Kehlig knurrend beäugte mein Vater den gebrechlichen alten Mann, der vor ihm auf dem Boden herumkroch. Ein paar Mal hatte er ihn in langsamen Schritten umkreist, wie es ein Wolf sonst nur mit seiner Beute tat.
Im Angesicht meines Vaters schien Millers zuvor übermütige Stimmung wohl doch schnell umgeschlagen zu sein. Das Rudel war wohl eben doch nach wie vor hierarchischen Strukturen unterworfen. Der Alte zitterte, rollte sich ein und gab ein klägliches Winseln zu verlauten. Er hatte Angst und das auch zurecht. Dennoch belustigte es mich irgendwie, wie er unterwürfig er sich doch plötzlich gab. Von seiner großen Klappe war wenig zu sehen. Er wagte es nicht meinen Vater wie mich zu behandeln.
Auch in den entferntesten Teilen unseres Reviers, war mein Dad nicht gerade für sein sanftes Gemüt berüchtigt. Er war schon immer ein Krieger mit rauer Natur gewesen und hatte eben auch eine gänzlich andere Herangehensweise an das Führen eines Rudels gehabt als sein Vater vor ihm. Gerade den Alten war dies natürlich nicht entgangen, die Jüngeren hatten keinen wirklichen Vergleich. Früh war mein Vater in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Zu früh, hatte ich meinen Großvater verloren. Sicherlich hätte er mir in vielerlei Hinsichten noch gut mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Wirklich erinnerte ich mich nicht mehr an ihn.
,,Ich hab es nicht so gemeint, das ist alles ein riesiges Missverständnis!", beteuerte der jammernde Alte immer wieder winselnd und sich vor seinem Alpha auf dem Boden windend. Ja, aber sowas von garantiert...
Nach wie vor beobachtete ich ihn aus der Distanz missbilligend. Der alte Mann begann mich mehr und mehr anzuwidern. Hätte ich sich vorher Gedanken über sein Handeln gemacht, hätten wir uns das ganze hier auch sparen können.
Meinem Vater schien es mehr als offensichtlich genauso zu gehen. Seine allmählich aufglimmenden Augen verrieten mir, dass seine Transformation bereits begonnen hatte. ,,Du verschwendest lediglich meine Zeit!", mein Vater hatte scheinbar genug gehört. Auch ihm war diese Problematik seit längerem geläufig und hing ihm nicht milder als mir zum Hals heraus. Leere Worte brachten nichts, sondern ließen uns lediglich auf der Stelle rennen. Es mussten Handlungen folgen, und zwar verdammt konsequente.
Wie konsequent die nachfolgende Handlung meines Vaters allerdings wirklich war, hatte ich absolut nicht kommen sehen. Im schwachen Licht sah ich seine prächtigen Reißzähne aufblitzen. Ich hörte die Schreie des Alten, wenig später war es still.
Fassungslos sah ich von meinem Vater zu dem nun lediglich noch leicht zuckenden Alten vor mir auf dem Boden, ehe seine Glieder gänzlich erschlafften. Mein Körper war verspannt und in höchster Alarmbereitschaft. Das mir dargebotenen Szenario hatte mich zutiefst verstört. Um nichts in der Welt hatte ich das hier kommen sehen..., nicht so plötzlich und noch dazu war es verdammt schnell vorbei gewesen.
Berric und die anderen Anwesenden waren nicht milder geschockt. Es war vielleicht eine Sache Wild zu reißen oder einen Angreifer im Kampf tödlich zu verletzen, aber ein altes und nicht nennenswert wehrfähiges Rudelmitglied zu töten, widersprach jeglichem Codex. Ein Rudel pflegte soziale Strukturen und stand den einzelnen Mitgliedern bis zum Ende bei vor allem auch den schützenswerten. Nie hatte ich erlebt, dass auf diese Art und Weise das Leben eines solchen vorzeitig beendet wurde. Wäre er sterbenskrank gewesen und hätte darum gebettelt, hätte man vielleicht noch ein Auge zudrücken können. Das hier war jedoch lediglich wieder ein Spielchen seiner Macht...
Als wäre nichts gewesen, fuhr sich der Alpha mit dem Handrücken über den Mund, um das Blut von seinen Lippen zu wischen. Seelenruhig ließ er sich auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch nieder. Die Fassungslosigkeit, mit der ich noch immer den toten Alten betrachtet hatte, wich nur allmählich. Mein Kiefer zuckte, mir entwich ein ersticktes Knurren. Der scharfe Blick des Alphas traf mich, Berric stieß mir leicht gegen die Brust.
Das Knurren meiner Kehle verstummte augenblicklich. Mich nach wie vor fest in seinem Blick habend, lehnte sich der Adrik zurück: ,,Ich sehe nur eine Chance die Gefahr des Überlaufens zum Ironfur-Pack zu unterbinden!" Was um alles in der Welt hatte er sich nun wieder ausgedacht? Nicht nur meiner vollen Aufmerksamkeit war er sich gewiss.
,,Es wird nicht länger ein Ironfur Rudel geben!", das Rot seiner Augen blitzte für den Bruchteil einer Sekunde auf. Seine Tonlage war schlicht weg von Gleichgültigkeit geziert. ,,Ich will Martyn und all seine Nachfahren tot sehen!", sprach der Alpha weiter. ,,Das... das bedeutet Krieg!", stellte Berric fest, der ihm gebotene Anblick hatte ihm schon genug zugesetzt. Einen anhaltenden Krieg zwischen den Rudeln konnte er beim besten Willen nicht gebrauchen. Ganz davon abzusehen, was sich dem noch alles nachwirken würde. ,,Natürlich bedeutet es das!", auf die Lippen des Alphas schlich sich ein Grinsen: ,,Und lasst das hier eine Warnung für alle gewillten Überläufer sein!"
,,Meinst du nicht das hier ist schon Warnung genug?", entwich es mir schließlich. Das konnte doch wirklich nicht sein Ernst sein. Meinte er wirklich, dass er Mitglieder seines eigenen Rudels abschlachtete, wäre noch nicht abschreckend genug? Jeder der davon Wind bekam und das sollte ja scheinbar jeder, würde sich seine Gedanken machen. Wenn hiernach wirklich noch jemand auch nur im Entferntesten daran dachte eventuell überzulaufen, konnte er auch gleich sein eigenes Todesurteil unterschreiben.
Schnell haftet der stechende Blick meines Vaters auf mir: ,,Zweifelst du an mir?" Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, unweigerlich bekam ich eine leichte Gänsehaut. Berric zog neben mir scharf die Luft ein, er musste mich für völlig leichtsinnig oder schlicht weg bescheuert halten.
Für einen Moment rang ich mit mir, ehe ich mich zu einer Antwort durchrang: ,,Nein!" Ich sah sein zufriedenes Nicken, ehe ich meinen Blick senkte. Er war der Alpha und ich noch lange ein Nichts gegen ihn. Ich spielte nicht mit dem Gedanken ihn weiter herauszufordern, gewinnen konnte ich dabei nämlich nicht. Auch wenn ich vielleicht der Einzige war, der ihm in seiner Position überhaupt noch etwas entgegenzusetzen hatte. Auch von Berric würden mit Sicherheit keine Wiederworte kommen. Alles, was in den niederen Rängen diskutiert würde, würde er brutal niederschlagen.
Adrik bekam schlussendlich immer, was er wollte.

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Territory [manxboy]
Loup-garouAce kannte seinen Vater nicht anders... der Alpha war herrisch und rachsüchtig. Nicht selten ließ er seinen Unmut auch an ihm aus. Als es dann auch noch zu Konflikten im Rudel kommt, beginnt die Lage allmählich zu eskalieren. Was Adrik im Zuge desse...