Der alte hölzerne Boden knackte bedrohlich, als der schwarze Riese sich mir näherte. Sein Nackenfell war aufgerichtet, seine riesigen Zähne blitzte mir im Halbdunkeln entgegen. Ich wusste nicht, was zwischen ihm und meinem Bruder geschehen war, aber mein Verfolger schien aus dem Kampf weitestgehend unverletzt herausgegangen zu sein.
,,Können wir nicht reden?", versuchte ich es, warum auch immer, zunächst diplomatisch. Ich stand mit dem Rücken zur Wand, Rose dicht neben mich gepresst. Es war seine überwiegend animalische Gestalt, die mein Gegenüber regierte. Anstatt einer Antwort drang blutiger Speichel von seinen Lefzen, er näherte sich mir weiter. Sein Knurren übertönte das Knarren des Holzes fast gänzlich. Mit einem Schritt nach links hatte ich ihn exakt, wo ich ihn haben wollte. Ein letztes bedrohliches Knacken und der Boden unter ihm gab nach. Dem Wolf blieb keine Chance zu verhindern, dass er in die Tiefe stürzte. Ich kannte die Hallen lang genug, um zu wissen, wie ich mich in diesen bewegen musste. Für meinen Verfolger war dies fremdes Teran. Der morsche Boden hielt seinem beachtlichen Gewicht nicht stand und so war es seine Größe und Kraft, die ihm zum Verhängnis wurde.Der Aufschlag des großen Tieres war dumpf, unbeschadet hatte er ihn keinesfalls überstanden. Ich verwandelte mich zurück zu meiner menschlichen Erscheinung und trat mit vorsichtigen Schritten an das beachtliche Loch heran, dass er in den Boden gerissen hatte. Meine Kalkulation war exakt richtig gewesen, wie ich schnell feststellte. Auch der Boden im zweiten Geschoss hatte seiner Masse nicht standgehalten, dank der Schwerkraft hatte er jenen der ersten ebenfalls mitgenommen. Von dieser war er bis hinab in den Keller gestürzt und hatte sich allem Anschein nach noch nicht wieder berappelt. Ein paar gebrochene Rippen hatte er bestimmt, vielleicht auch etwas mehr, mir sollte es recht sein.
,,Ist er tot?", Rose sah mich mit großen Augen an. Es war einer der flüssigsten Sätze, den ich bisher von ihr gehört hatte. ,,Nein, bestimmt nicht, der fängt sich wieder!", meinte ich beschwichtigend. Nach einem weiteren Blick in die Tiefe, war ich mir da allerdings auch schnell nicht mehr so sicher. Auf den Beinen sollte er nun doch wieder sein, ich hatte schließ nicht beabsichtigt ihn zu töten. Doch der Wolf blieb auch weiterhin reglos liegen, der Geruch von Blut stieg mir in die Nase. Rose witterte es ebenfalls, verängstigt sah sie in meine Richtung. Ich hatte ihn doch nicht etwa wirklich getötet?
Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Ich musste dringend hier weg, verdammt dringend!
Mit Rose im Arm, schob ich mich zurück nach Draußen. Im Wald war es still, kein Knurren, kein Jaulen, einfach nichts war zu hören. Nichts außer dem Regen, der auf uns niederprasselte. Der Regen verwischte Spuren und Geruch, kam es mir in den Sinn. Vielleicht war es ja doch gar nicht so schlau, wenn wir ein wenig länger blieben. Der Alpha konnte uns nichts anhaben, wenn er nicht gar schon längst tot war. Finden würde uns hier jedenfalls sonst so schnell niemand.
,,Okay, Planänderung. Wir bleiben erstmal hier und dann schauen wir weiter!", entschied ich. Rose wirkte nicht begeistert, widersprach mir jedoch auch nicht. Ich machte mir das dichte Fell meiner Wolfsgestallt zu nutzen und rollte mich auf dem Boden zusammen. Rose schmiegt sich in mein Fell und tatsächlich schlief sie recht schnell ein. Mir gelang es weniger schnell, aber immerhin für einige Stunden.
Das Knarren von Holz ließ mich aufschrecken. Ahnte ich im nächsten Moment eine schwarze Gestalt würde auf mich zuspringen, wurde mir doch recht schnell klar, dass mir meine Gedanken einen Streich spielten. Oder?
Mein Blick wanderte zu Rose, das Mädchen schlief noch friedlich, war jedoch ein wenig von meinem Fell abgekommen. Vorsichtig erhob ich mich und schlich hinüber zur Treppe. Meine Neugier überwog allmählich die Angst. Leise Schritt ich weiter die Treppen hinab. Unter Trümmern begraben erblickte ich das nun mehr schwarz staubige Fell meines Verfolgers. Leise gingen Herzschlag und Atmung, er lebte also doch. Bedacht darauf keinen falschen Schritt zu machen, näherte ich mich dem Wolf nun frontal. Sogar liegend wirkte er noch verdammt riesig. Auch seine Situation konnte nicht ändern, wie eindrucksvoll er nach wie vor erschien.
Ein Stück Holz schien sich beim Aufprall in seinen Bauch gestoßen zu haben. Blutig ragte das Stück auf der anderen Seite wieder hervor und neben reichlich getrocknetem Blut, floss auch noch frisches. Er hatte unmengen an Blut verloren und würde verbluten, wenn er hier weiter so liegen blieb. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. War ich wirklich bereit über Leben oder Tod eines meiner Gleichen zu entscheiden?
Die Augen des prächtigen Tieres öffneten sich. Sie leuchteten längst nicht mehr bedrohlich rot, sondern waren glasig grau. Ein leises Knurren drang aus seiner Kehle, seine Zähne fletschte er, als er mich ihm gegenübersah. Nach wie vor unschlüssig betrachtete ich ihn. Mit letzter Kraft schien er sich auf dir Beine stemmen zu wollen. Das Geröll über ihm geriet ins Wanken, mehr Blut floss, bevor sein Widerstand erlosch. Er würde mich nicht um Hilfe bitten, lieber würde er sterben. Dennoch wollte ich nicht zu sehen, wie er starb, geschweigedenn dafür verantwortlich sein.
Mit meinen Pfoten begann ich das Geröll über ihm zur Seite zu bewegen. Es fiel mir nicht leicht und bedurfte meiner ganzen Kraft, doch langsam bekam ich die Dinge ins Rollen. Zunehmend mehr Gewicht nahm ich von ihm. Ein letztes Aufbäumen seinerseits und er war frei, zumindest fast. Ruhig ließ er zu, dass ich ihn von dem lästigen Stück Holz befreite, das die klaffende Wunde in sein Fleisch gerissen hatte. Mir wurde zugegeben ein wenig schlecht, als ich das Holz aus der Wunde riss. Der sich langsam erhebende Wolf, begann nur noch kräftiger zu bluten. An Blutverlust und Heilung würde er noch eine ganze Weile zehren. Offensichtlich schien er das unterschätzt zu haben, sein Kreislauf schien jedenfalls andere Pläne als er zu verfolgen. Es brauchte nur einen Schritt in meine Richtung und er sackte allmählich vor mir zusammen. So schwach wie ihn hatte ich bisher noch keinen Alpha gesehen. Aber wie schnell es umschlagen konnte, wollte ich mir nicht ausmalen, geschweigedenn auf die Probe stellen.

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Territory [manxboy]
Hombres LoboAce kannte seinen Vater nicht anders... der Alpha war herrisch und rachsüchtig. Nicht selten ließ er seinen Unmut auch an ihm aus. Als es dann auch noch zu Konflikten im Rudel kommt, beginnt die Lage allmählich zu eskalieren. Was Adrik im Zuge desse...