11. Kapitel

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- Ace -

Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie sich der Omega weiter und weiter zurückzog. Er beobachte mich neugierig aus der Distanz, schien meine Nähe jedoch zurecht zu fürchten. Ich fühlte mich furchtbar, mein Kreislauf befand sich auf einem gewaltigen Tief. Nur langsam regeneriert sich mein Körper, die Verletzung hatte einfach zu lang angehalten, als das ihm viel Kapazität zur Heilung blieb. Mein Brustkorb hob sich allmählich wieder kräftiger, meine Atmung ging nach wie vor schwerfällig. Unter dem neugierigen Blicken des Omegas startete ich einen weiteren Anlauf wieder auf die Beine zu kommen, doch vergeblich.

Der kleinere Wolf bewegte sich keinen Zentimeter und verharrte in der Entfernung. Allmählich kam ich wieder ein wenig zu Kräften. Nun auch gelang es mir wieder auf die Beine zu kommen. Ich war dehydriert und auch körperlich längst nicht wieder in bester Verfassung. So konnte ich meinem Vater definitiv nicht unter die Augen treten.

Mein Blick schweifte erneut zum Omega herüber. Ich spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte, als sich unsere Blicke trafen. Er wusste, dass ich mit ihm fertig würde, mich gegen ranghöhere als ihn jedoch wohl kaum erfolgreich verteidigen können würde.

In einem Moment hatte ich ihm nach dem Leben getrachtet, im nächsten hatte er mir das meine gerettet. Etwas Erniedrigenderes als dies hatte ich äußerst selten erlebt.
Meine Verwirrung war perfekt. Der Drang, der mich ihn unbedingt hatte töten wollen, war verschwunden, dennoch kannte ich meine Pflicht. Mir das Leben zu retten war naiv von ihm und definitiv ein gewaltiger Fehler. Ein Fehler, den ihn noch bitter bereuen lassen würde...

,,Tötest du mich jetzt?", riss mich eine Stimme aus meinen mordlüsternen Gedanken. Wieder schnellte mein Kopf in die Richtung des Omega. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Was erlaubte er sich? Drohend zeigte ich ihm meine Zähne, wagte er es ernsthaft mich herauszufordern?
Ich machte einen Schritt in seine Richtung, selten war ich derart unsicher auf den Beinen gewesen. Den Omega nichts davon wissen zu lassen, ging gewaltig nach hinten los. Ein stechender Schmerz zog sich durch meine Brust, als ich einen weiteren Schritt in seine Richtung wagte. Ich unterdrückte einen schmerzlichen Laut, fletschte jedoch unweigerlich die Zähne.

,,Du solltest dich noch ausruhen!", meinte mein Gegenüber und brachte mich damit nur noch mehr in Rage. ,,Wer denkst du zu sein?", knurrte ich, sein Nackenfell stellte sich auf. ,,Tut mir leid, ich wollte nicht...", druckste er vor sich hin, bis die Wand nicht zu ließ, dass er weiter vor mir zurück wich. Meine Augen bohrten sich in seine, während er sich vor mir zu Boden duckte. Für einen Moment genoss ich das Gefühl zumindest etwas Macht zurück erlangt zu haben, dann ließ ich von ihm ab. Ich wusste nicht exakt warum, aber der Wille ihn zu töten bestand einfach nicht.

Die Gestalt eines kleinen Mädchens zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Geruch war nach wie vor kaum merklich, ihre Angst hingegen roch ich deutlich. ,,Schon okay, er wird dir nichts tun!", hatte der Omega offensichtlich entschieden. Ich bedachte ihn mit einem strafenden Blick, der ihn sofort wieder einen halben Kopf schrumpfen ließ.

Das Mädchen verwirrte mich, dass musste ich mir eingestehen. Meine Nase war vielleicht nicht die unseres besten Fährtenlesers, aber doch gut genug, um Gerüche auf große Distanz wahrzunehmen. Das Mädchen vor mir roch ich jedoch kaum. Es war nicht selten, dass Junge anders rochen als ältere. Sicherlich war das eine Art Schutz, aber das hier?

,,Verschwindet von hier, beide. Bevor ich es mir noch anders überlege!", knurrte ich und wand mich weiter von den beiden armseligen Gestalten ab. Zögerlich, aber immerhin tatsächlich, trat der Omega den Rückzug an.

Kaum hatte er die alte Halle durch das offene Tor verlassen, vernahm ich ein dumpfes Geräusch. Augenblick fuhr ich herum. Baraek erkannte ich sofort. ,,Hast wohl gedacht, du kommst einfach so davon, was?", vernahm ich seine kehlige Stimme: ,,Falsch gedacht, kleiner Schwuchtel, dich kriegen wir erst recht." Mit seiner kräftigen Pfote hielt er den deutlich kleineren Wolf unter sich, auf dem Boden fixiert. Sein Blick fiel zu mir, als auch ich nun aus der Halle trat. Mit ihm hatte ich hier nicht gerechnet.

Der Omega schien es jedenfalls als Verrat meinerseits zu sehen. Zugegeben, ich konnte ihn verstehen. Berric, hatte das Mädchen, welches zunächst wohl entkommen war, offensichtlich wieder in seine Gewalt gebracht. Sie schrieb und motzt, aber das würde ihr nicht helfen. Einzig konnte sie froh sein, dass sie tatsächlich Berric und nicht gar seinem Bruder zum Opfer gefallen war.

,,Was ist passiert?", wollte Berric wissen, als er mich erblickte. Das mehr oder weniger getrocknete Blut in meinem Fell, ließ Spekulationen offen. ,,Ein kleines Missgeschick...", brachte ich hervor. Auch Baraek betrachtete mich, schien sich über meinen Zustand allerdings eher zu amüsieren. ,,Sag mir nicht, dass dieses Würmchen dafür verantwortlich ist!", er lachte auf. Niemand außer ihm konnte sich wohl derartige Respektlosigkeit erlauben. Ich hätte ihm sein halb zerrupftes Ohr am liebsten ganz abgeschlagen. Das er mit seiner Vermutung offenbar ins Schwarze getroffen hatte, entnahm er meiner Haltung schnell. Amüsiert begann er nun endgültig zu lachen.

,,Wir sollten zurückkehren. Wir haben genug Zeit verloren, Adrik wird ungeduldig!", unterbrach Berric das Lachen seines Bruders. Schroff nickte ich, dann setzten wir uns wieder in Bewegung. Unsere Gefangenen bugsierten wir wenig achtsam durch das Gehölz.

Gut zurecht war ich selbst noch allemal nicht wieder, aber den Weg zurück überstand ich gerade so mit Mühe und Not. Mich tragen zu lassen war schließlich auch keine Option.

Der Wunde ermöglichte ich es so allerdings nicht, sich final zu schließen. Auch im Allgemeinen ging ich davon aus, dass sicherlich nicht alles gänzlich entfernt worden war. Der Omega hatte beim Entfernen seine Distanz zu mir gewahrt und ich konnte diese Stelle meines Körpers ohne weiteres nicht einsehen. Es blieb mir nichts anders übrig, als später einen der Heiler über meine Verletzung zu Rate zu ziehen. Wofür sonst waren sie schließlich da?

Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt