68. Kapitel - Die brennende Stadt

341 28 6
                                    

Als die Nacht kam, wurde es zuerst noch finsterer, als es bereits durch Mordors Anwesenheit gewesen war. Dichte Wolken zogen auf und ließen keinen Blick auf die Sterne zu. Wie ein Schleier hingen sie über unseren Köpfen und eine Drohung schien von ihnen auszugehen. Schleppend bewegten sie sich am Himmel und nur meine Augen vermochten die Muster in den Wolken zu erkennen. Für alle anderen an Bord schienen sie wie eine schwarze Decke über unseren Köpfen, die uns zu erdrücken versuchte. Viele der Männer sahen in den düsteren Himmel, doch nicht nur die Dunkelheit ließ ihre tapferen Herzen schwer werden, denn im Norden herrschte größeres Grauen. Gen Norden blickend erkannte ich einen roten Glutschein unter der Wolkendecke, welcher nichts Gutes voraussagte.
»Minas Tirith brennt.«, Aragorn sah nach vorne, ging ein paar Schritte am Deck nach Norden, so, als ob er seiner Heimat damit schneller zur Hilfe eilen könnte, doch er saß hier fest. Er würde keine Zauberkräfte entwickeln, die es ihm ermöglichen würden, die schwarze Flotte schneller über den Großen Strom fahren zu lassen. In Aragorns Pupillen sah ich die Reflexion der brennenden Stadt und ich wusste, dass auch sein Herz in Flammen stand.
»Hoffnung erwacht oft mitten in der Nacht«, sprach Legolas, der neben Gimli stand und ebenfalls zur brennenden Stadt blickte. Die beiden waren zu uns ans Deck gekommen und Legolas' Worte entsprachen einem Rätsel, dass nur Elben lüften konnten, bevor es sich von selbst offenbaren würde. Auch ich sah dasselbe, wie er, doch wie wir Elben oft waren, sprachen wir das Kommende nicht sofort aus. Das Schicksal hatte sein eigenes Tempo und ihm würden wir uns nicht in den Weg stellen.
»Überall diese Rätsel...«, grummelte Gimli mit verschränkten Armen vor seiner kräftigen Zwergenbrust, »Ihr Spitzohren seid mir oft viel zu sonderbar«, meinte er, aber Legolas ging nicht auf seine Worte ein. Generell ließ er den Zwerg oft Zwerg sein und ich glaubte sogar, dass sie sich genau deswegen verstanden. Beide versuchten, das andere Volk zu akzeptieren, und gingen nur selten auf die gegenseitigen Sticheleien ein. Etwas, was mich von ihnen überrascht hatte, denn ganz am Anfang unserer Reise hätte man glauben können, dass sie sich gegenseitig ihrer Köpfe entledigen würden. Gimlis aufbrausender Charakter war dem meinen zwar ähnlich, doch wiederum so anders, weshalb Legolas mit dem Zwerg seine Schwierigkeiten gehabt hatte. Legolas' Drang, immer im Recht zu sein und alles perfektionieren zu wollen, war auch vorhanden.
In Lórien hatten sie es irgendwie geschafft, miteinander umzugehen und wahrscheinlich hatte meine Verletzung damit zu tun gehabt. Fast zwei Wochen hatte ich in der Stadt der Bäume verschlafen, und so hatten die beiden mehr Zeit miteinander verbracht. Ich hatte währenddessen übrigens sehr gut geschlafen und auch in diesem Moment dachte ich daran, ob und wann wir uns auf dem Schiff ausruhen würden. Natürlich waren dies die falschen Gedanken, doch um ehrlich zu sein, konnte ich selbstsüchtig werden. Einen Charakterzug abzulegen, den ich seit meinen ganzen Lebzeiten innehielt, war für mich unmöglich.
»Ja, Hoffnung«, begann Aragorn und seine hellen Augen sahen weiterhin stur in die Ferne, »Nur hoffen können wir.«
»Hoffen, dass das Schicksal weiß, was es tut«, meinte ich und so verging die nächste Zeit.
Wir verweilten alle am Deck und sprachen wenig miteinander. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach und die Welt um uns herum war dunkel. Wir befanden uns am ersten Schiff und ich konnte die Strömung des großen Flusses in meinen Ohren rauschen hören. Auch konnte ich hören, wie die Schiffe gegen die Strömung ankämpften und die Männer an den Ruderbänken, wie sie seufzten. Aufgeben würden sie nicht und ich war erstaunt, dass ehemalige Sklaven so viel Wille in sich tragen konnten. In gleichmäßigen Bewegungen ruderten sie und schienen einem gemeinsamen Tempo zu folgen, um der Strömung zu trotzen. Mit dünnen und muskulösen Armen ruderten sie immer weiter und schon bald hatten wir Mitternacht erreicht. Einen halben Tag waren wir schon auf den Schiffen und nun schienen auch die ersten Seekundigen zu bemerken, was Elbenaugen bereits kommen sehen hatten. An Deck kamen Männer von Ethir und wollten mit Aragorn sprechen, der sich in diesem Moment mit Angbor dem Angstlosen unterhielt. Sie hatten im Süden einen Wetterwechsel bemerkt, was ich wusste, ohne ihre Sprache zu verstehen. Wie die meisten Menschen Gondors sprachen sie die Gemeine Zunge nicht, doch Aragorns Blick nach hinten in den Süden, war mir Beweis genug, dass Legolas, aber auch ich recht behalten hatten. Angeblich sollte der Wetterwechsel frischen Wind vom Meer bringen und Aragorn befahl, dass alles bereit gemacht werden sollte, wenn der Wind käme. Der Wind würde aber erst im frühen Morgengrauen gegen die Segel blasen und für mich hieß dies, dass ich mich ausruhte, um im folgenden Kampf bei vollen Kräften zu sein.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt