64. Kapitel

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Es war mein Glück, dass Berric meinen Mate ausnahmsweise nicht begleitete und ich ihm auf meinem Rückweg quasi direkt in die Arme lief. „Ach hey!", freute ich mich wirklich ihn zu sehen, schließlich kam er mir gerade recht. „Na wo kommst du denn weg?", schmunzelte der Ältere, dem wohl nicht entgangen war, wie sehr ich mich freute ihn zu sehen. „Ich habe Alora besucht, ich hab sie schon ewig nicht mehr gesehen!", gestand ich. Für mich gab es keinen Grund ihm etwas vorzumachen, schließlich hatte er sich nie gegen Omega oder überhaupt gegen Ace Schwester ausgesprochen. Ich schätzte ihn wirklich sehr als jenen, der Ace die annehmlichen Werte beigebracht hatte.
Der Beta schien nichts dagegen zu haben mich noch ein Stück zu begleiten und so ließ ich mit meinen Fragen auch nicht lange auf mich warten.

„Gibt es eigentlich Kinderfotos von Ace?", entschied ich mich für einen sachten Einstieg. „Ich sollte bestimmt welche haben!", überlegte der Ältere: „Ich kann sie dir gern mal borgen!" „Das wäre wirklich lieb!", lächelte ich: „Aber hat sein Vater denn keine gemacht?" Nun tastete ich mich allmählich weiter an mein eigentliches Anliegen heran, woraufhin der Ältere abrupt stoppte und stehen blieb.
„Ich glaube nicht das Adrik Fotos hat...", brachte er nach kurzem Zögern hervor. Natürlich war es vor allem sein Zögern, das mein Interesse weckte, wie auch er begriff. Berric hatte gemerkt, dass er damit nur noch mehr Neugier in mir geweckt hatte und unterbrach schnell unseren Blickkontakt. „Dann gibt es also doch Bilder!", zog ich meine Schlüsse. „Es gibt sicherlich welche, aber ich weiß nicht, ob du die sehen willst!", meinte der andere, nachdem er eine Weile herumgedruckst hatte. „Natürlich will ich sie sehen, warum sollte ich sie nicht sehen wollen?", sah ich ihn ein wenig irritiert an. Berric war nicht gewillt weiter auf die Thematik einzugehen und blockte sämtliche weitere Versuche ab.
„Berric, wenn es irgendwo Bilder gibt, dann möchte ich sie wirklich gern sehen!", machte hingegen auch ich meinen Standpunkt klar. „Gut, aber ich denke das solltest du lieber mit ihm besprechen!", meinte schließlich der andere.

„Vielleicht hat seine Mutter ja welche?", überlegte ich, bewusst auf seine Reaktion achtend. Berric zog eine ähnliche Mine wie bereits zuvor, also hatte er etwas zu verbergen, dass es nur noch aus ihm raus zu kitzeln galt. „Kennst du seine Mutter oder kannst dich an sie erinnern?", wollte ich wissen: „Ace schein keine Erinnerungen an sie zu haben."
„Nein, ich habe sie nie kennengelernt, er war noch sehr klein, als Adrik ihn mitbrachte!", dann deckte sich dieser Part zumindest schon einmal mit den Schilderungen Aloras ab. „Woher hat er ihn mitgebracht?", harkte ich munter weiter nach. „Ich weiß es nicht!", versuchte mich der Beta auch nun wieder abzuwimmeln. „Aber Adrik muss doch sicherlich mal etwas erzählt haben, es muss doch eine Mutter geben, er ist ja nicht einfach so aus dem Boden gewachsen!", redete ich ein wenig energischer und offenbar brachte es die gewünschte Wirkung.
„Es gibt keine Mutter...", rutschte Berric schließlich heraus, was die Sache natürlich nur noch interessanter machte. Es war offensichtlich, dass er seine Worte auch gleich zu bereuen begann.
„Dann ist Ace tatsächlich das Kind von Adrik und einem Omega!", reimte ich mir zusammen, mein Vater hatte schließlich erwähnt, dass auch Adriks Mate männlich gewesen war. Wenn sein Mate ein männlicher Omega gewesen wäre, dann hätte er zumindest nach seinem Verständnis allen Grund dafür gehabt, ihn andern zu verheimlichen.
„Sein Vater war kein Omega...", konnte Berric das wohl nicht so stehen lassen: „Aber jetzt reicht es, ich habe schon viel zu viel gesagt..." Ich hätte mich nur zu gern noch weiter mit ihm unterhalten, doch nun suchte der Beta aktiv das Weite.
Kein Omega, aber männlich? Nun verstand ich auch nichts mehr, mit dieser Aussage waren wirklich alle mir erdenklichen Optionen ausgeschöpft. Es war wahrscheinlich das sinnigste meinen Vater dahingehend zu befragen, denn ich konnte mir aus den neu gewonnenen Informationen wirklich keinen Reim machen.

„Es gibt tatsächlich Bilder!", offenbarte mir mein Vater gleich nach seiner Rückkehr. Ace wirkte weniger begeistert, als mein Vater mir eines der Bücher überreichte. Es war keinesfalls ein Fotoalbum, eher eine Patientenakte.
Größe, Gewicht und Datum, wurden zu jedem der Bilder feinsäuberlich notiert. „Du warst ein wirklich hübsches Kind!", betrachtete ich eines der Bilder, Ace trat ein wenig dichter an mich heran und lugte über meine Schulter. Er hatte noch immer dieselben markanten Gesichtszüge, sein nun doch deutlich längeres Haar stand ihm bedeutend besser als der Buzz Cut, mit dem ihn die meisten der Bilder zeigten. Die Augen meines Mates wirkten heller auf den ersten Bildern und schienen erst zunehmend zu ihrer jetzigen Färbung gefunden zu haben.
Ace schien den Bildern nicht viel abgewinnen zu können, er blieb nur an meiner Seite, weil ich ihn hin und wieder auf eines der Bilder ansprach. Als ich gewillt war eine weitere Seite aufzuschlagen, bemerkte ich recht schnell, dass die Folgende fehlte. Ich sah über die Schulter zu meinem Mate auf, doch dieser verzog keine Miene. „Weißt du, warum die Seite fehlt?", erkundigte ich mich, auf mein Nachharken hin schüttelte er schließlich den Kopf.

Ich blätterte weiter, doch zum Ende hin fehlten auch noch viele weitere Seiten, die nicht gerade sorgfältig entfernt wurden. Der Blick, mit dem mein Vater Ace bedachte, machte mir recht deutlich, dass dieser nicht so ahnungslos war, wie er sich gab. Da keiner der beide jedoch meinte sich mir gegenüber dazu äußern zu müssen, ließ auch ich es zunächst einmal ungeachtet.
Es war sicherlich sinniger bei meinem Vater nachzuhaken, als es vergeblich bei Ace zu tun. Auf dem aktuellsten der Bilder, dass die Akte durch die fehlenden Seiten noch beinhaltete, hatte Ace bereits eine sehr dunkle Augenfärbung, vielleicht auch geschuldet durch den kühlen Blick, mit dem er in die Kamera sah. Er musste zu diesem Zeitpunkt wohl etwa so alt gewesen sein, wie ich jetzt und war seitdem noch ein ganzes Stück gewachsen. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich selbst nicht noch einmal so in die Höhe schoss, aber umso gespannter darauf, wie sich unser Sohn entwickelte.

Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt