4. Kapitel

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Mir blieb eigentlich nichts anderes übrig, als mich zu besaufen, nachdem ich erst einmal weggetreten war. Meine Laune war absolut auf ihrem Tiefpunkt. Auch die kleine Nachbesprechung mit meinem Vater, hatte mir nicht mehr, als vielleicht einen gequetschten Kehlkopf gebracht. Natürlich hatte er noch Redebedarf, nachdem ich ihm vor versammelter Mannschaft widersprochen hatte...

Das mein Vater seinen besten Beta und engsten Vertrauten von seiner Aufgabe im tiefsten Herzen des Grenzgebietes abzog, frustete mir nur zusätzlich. Ich konnte Baraek, Berrics ältesten Bruder, auf den Tod nicht ausstehen. Aus seiner Linie waren viele gute Krieger hervorgegangen, selten aber welche, die ein derart brutales Vorgehen wie er pflegten. Die beiden Brüder hatten außer vereinzelten optischen Parallelen kaum etwas gemeinsam. Während Berric mich viel in Kampfstrategie und weiteren nützlichen Skills unterrichtete, hatte es sein Bruder genossen, meine Schmerztoleranz auf die Probe zu stellen. Ganz im Sinne meines Vaters. Und auch wenn mein Vater dies als sehr Charakter fördernd deklarierte, hatte ich die Prozedur keinem der beiden verziehen. Sollte ich in die Fußstapfen meines Vaters treten, war Baraek definitiv der erste, der es erfahren sollte.

Ich versank nur noch tiefer in meinem Glas. Die Nacht hatte schon schlecht begonnen und sich einfach nur grandios fortgesetzt. Auf die ein zwei drei verbliebenen Stunden Schlaf bis zum Morgen konnte ich nun auch verzichten.

,,Das sieht dir ähnlich!", hervorragend, meine Schwester konnte ich absolut nicht gebrauchen. ,,Verschwinde!", knurrte ich ihr entgegen, mein Arm stützte meinen Kopf. Ich hob meinen Kopf nicht, aber auch so passierte sie mein Blickfeld. Blitzschnell schnappte sie sich die Flasche und entzog sie meinem Besitz. Nicht schnell genug löste ich meinen Arm von meinem Kopf. ,,Alora..." funkelte ich sie warnend an. ,,Du hast gesehen, was mit dem alten Mann passiert ist, und hast nichts gemacht, um es zu verhindern?", funkelte sie mich an. Ich wusste nicht, woher sie den Mut und das Recht nahm so mit mir zu sprechen, doch ich ging nicht darauf ein.
,,Gib mir die Flasche zurück!", forderte ich überraschend ruhig. ,,Du hast genug gehabt!", schien Alora für sich entschieden zu haben: ,,Sag mir, wie konntest du das zulassen?" ,,Der Alte hat keinen Nutzen für das Rudel, er ist nur ein zusätzlicher, unnützer Fresser", gab ich trocken von mir. Alora entgleisten allmählich ihre Gesichtszüge: ,,Das sind nicht deine Worte!" ,,Gib mir die Flasche zurück!", war mein einziges Anliegen, dass ich dieses Mal auch mit mehr Nachdruck formulierte. Doch meine Schwester schien andere Pläne zu haben und entleerte den letzten Rest des Inhaltes in den nächstgelegenen Blumenkübel. Die Wut durchzuckte mich förmlich.

Mit einem Ruck erhob ich mich. Der Tisch geriet ins Wanken, der Stuhl, auf dem ich gesessen hatte, knallte nach hinten. Schnell überbrückt ich die Distanz zwischen mir und Alora, stieß sie hart nach hinten und schloss meine Hand um ihren Hals. Vor Schreck war ihr die Flasche aus der Hand gefallen, entsetzt sah sie mich an. Das Glas der Flasche hatte den Aufprall nicht überstanden, wie ich schnell feststellte. Knurrend richtete ich meinen Blick wieder auf mein Gegenüber. Alora war nicht die Größte und noch dazu eine recht zierliche Persönlichkeit. Meine Schwester reichte mir gerade Mal bis zur Brust. Das Alpha-Gen war definitiv an ihr vorbeigezogen.

Zitternd hatten ihre kleinen Hände, die meine umschlossen, die ihr nach wie vor die Luft abschnürte. ,,Du solltest wissen, wo dein Platz ist!", presste ich durch meine gefletschten Zähne hervor. Ich konnte ihre Angst nicht nur riechen, sondern auch sehen. Lang hatte ich mitangesehen, wie sie sich über ihren Platz im Rudel hinwegsetzte, nun hatte ich genug. Einem Omega hatte ich keine Rechenschafft abzulegen. Uns stand unmittelbar ein Krieg bevor und es war an der Zeit entsprechend zu agieren.

,,Sir, es gibt Probleme an...", Callum brach ab, als er mich erblickte. Wie angewurzelt war er in der Tür stehen geblieben. Ein letztes Mal richtete ich meinen Blick auf meine Schwester, dann löste ich meinen Griff um ihren Hals. Gierig schnappte sie nach Luft, betrachtete mich aber nicht minder beängstigt. ,,Räum hier auf!", forderte ich, ehe ich mich von ihr ab und Callum zu wand. Kurz schielte er zu Alora, ehe er meinen auffordernden Blick auffing und seine Stimme wiederfand. ,,Einige scheinen bereits Wind von dem bekommen zu haben, was passiert ist. Sie fliehen über die Grenze!", Callum schielte erneut an mir vorbei. Ich entnahm seinem Blick, dass sich meine Schwester allmählich wieder berappelt hatte. Wie hätte es auch noch besser kommen sollen?

,,Ich regle das!", brachte ich mit zusammengepresstem Kiefer hervor, ehe ich mich nach Draußen begab. Callum folgte mir mit ein wenig Abstand. Als ich draußen eintraf, spürte ich gleich die Präsenz meines Vaters. Mein Blick fand schnell den seinen. Der Ausdruck, der seinem Blick beilag, ließ für mich keine Zweifel. Ich wusste bereits genau, was von mir gefordert war.

Ich verwandelte mich im Sprung und preschte dem Trupp voran in die Tiefen des Waldes hinein. Wenn es stimmte und sie wirklich über die Grenzen flohen, dann hatten sie ihr sicheres Todesurteil bereits unterschrieben. Unter keinen Umständen war zu dulden, dass Informationen nach Außerhalb gelangten. Das Ironfur-Pack war sicher keines, dass sich dem unseren als ebenbürtiger Rivale beweisen konnte. Zusätzliche Rudelmitgliedern galt es ihnen dann aber doch vorzuenthalten.

Mit Flucht über die Grenze einiger Weniger hatte ich zugegeben wirklich nicht gerechnet. Sie mussten doch wissen, was für sie auf dem Spiel stand und das wir sie damit nicht davonkommen lassen konnten. Einen kleinen Restbestand an Intelligenz hätte ich ihnen dann doch noch zugesprochen.

Alkoholisiert und nach wie vor von den Krallen meines Vaters gezeichnet, war ich schlicht weg ein Sinnbild für ein strapaziertes Gemüt. Der alte Miller, Schlafmangel, ein lästiger Omega und natürlich Baraek zusätzlich und ich war die perfekte Zeitbombe. Da traf es sich nur zu gut, dass ich letzterem auch gleich mal über den Weg lief. Auch er schien wohl bereits herangezogen worden zu sein, sein rauchbraunes Fell erkannte ich gleich.

,,Schau an, schau an!", drang seine Stimme an mein Ohr. Automatisch sträubte sich mein Nackenfell ein wenig. Für einen Beta besaß er doch immer noch eine recht dunkle Stimme. Ich verlangsamte mein Tempo und trottete in seine Richtung: ,,Dich kann ich hier nicht gebrauchen!" ,,Dein Vater besteht darauf!", sicherlich grinste Baraek still und heimlich in sich hinein. Mit diesen Worten jedoch gab er mir dann auch den letzten Rest. Mein Vater würde sehen, zu was ich fähig war.

Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt