bis nach Mittag schlafen hatte lassen, doch folglich zuckte ich mit meinen Schultern. Wahrscheinlich hatte ich meinen langen Schlaf aufgrund der langen Reise verdient.
Stattdessen musste ich an gestern Nacht denken, wie ich ihr im Gang begegnet war, und nach heute konnte Elif sich bestimmt denken, was zwischen Legolas und mir lief. Bald würden es sowieso alle wissen, also machte ich mir keine weiteren Gedanken mehr, wie ich es noch gestern auf dem Weg zum Palast getan hatte.
Im nächsten Augenblick stand ich auf und nach einem Bissen von der Lembas-Waffel und einem Glas Wasser zog ich mich um. Anschließend flocht ich meine Haare hinter meinen Ohren und ließ den Rest offen. Nachdem dies erledigt war, musste ich nur mehr das Gemach des Prinzen verlassen. Bei der Tür angekommen, horchte ich erstmal in den Gang hinein. Denn, auch wenn Legolas und ich unsere Beziehung bekannt geben würden, hieß das noch lange nicht, dass es nicht dummes Gerede geben könnte. Natürlich hieß das nicht gleich, dass wir bis zu einer Hochzeit die Gegenwart des anderen meiden müssten, da wir uns bereits einen bindenden Schwur in Minas Tirith gegeben hatten, für immer zusammenzubleiben. Trotzdem wollte ich nicht vor irgendeiner Bekanntgabe beim Verlassen des Gemachs vom Prinzen gesichtet werden und zu meinem Glück war der Gang leer.
Regelrecht flüchtete ich bis zur Gabelung und zur Sicherheit verschwand ich noch in einem Gang der Bediensteten. Dort sprintete ich eine enge, dunkle Wendeltreppe nach unten und unten angekommen, verschwand ich in einen normalen Gang, von wo aus ich gemütlich in den Innenhof ging.Auf dem Weg dorthin begegnete ich ein paar Elben und Elbinnen, die mich und ich sie grüßte. Nach dem Innenhof erkannte ich auf der inneren Mauer ein bekanntes Gesicht und entschloss, den Elben auf der Mauer bei ihrem Wachdienst Gesellschaft zu leisten. Ich ging die Treppe zur Mauer hinauf und wurde von ein paar Kriegern gegrüßt: »Kommandantin Lithil!«, ging es als Begrüßung über die Mauer und ich grüßte zurück, dann erreichte ich Fëanor, der an der Mauer lehnte und mich bereits kommen hörte. Fast ein Jahr war es her, dass ich das letzte Mal einen Wachdienst absolviert hatte, und doch fühlte es sich in diesem Moment so an, als ob kein einziger Tag vergangen wäre.
»Wie immer pünktlich«, kam es neckend vom Schwarzhaarigen und ich lehnte mich neben ihn an die Mauer. Meine Unterarme stützte ich an der Mauer ab und zusammen beobachteten wir den Bereich zwischen den beiden Mauern.
»Pünktlichkeit ist heute nicht relevant. Niemand hat mir gesagt, dass ich heute meinen Pflichten nachgehen muss, also genieße ich diesen freien Tag«, erwiderte ich, dann kam mir ein Gedanke: »Wie haben sich eigentlich meine beiden Schützlinge angestellt und wer hat meine Krieger geführt, da Calen ein Kind trägt?«, fragte ich, sah nach rechts zu Fëanor.
»Ich hab' sie Sionon gegeben«, erklärte der Elb und ich hob eine Braue, »Er mag zwar kein geborener Kommandant sein, sonst wäre er es schon, aber er hat es gut gemeistert. Liegt vielleicht daran, dass ihm seine Frau trotz Schwangerschaft wie ein Schatten gefolgt ist und weiterhin Befehle geben wollte. Sehr lustig anzusehen war es gewesen.«
»Bestimmt«, erwiderte ich amüsiert, »und meine Schützlinge?«
»Denen geht's gut. Haben sich zwar beschwert, nicht beim Zug gegen Dol Guldur dabei zu sein, doch sie haben es verkraftet. Sie haben heute weiter östlich Dienst an der Mauer, wenn du sie sehen willst?«
»Wenn ich mehr Energie hätte, würde ich dies bestimmt tun und sie fragen, was sie von einem Training halten. Jedoch, so gleich nach dem Aufstehen habe ich keine Lust und heute ist mein freier Tag.«
»Sie sind bestimmt froh darüber«, meinte er und ich nickte. Im Laufe der Zeit hatte ich mir unter den Frischlingen den Ruf angeeignet, dass ich eine strenge Meisterin war, doch ich fand es unterhaltsam. Meine Schützlinge, die Zwillinge, wie ich sie immer nannte, würden bald einem Posten beitreten, und so fiel mir wieder ein, dass der Westen einen neuen Leiter hatte.
»Círdan hat wirklich den westlichen Jägerposten übernommen?«, fragte ich und musste an den Elben denken, der Verantwortung so sehr gehasst hatte.
»Ja, hat er. Nach Aldons Tod hat man nach einem Nachfolger gesucht und so wenig man gedacht hätte, dass Aldon jemals diesen Posten verlässt, hat man gedacht, dass Círdan der Nachfolger sein würde. Er ist mehr oder weniger von den westlichen Jägern dazu aufgefordert worden und lässt ausrichten, dass er den Posten nur leitet, wenn es die Kommandantin Lithil nicht machen will«, sagte Fëanor neben mir stehend und ich sah ihn überrascht an. Einen Jäger- oder Grenzposten zu leiten, war der höchste Titel, den man im Heer des Düsterwaldes bekommen konnte, neben der Leibgarde des Königs.
Und, als wäre diese Reise nicht schon genug Aufregung gewesen, war dies eine weitere Überraschung. Den Posten jedoch zu übernehmen, hieße fernab vom Palast zu leben. Hätte man mich dies vor einem Jahr gefragt, hätte ich zwar so wie jetzt geantwortet, doch in diesem Moment musste ich nicht einmal überlegen.
»Círdan soll ihn leiten, aber ich oder jemand anders soll ihm ausrichten, dass ich mich geehrt fühle. Viel habe ich von meiner Zeit bei Aldon mitgenommen, sei es die Schwertkunst. Mein Herz schmerzt an dem Gedanken seines Todes, doch ich bin nicht als seine Nachfolgerin bestimmt.«
»Mit seinem Tod macht es dich zur besten Schwertkämpferin im Königreich. Unter den Elbinnen warst du dies schon immer, aber jetzt ganz. Ja, auch ich bin Meister, du musst deine Braue nicht heben«, erwiderte Fëanor heiter, »So sehr es überraschend ist, dass du den Posten ablehnst, desto weniger überrascht es mich aber auch.«
»Ich kann nicht die ganze Zeit weg vom Palast sein«, gab ich zu, »Auch wird sich in der nächsten Zeit noch viel ändern, weshalb ich mir nicht sicher bin, wann ich das Waldreich wieder verlasse. Legolas und ich gaben dem König von Gondor und Arnor ein Versprechen, dass wir wiederkommen. Ich kann keine feste Stelle als Leiterin annehmen.«
Nachdem ich geendet hatte, drehte ich mich um und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Mauer, dann sah ich nach links zum Elben, der dasselbe tat. Als ich Legolas erwähnt hatte, hatte er zu grinsen begonnen und seine Arme waren vor seiner Brust verschränkt. Sein Grinsen gefiel mir nicht, infolgedessen wurde mir die Bedeutung dieses bewusst.
»Elif hat es dir erzählt.«
»Was denn erzählt?«, kam es unwissend von ihm, warum ich aufgrund seiner Art laut, entnervt aufstöhnen musste. Natürlich erzählte ihm die Gerüchte-Königin als seine Frau alles.
Aufgrund meiner Reaktion musste Fëanor lachen und am liebsten hätte ich mich oder ihn in diesem Moment von der Mauer geworfen. Zu meinem Glück ging der Elb jedoch nicht auf dieses Gesprächsthema ein, und so verbrachte ich einen normalen Tag auf der Mauer. Nun, fast normal, da ich allen Anwesenden viel von der Ringreise erzählen musste. Dass die Elben die größte Faszination für Gimli Elbenfreund übrig hatten, war offensichtlich gewesen, und in diesem Moment hoffte ich, dass Gimli gut in seiner Heimat angekommen war.
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Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔
FanficKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...