Mit einem gewaltigen Satz nach vorn verwandelte ich mich in einen pechschwarzen Wolf. Berric und der Rest der auserkorenen Gefolgschaft taten es mir gleich.
Das Revier war groß und die Strecke so deutlich angenehmer und schneller zurückzulegen. Ich kannte jeden Winkel bis ins kleinste Detail.Oft schon war ich hier Jagen oder auf Patrouille gewesen. Nicht selten waren gerade jene, die entlang der Grenzen des Revieres lebten, die aufmüpfigsten. Sie zweifelten an hierarchischen Strukturen und banden sich selten freiwillig über die geforderten rudeldienlichen Pflichten hinaus mit ein. Alte Autoritäten, wie eben auch der Alte Miller, fanden vor allem hier ihren Einfluss. Es war mehr Zufall als wirkliche Kontrolle, dass derartiges, oftmals auch nur Gerüchte, überhaupt zu uns durchdrang. Das Revier war nun eben groß und auch die Zahl an Rudelmitgliedern, platzte längst aus allen Nähten. Wie prägnant der Alpha entsprechend einem jedem war und sein konnte, selbst wenn er sich bemühte, war absehbar.
Nahezu lautlos trugen mich meine Pfoten durch das Gehölz, dennoch erschien es meinem guten Gehör, als würde der Boden unter mir beben. Ich meine; ein gut genährter und vor allem großer Braunbär brachte bis etwa 600 kg auf die Waage. Mit einer deutlich höheren Schulterhöhe als diese, ich war in etwa 1,90 m groß, musste ich trotz erheblich athletischerem Körperbau doch zumindest annähernd etwas vergleichbares auf die Waage bringen oder nicht?
Die Behausung erreichend, die die Millers wohl auch seit einigen Generationen ihr Eigen nannten, verwandelte ich mich zurück zu meiner menschlichen Erscheinung.
,,Miller, komm raus!", forderte ich scharf, ich wusste das er mich hörte. Wenn ihm eine seiner Fähigkeiten erhalten geblieben war, dann war es garantiert sein gutes Gehör. Der Mann bekam schlicht weg alles mit, was sich in der Umgebung abspielte, und war immer ganz vorn mit dabei Gehörtes zu verbreiten.
Darüber hinaus wusste ich, dass er zu Hause war, schließlich konnte ich ihn riechen. Doch Miller schien andere Pläne zu haben als meinen Aufforderungen Folge zu leisten. Absolut nichts, was meinem aufgebrachten Gemüt in die Karten spielte.
Krachend und ohne weitere Warnungen, riss fiel die Eingangstür aus den Angeln, ehe ich das Haus betrat. Erschrocken fuhren die Versammelten in sich zusammen. Mein Blick fokussierte gleich alle Anwesenden. Der Alte, eine Tochter und eine Schwiegertochter mit Kindern, stellte ich fest.
,,Der Prinz höchstpersönlich. Welch eine Ehre!", schmunzelte Miller und erhob sich aus seinem Sessel. Allein für diese Respektlosigkeit wäre ich ihm am liebsten an die Kehle gesprungen, es durchzuckte mich wirklich. Es war längst offensichtlich, dass dem Alten sein Alter zu schaffen machte. Dass er es wagte sich dennoch mit mir anzulegen, zeugte von herzlich wenig Hang am Erhalt seines Lebens.
,,Mir scheint als wäre ich die letzten Male nicht deutlich genug geworden!", knurrte ich kehlig. Nach wie vor gut sichtbar klafften die Wunde, die die Krallen unseres Alphas hinterlassen hatte, auf meiner Wange. Auch Millers Blick wanderte zu dieser, seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. ,,Wohl nicht im Vergleich zu deinem Vater, was?", sein Grinsen wurde breiter, als sich meine Augen allmählich erneut verfärbten. Ein warnendes Grollen drang aus meiner Kehle, den Beabsichtigten schien es allerdings nicht zu beeindrucken.
,,Ace...", vernahm ich Berrics Stimme hinter mir. Die Hand, die er besänftigend auf meine Schulter legte, wehrte ich ab. Nach wie vor knurrend machte ich einen Schritt nach vorn. Millers verängstigte Enkel flüchteten sich in den Schatten ihrer Mutter. Einzig sein Sohn schien hier also noch seine rudelbezogenen Pflichten zu erfüllen.
,,Schaff die Kinder hier raus!", wies ich knurrend den Beta zu meiner Rechten an. Mit einem scharfen Blick Richtung Callum kam dieser für Berric der Aufforderung nach.
Die Schwiegertochter des Alten ließ ein Knurren verlauten, als sich der Mann ihren Kindern näherte, folgte ihm jedoch ohne weiteres. Sie wusste ziemlich sicher selbst auch bestens, dass egal was jetzt geschah, nicht unbedingt vor den Augen ihrer Kinder geschehen musste.
,,Was hast du vor, mein Junge?", schmunzelte mich nun wieder der Alte an. Seine Respektlosigkeit trieb mich mehr und mehr zur Weißglut. Er wusste genau, wen er hier vor sich hatte. Doch von Furcht oder zumindest einem Funken Respekt, war keine Spur.
,,Folg mir!", forderte ich ihn auf und natürlich tat er es nicht. Wütend knurrend gewann schnell wieder der Wolf in mir die Überhand. Mit einem gezielten Satz in seine Richtung, packte ich ihn mir im Genick und zerrte ihn vorbei an den Übrigen nach draußen.
Immer weiter zog ich den fluchenden Alten hinter mir durch die Nacht, erst als ich die vertraute Stimme meiner Schwester vernahm, kam ich zum Stehen. ,,Ace, was um alles in der Welt tust du da?", entsetzt sah mich Alora an. Mein Blick richtete sich auf die junge Frau vor mir. Für einen Moment ließ ich vom zeternden Alten ab. ,,Halt dich da raus!", knurrte ich ihr entgegen. Miller nutzte den Moment meiner Unachtsamkeit sich mir zu entziehen. Ihn mit meiner kräftigen Pranke zu Boden drückend, brachte ich ihn zum Erliegen. Die von ihm ausgehende Unruhe lockte allerdings auch andere Bewohner der benachbarten Hütten vor die Tür. ,,Du kannst ihn doch nicht einfach so packen!", versuchte Alora weiter auf mich einzureden und trat näher an mich heran. Mit ihren Worten besänftigte sie mich keineswegs.
,,Halt dich aus Dingen raus, von denen du nichts verstehst!", zischte ich ihr zu, während ich mich zurück in menschliche Form verwandelte. Auch der Rest der Gefolgschaft meines Vaters war nun wieder hier eingetroffen. Berric griff den Arm des Alten, ich habe meine Pranke von seiner Brust. Mit einem Ruck zog der Beta den Alten auf die Beine und führte ihn an mir vorbei ins Haus. ,,Wie sprichst du mit mir? Ich bin deine Schwester!", schüttelte Alora empört den Kopf, als ich ihr den Rücken zuwandte. Sie mochte, was das anging, zwar Recht haben, das Recht mir zu widersprechen gab es ihr längst nicht. Mit aufglimmenden Augen warf ich ihr einen letzten Blick über die Schulter zu, ehe ich den anderen ins Haus folgte.
Nein, von dem einstig sozial intakten Rudel, dem Erbe meines Großvaters, war wenig geblieben.

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Territory [manxboy]
LobisomemAce kannte seinen Vater nicht anders... der Alpha war herrisch und rachsüchtig. Nicht selten ließ er seinen Unmut auch an ihm aus. Als es dann auch noch zu Konflikten im Rudel kommt, beginnt die Lage allmählich zu eskalieren. Was Adrik im Zuge desse...