38. Kapitel - Fangorns weißes Licht

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Langsam schritten wir Gimli hinterher, bis Aragorn die Führung übernahm, doch er fand nicht viele Spuren, denn der Boden war trocken und überall lag Laub. Aus diesem Grund ging der Mensch zum Flussufer, denn er glaubte, dass sich unsere Freunde, oder nur einer von ihnen, nah am Wasser gehalten hätte. Kurz darauf kamen wir zum Ufer und in der Tat waren Spuren zu sehen.
»Frohe Kunde!«, rief Aragorn aus, da es sich um die Spuren von Merry und Pippin handelte. Die Spuren waren jedoch um die zwei Tage alt und verschwanden in den Wald, wo es beinahe unmöglich wäre, sie zu verfolgen. Zu viel neues Laub lag herum und der Boden war viel zu hart.
Gimli äußerte Bedenken, dass wir sowie die Hobbits fast keine Vorräte mehr hatten. Wenn wir die wackeren kleinen Burschen nicht bald finden würden, dann könnten wir uns nur mehr zu ihnen setzen und gemeinsam einen Hungertod sterben. Aragorn wandte jedoch ein, dass wir es trotzdem wagen müssten.
Ebendeswegen wanderten wir weiter in den Wald hinein und kamen zu einer felsigeren Gegend. An einer Wand waren treppenähnliche Stufen. Die Sonnenstrahlen brachen durch die Wolken. Der Wald sah nun weniger grau und finster aus.
Wir stiegen die Treppen hinauf.
»Ich bin fast sicher, dass die Hobbits hier hinaufgestiegen sind, doch da sind noch andere Abdrücke, sehr eigenartige, aus denen ich nicht klug werde. Ich bin gespannt, ob von oben etwas sehen können, das uns einen Hinweis auf die Richtung gibt, in der sie weitergegangen sind«, sprach Aragorn, der als letzter die Treppen hinaufgekommen war, dann gesellte er sich zu uns. Nach Osten war der Blick frei, doch auf der Steinplatte gab es keine Hinweise, die uns weiterhelfen konnten.
»Wir haben einen großen Umweg gemacht. Bequemer wären wir hierhergelangt, hätten wir den Großen Strom am zweiten oder dritten Tag verlassen und uns nach Westen aufgemacht«, meinte Legolas und blickte über die Baumgipfel.
»Wir haben aber nicht ahnen können, dass uns unser Weg hierherführt«, wandte ich ein, spähte ebenfalls in die Weite.
»Ja, zum Fangornwald wollten wir gar nicht«, Gimli klang grimmig.
»Und doch sind wir jetzt hier, sind ihm glatt ins Netz gegangen«, bemerkte Legolas an.
Meine Augen erblickten etwas, was ihnen nicht gefiel.

Was...?

»Seht!«, sprach ich alarmierend und entdeckte den alten Mann von gestern, wie er in grauen Lumpen seinen Weg ging.
»Wo? Ich habe keine Elbenaugen«, beklagte Gimli.
»Psst! Sprich leiser!«, warnte Legolas und zeigte hin, da er den Mann auch entdeckt hatte.
»Ja, jetzt seh' ich«, flüsterte Gimli scheu und war Legolas' Finger gefolgt. Unten ging der Alte, und zwar genau den gleichen Weg, den wir genommen hatten.
Ich rief Aragorn zu uns, dann standen wir allesamt versammelt. Wir musterten die geneigte Gestalt. Sie kam immer näher.
Der Mann stützte sich mit einem Stock und sah einem Bettler zum Verwechseln ähnlich. Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Magengrube breit. Gimli schien dieses zu teilen.
»Deinen Bogen, Legolas! Spann' ihn! Mach' dich bereit! Das ist Saruman. Lass ihn nicht erst zu Wort kommen oder einen Bann auf uns legen! Schieße zuerst!«, der Zwerg klang hysterisch.
Legolas nahm langsam seinen Bogen vom Rücken. Nicht so schnell wie immer, auch legte er keinen Pfeil auf die Sehne.
»Worauf wartest du? Was ist los mit dir?«, fragte der Zwerg mit zischendem Flüsterton.
»Legolas hat recht«, sagte Aragorn ruhig, »Wir können nicht einfach aus dem Hinterhalt einen alten Mann erschießen, was immer wir für einen Verdacht haben. Wartet ab und passt auf!«
Als wäre dies ein Signal gewesen, beschleunigte der alte Mann seine Schritte. Im nächsten Moment war er am Fuß der Felswand angekommen. Reglos stand er da, blickte zu uns nach oben. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, da seine Kapuze und Hut es verdeckten. Nur seine Nasenspitze schaute hinaus.

Ist dies wirklich Saruman?
Hat Gimli recht?

Als die Spannung schon fast unerträglich geworden war, erhob der Mann seine Stimme: »Einen Gruß, Freunde! Ich möchte mit euch reden. Wollt ihr herunterkommen, oder soll ich hinaufsteigen?«, seine Stimme klang sanft, doch ohne eine Antwort von uns zu erwarten, stieg er die Treppe hinauf.
Sofort ging meine Hand zu meinem Messer. Die Hand fest um den Griff eines Wurfmessers geschlossen, stand ich da. Auch wenn Legolas seinen Bogen hielt, vertraute ich keinem Mann, der Sarumans Macht entsprungen sein könnte. Er könnte den blondhaarigen Elben verzaubern.
»Schieß, Legolas!«, drängte Gimli weiter, seine Knöchel traten weiß hervor; fest hielt er seine Axt in der rechten Hand und seine dunklen Augen blitzten.
»Sagte ich nicht, ich will mit euch reden? Leg' den Bogen weg, Herr Elb!«, sprach der Mann.
Bogen und Pfeil fielen Legolas plötzlich aus den Händen. Seine Arme hingen schlaff neben seinem Körper und ich riss meine Augen auf.
»Und du, Meister Zwerg, nimm bitte die Hand vom Axtgriff, bis ich oben bin! Solche Argumente wirst du nicht brauchen. Dasselbe gilt übrigens für die Elbin.«
Gimli zuckte zusammen. Ich fühlte mich so, als ob meine Finger sich am Griff meines Messers verbrannten. Verbrannt, ohne, dass ich eine Hitze gespürt hatte. Meine Hand ließ den Griff los, ein Zischen verließ meinen Mund.
Mein Körper sträubte sich gegen meinen Kopf. Ich fühlte mich aber nicht verändert. Kein Zauber schien auf mir zu liegen, trotzdem strahlte der Mann eine Macht aus, die Magie widerspiegelte.
Schneller, als man von ihm vermutet hätte, stand der Mann vor uns und musterte uns. Abermals grüßte er, danach fragte er, was unsere sonderbare Gruppe im Fangorn zu suchen hätte. Sonderbar und dass sich dahinter eine Geschichte verbergen müsste. Im Anschluss darauf führte er mit Aragorn ein oberflächliches Gespräch über den Fangorn, bis es dem Menschen zu bunt wurde.
»Dürften wir nun deinen Namen erfahren und hören, was du uns zu sagen hast?«, fragte Aragorn. Sein Gesicht war von strenger Miene.
»Was ich euch sagen wollte, hab' ich schon gesagt: Was sucht ihr hier, und was für eine Geschichte habt ihr über euch zu erzählen? Und was meinen Namen angeht?«, der Fremde machte eine lange Pause. Die folgende Stille war undurchdringbar. Erdrückend, doch nicht mit Schrecken gefüllt.
»Mein Name?«, wiederholte der alte Mann, »Habt ihr ihn denn noch nicht erraten? Ich glaube, ihr habt ihn schon oft gehört. Ja, ihr habt ihn schon gehört. Aber nun, was ist mit eurer Geschichte?«
Natürlich schwiegen wir, folglich setzte er fort: »Manchem könnten hier Zweifel kommen, ob euer Geschäft wohl verträgt, dass man darüber spricht. Zum Glück aber weiß ich schon einiges: Ich glaube, ihr folgt den Fußspuren zweier junger Hobbits. Ja, Hobbits! Glotzt nicht so, als würdet ihr das Wort nicht kennen! Ihr kennt es, und ich kenn' es auch. Jedenfalls, sie sind vorgestern hier heraufgestiegen und jemandem begegnet, den sie nicht erwartet hatten. Beruhigt euch das? Und nun wüsstet ihr gern, wohin sie gebracht wurden? Schön, schön, vielleicht kann ich euch Auskunft geben. Doch warum reden wir im Stehen? Wie ihr seht, ist euer Geschäft nicht länger so dringend, wie ihr glaubtet. Machen wir es uns bequem und setzen wir uns!«
Der Alte drehte sich um, kehrte uns seinen Rücken zu. Sofort spürte ich, wie der Bann von meinen Schultern fiel und mein Körper wieder mir gehörte. Sogleich zog ich mein Schwert.
Auch die anderen griffen nach ihren Waffen. Aragorns und mein Schwert klirrten zusammen. Uns allen schien nicht zu gefallen, dass der alte Mann die Kontrolle über uns gehabt hatte.

Lithil - gwend en lóre | Legolas Ff ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt