16. Kapitel

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Adrik war tot, wie ich immer wieder versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen. Sein eigener Stammhalter hatte ihn vor meinen und den Augen aller getötet. Doch eine Reaktion blieb aus. Das, was als unsere sichere Hinrichtung geplant gewesen war, war für ihn offensichtlich verdammt nach hinten losgegangen. Wirklich glauben konnte wohl niemand, was hier gerade passiert war.

Auch der junge Alpha stand still und schien zu verarbeiten, was gerade geschehen war..., was er getan hatte. Es dauerte einen Moment, dann drehte er seinen Kopf in meine Richtung. Mein Puls stieg unweigerlich, als sich unsere Blicke trafen. Mein Vater hatte recht gehabt, er würde mich nicht verletzen. Er hatte getötet um mein Leben zu bewahren. Was aber wollte er nun tun?

Als hätte er meine Gedanken gelesen, wand er seinen Blick ab. ,,Bringt die vier unter und kümmert euch um den Rest!", befahl er, dann wand er sich wieder in unsere Richtung. ,,Euch wird nichts geschehen, solange ihr nach meinen Regeln spielt!", stellte der Alpha weiterhin klar: ,,Ich werde keine Unruhen dulden. Jeder Fluchtversuch endet in Exekution!" Was das anging, war ich mir, nach allem, was ich bisher von ihm gesehen hatte, auch verdammt sicher. Unser Vater nickte in unserem Namen. Vereinzelte Anweisungen ließ er den seinen noch zukommen, dann zog sich Ace aus der Menge zurück.

Es fühlte sich ungewohnt an, dass er als erstes auf Distanz ging. Ich fühlte mich leer und alles in mir schien sich nach ihm zu sehnen. Wollte er mich denn gar nicht kennenlernen? Hatte er nicht gerade erst, um mich zu schützen den eigenen Vater getötet? Wir wussten doch so gut wie nichts übereinander, abgesehen davon, dass ich gerade eben noch vermutlich einen der bedeutsamsten und grausamsten Momente in seinem Leben mitverfolgt hatte. Seinen Vater zu töten, war keineswegs eine alltägliche Sache...

Eine junge Frau bat uns ihr zu folgen und wir taten es. Owein war froh endlich von seinen Fesseln befreit zu sein, konnte alles jedoch ähnlich wenig glauben, wie ich selbst. Wir bekamen Zimmer im Haupthaus zugewiesen. Es war absolut in keinem Verhältnis, zu unserem Zellenaufenthalt noch kurz zuvor. Jeder bekam ein Zimmer für sich und das angrenzende Bad würde ich sicher gleich benutzen. Auch frische Kleidung hatte man mir bereitgelegt. Hätte man uns zuvor nicht hierher verschleppt, würde ich mich vermutlich vielleicht sogar ein wenig wohl fühlen.

Nach einer ausgiebigen Dusche fand ich mich mit frischen Klamotten in meinem mir zugewiesenen Bett ein. Zugegeben war ich ziemlich ausgelaugt, doch das ändere sich schnell, als ich ein Klopfen hörte. Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich auf jemand anderen hoffte, mich der Geruch jedoch schnell ernüchterte.
,,Komm ruhig rein!", ich setzte mich im Bett ein wenig auf. Owein schob zunächst seinen Kopf, dann den Rest des Körpers durch die Tür, ehe er diese wieder hinter sich schloss. ,,Wie geht es dir?", wollte er wissen und trat näher ans Bett heran. Die heilenden Verletzungen durch die Dornen an seinem Hals ließen sich noch gut erkennen. ,,Mir geht's gut, ich bin nur ein wenig erschöpft!", gestand ich und biss mir auf die Lippe. Owein nickte und setzte sich vor mir auf die Bettkante: ,,Geht mir auch so." ,,Waren anstrengende Tage!", stimmte ich ihm zu, Owein nickte. ,,Ich... um ehrlich zu sein, dachte ich nicht, dass wir eine Chance haben, hier lebend wieder rauszukommen...", gestand mein ältester Bruder zu meiner Überraschung. Er war stark und tapfer, aber eben nicht unsterblich und diese Wissen machte ihn menschlich. Das unsere Familie dieses Ereignis weitestgehend unbeschadet überstanden hatte, war wirklich ein Wunder.
Langsam rutschte ich etwas weiter zu ihm an die Bettkante und griff nach seiner Hand. Auch Owein rutschte dichter an mich heran, bis ich meinen Kopf an seine Schulter lehnen konnte.
,,Nachdem was ich gesehen habe, dachte ich er tötet uns direkt!", nuschelte ich nun mehr gegen seine Schulter. Owein legte seinen anderen Arm um die meine. Unwissentlich hatte ich die perfekte Überleitung zum eigentlichen Grund seines Besuches hergestellt.

,,Mir gefällt nicht, dass ausgerechnet er dein Mate ist!", brachte Owein nun ziemlich direkt hervor. Ich hob meinen Kopf ein wenig von seiner Schulter. ,,Also ich weiß nicht... es gibt doch so viele andere Kerle auf der Welt, die nett, freundlich und fürsorglich sind... Du könntest ein schönes Leben haben, vielleicht auch bei uns, deiner Familie bleiben! Und dann er... ausgerechnet er?", mein Bruder seufzte. Ich verstand seinen Gedankengang und musste ihm irgendwo auch recht geben. Das mein Mate männlich war, überraschte weder mich noch ihn oder vermutlich sonst irgendwen. Das mich die Optik und Gestalt eines Mannes mehr reizte als die einer Frau, hatte ich auch ohne weitere Vorerfahrungen oder Experimente bereits in Erfahrung gebracht. Es war bei einem Omega wie mir wahrscheinlich nicht besonders unüblich. Ich kannte da doch einige weitere, denen es ähnlich ging und plötzlich war ihr Mate dann doch vom anderen Geschlecht.
Das mein Mate allerdings ausgerechnet Adriks Sohn und Abbild werden musste, hatte sich meiner Vorstellungskraft bisher erfolgreich entzogen.

,,Du hast gesehen, was er mit unseren Leuten gemacht hat, mit seinen... und was er mit uns vorhatte!", fuhr Owein weiter fort: ,,Er ist kein guter Mensch, wahrscheinlich ist er nur gestaltlich human. Er kennt Angst und Terror, aber ein guter Alpha ist er nicht!" ,,Denkst du wirklich er kann seinen Vater da noch überbieten?", harkte ich ein wenig ironisch ein. Mein Bruder sah mich abschätzend an: ,,Adrik war älter als er seinen Vater stürzte! Ace ist jetzt schon so weit gegangen... ich glaube nicht, dass er sich mit dem, was er nun hat, zufrieden gibt. Er wird mehr wollen und er wird dafür kämpfen und das nach seinen ganz eigenen Regeln!" Die Worte meines Bruders gaben mir viel zu denken, aber ein kleiner Funken Hoffnung, dass es alles ganz anders sein würde, ließ sich nicht ersticken. Ich konnte nicht wissen, was auf mich zukommen würde, ich konnte lediglich Vermutungen tätigen. Zufriedenstellend waren diese allerdings alle nicht.

,,Er wird dir weh tun, Weylyn, vermutlich sehr weh sogar! Er hat keine Empathie und er wird sich holen, was er will!", der Ältere sah mir in die Augen: ,,Und um ehrlich zu sein weiß ich nicht, ob ich überhaupt irgendeine Chance habe es zu verhindern..." Er schluckte ein wenig, still schmiegt ich mich in seine Arme. Er wollte mich nach wie vor beschützen, aber gegen Ace blieb ihm wohl kaum eine Chance.


Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt