Der König saß weiterhin da. Háma gerufen, doch wieder weggeschickt.
Gandalf schritt behutsam auf den König zu und half ihm hoch. Er führte ihn zu einer der steinernen Bänke und ließ sich selbst auf der unteren Treppe nieder. Der Zauberer sah den König an, der von einem Traum zu erwachen schien. Dass es sich um Trugbilder des Bösen gehandelt hatte, die in seinem Kopf gesessen hatten, wurde immer offensichtlicher.
»Jetzt ist keine Zeit, Euch alles zu berichten, was Ihr wissen solltet. Glaubt mir, Ihr seid in einer größeren Gefahr, als selbst Schlangenzunges List Euch glauben ließ. Aber seht nun, jetzt träumt Ihr nicht mehr! Und Ihr seid am Leben. Gondor und Rohan stehen nicht allein. Der Feind ist unermesslich viel stärker als wir, doch wir haben eine Hoffnung, an die er nicht gedacht hat«, sprach Gandalf.
Der König blickte zu ihm nach unten. Anschließend sprach der Zauberer schnelle, leise Worte, die nur der König verstand. Je länger er sprach, desto heller leuchteten Théodens Augen, bis sich der König in seiner ganzen Größe erhob.
Vom alten Mann war keine Spur mehr. Seine Augen wirkten jünger.Lebendig.
Nachdem Gandalf ebenso aufgestanden war, blickten sie von der Terrasse beide nach Osten. Auch wir anderen sahen gen Osten, dies Land, in welches Gandalf der Weiße deutete. Ein Land, das uns allen Gedankengut von Furcht, aber auch Hoffnung bescherte.
Wo war der Ringträger in diesem Moment? Wann würde der Faden, an dem das Schicksal hing, reißen? Fragen, die das Schicksal bloß allein beantworten konnte.Wenn es selbst nicht an seinem eigenen Faden hängt...
Der König setzte sich wieder. Sein Blick ging über die Schulter zu seinem Haus. »Ach, warum müssen mir in meinem Alter statt der wohlverdienten Ruhe so schlimme Tage zuteilwerden? Warum musste der tapfere Boromir sterben? Warum gehen die Jungen zugrunde, wenn die Alten immer weiterleben?«
»Eure Hand würde sich an ihre alte Stärke besser erinnern, wenn sie ein Schwertheft halten würde«, sagte Gandalf entschlossen.
Théoden stand auf, doch an seinem Gürtel war kein Schwert zu finden. Er schien sich zu fragen, wo sein Schwert abgeblieben war, doch als wäre es der richtige Moment, erklang plötzlich eine starke Stimme: »Nehmt dieses, Gebieter! Es stand Euch stets zu Diensten.«
Zwei Männer waren die Treppe heraufgekommen. Einer von ihnen war Éomer, der vor seinem König kniete. Er trug keinen Helm und auch keine Rüstung, aber in seinen Händen hielt er ein blankes Schwert.
»Woher hast du es?«, fragte Théoden streng und voller Leben. Es entlockte seinen Männern erstaunte Blicke.
»Ich habe es ihm gegeben, Gebieter«, gab Háma leicht zitternd zu, »Ich glaubte verstanden zu haben, dass Éomer freizulassen sei. In meiner Herzensfreude habe ich mich vielleicht geirrt. Doch da er wieder frei war und ein Marschall der Mark ist, gab ich ihm sein Schwert, wie er es verlangte.«
»Um es Euch zu Füßen zu legen, mein König!«, erklärte Éomer voller Stolz.
Die beiden sahen sich einen Moment schweigend an, bis Gandalf den König fragte, ob er das Schwert nicht an sich nehmen wollte.
Théoden nickte bestimmt und streckte die Hand aus. Als seine Finger sich um das Heft schlossen, schien es als kehrten Kraft und Festigkeit in seinen Arm zurück.
Er hob die Waffe und ließ sie durch die Luft sausen, dann stieß er einen lauten Schrei aus. Der König rief in seiner Sprache. Es klang wie ein Befehl.
Plötzlich kamen viele Wachen Rohans die Treppe nach oben. Sie zogen ihre Schwerter, die zusammen klirrten, und legten sie dem König zu Füßen.
»Gebiete uns!«, riefen sie und dann rief Éomer: »Westu Théoden hál!«, er sah seinem König entgegen, »Welch Freude, Euch wieder so zu seh'n, wie wir Euch kennen! Nie wieder soll einer sagen, Gandalf, du seist ein Unglücksbote.«
»Nimm dein Schwert zurück, Schwestersohn Éomer«, sprach der König und wandte sich anschließend an Háma, »Geh' und hole mein eigenes! Gríma hat es in Verwahrung und bring' auch ihn mit!«
Die Wache verschwand.
»Nun, Gandalf, Rat, hast du gesagt, wenn ich ihn anhören wolle. Was ist dein Rat?«
Gandalf nickte bestimmt. »Ihr habt meinen Rat schon angenommen. Schenkt Euer Vertrauen Éomer und nicht einem Mann von unredlichem Sinn! Streift Furcht und Wehleid ab! Tut, was zunächst zu tun ist! Schickt sogleich alle berittenen Mannen nach Westen, wie Éomer geraten hat: Als Erstes müssen wir der Bedrohung durch Saruman ein Ende machen, solange noch Zeit ist. Wenn das misslingt, fallen wir. Siegen wir, gehen wir an die nächste Aufgabe heran. Unterdessen lasst alle, die zurückbleiben, die Frauen, Kinder und alten Leute, sich in Eure Fluchtburgen in den Bergen zurückziehen. Sie sollen Vorräte mitnehmen, aber sofort aufbrechen und bloß lebensnotwendige Dinge mitnehmen.«
»Dein Rat ist gut, was mir mein klarer Kopf nun deutlich macht. All mein Volk soll sich bereitmachen! Ihr aber, meine Gäste.«, sein Blick ging über unsere Gruppe, dann wieder zu Gandalf, »Die Wahrheit hast du vorhin zur Geltung gebracht, Gandalf, die guten Sitten in meiner Halle sind in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen. Ihr seid die ganze Nacht geritten und jetzt wird es bald Mittag. Weder geschlafen habt ihr noch gespeist. Ein Gästehaus soll euch bereitet werden und dort könnt ihr schlafen, wenn ihr gegessen habt.«
»Nein, Herr«, widersprach Aragorn, »Noch gibt es keine Rast für die Müden. Die Männer von Rohan müssen heute schon abreiten und wir reiten mit ihnen. Wir führen mit ihnen Axt, Schwert und Bogen, denn haben wir unsere Waffen nicht mitgebracht, um sie bei Euch an die Mauer zu lehnen, Herr der Mark! Und Éomer habe ich versprochen, dass mein Schwert und seines Seit an Seit in den Kampf ziehen werden.«
Aragorn hatte unser aller Befinden verdeutlicht. Wenn Rohan gegen einen gemeinsamen Feind – Saruman – in den Krieg zog, dann würden wir uns nicht ausruhen.
»Nun ist wahrhaftig Hoffnung auf den Sieg!«, sagte Éomer erfreut und schien darauf hinzufiebern, mit Aragorn zu kämpfen.
»Hoffnung, ja«, meinte Gandalf, »aber Isengard ist stark. Und andere Gefahren kommen immer näher. Säumt nicht, Théoden, wenn wir fort sind! Führt Euer Volk schleunigst in die Festung Dunharg in den Bergen!«
Doch der König schüttelte seinen Kampf. »Nein, Gandalf! Du unterschätzt die eigene Heilkunst. Ich gehe nicht mit den Alten und Kranken. Ich ziehe selbst in den Krieg und will, wenn es sein muss, in vorderster Schlachtreihe fallen. Dann werde ich ruhiger schlafen.«
»Und so wird selbst eine Niederlage Rohans ein Heldenlied wert sein«, Aragorn hatte gesprochen und die umgebenden Wachen und Krieger riefen ihre Zustimmung: »Der Herr der Mark reitet in den Krieg! Auf, Eorlingas!«, sie schlugen auf ihre Schilde, aber Gandalf wandte ein, dass die Zurückbleibenden nicht ohne Waffen sein dürften.
»Wer soll sie anstatt Eurer leiten und regieren?«
»Das will ich noch bedenken, bevor ich aufbreche«, antwortete Théoden und genau in diesem Moment kam Háma wieder. Der Mann führte Schlangenzunge mit sich, der von zwei anderen Männern beaufsichtigt wurde.
Der Dürre war noch weißer als zuvor im Gesicht und schritt mit eingezogenem Kopf seinen Weg. Háma kniete nieder und reichte Théoden ein langes Schwert, das in einer Scheide mit goldenen Schnallen und grünen Edelsteinen steckte.
»Hier ist Herugrim, Herr, Eure alte Klinge. Sie war in seiner Truhe und es widerstrebte ihm sehr, die Schlüssel herzugeben. Noch vieles lag darin, was andere Männer vermissen«, er deutete auf Schlangenzunge, der neben einem schlechten Berater noch ein Dieb war.
»Du lügst!«, widersprach Schlangenzunge zischend, »Dieses Schwert hat dein Herr mir von ganz allein gegeben, um es zu verwahren!«
»Und jetzt verlangt er es zurück«, sagte Théoden streng, »Missfällt dir das?«
»Ganz gewiss nicht, Herr. So gut ich nur kann, sorge ich für Euch und Euren Besitz. Doch passt auf Euch auf und überanstrengt nicht Eure Kräfte! Lasst andere sich mit diesen ungebetenen Gästen befassen! Das Mittagsmahl wird gleich aufgetragen. Wollt Ihr Euch nicht zur Tafel begeben?«
Schlangenzunge versuchte so zu tun, als wäre alles beim Alten. Ich schüttelte nur meinen Kopf und war mir sicher, dass der König das falsche Spiel bereits durchschaut hatte.
»Das will ich und lasst auch für meine Gäste an meiner Seite auftragen! Das Heer reitet heute noch ab. Schickt die Herolde aus! Alle sind aufzurufen, die in der Nähe wohnen. Jeder Mann und jeder waffenfähige Bursche, jeder, der ein Pferd hat, soll zur zweiten Stunde nach Mittag am Tor und im Sattel sein!«
»O gütiger Herr!«, rief Schlangenzunge aufgewühlt, »Es ist ganz, wie ich befürchtet habe. Dieser Zauberer hat Euch mit seiner Magie beeinflusst. Wer soll die Goldene Halle und Eurer Väter, all Eure Schätze, verteidigen?«
»Nun, Hexerei nennst du es, doch mir erscheint es wie Medizin«, begann Théoden, »Denn mit deinen ständigen Einflüsterungen hättest du mich bald dazu gebracht, wie ein Tier auf allen Vieren zu kriechen. Nein, niemand bleibt hier zurück, auch nicht Gríma! Gríma reitet mit uns und nun geh', du hast noch genügend Zeit, von deinem Schwert den Rost abzukratzen.«
Schlangenzunge bekam es mit der Angst zu tun.
DU LIEST GERADE
Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔
FanfictionKennt ihr das Gefühl, als ob die Welt plötzlich ins Wanken gerät und das Schicksal mit uns sein tägliches Spiel treibt? Die fein austarierte Balance, die bislang unser Leben im Gleichgewicht hielt, ist erschüttert. Auf einem schmalen Grat balancier...