14. Kapitel

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Ich war nicht der Einzige, der zusammenfuhr und hochschreckte, als ich das dumpfe Geräusch der zuschlagenden Tür vernahm. Unzählige Stunden waren verstrichen, ohne dass ein Laut erklang.

Randon neben mir fiel gleich zurück in Alarmbereitschaft. Er erhob sich rasch und schob sich in Richtung Gitter vor. Auch Owein hatte seinen Kopf gehoben, ansonsten blieb eine Reaktion aus. Es war erschreckend, wie sehr diese Prozedur an seinen sonst so beachtlichen Kräften zerrte. Er war es, neben dem ich mich immer sicher gefühlt hatte. Nun war Randon jener, der an seine Stelle trat.

Schritte halten von den Wänden wieder. Die Temperatur schien noch einige Grad zu sinken, als die Wachen unsere Zellen erreicht hatten. Sie öffneten zuerst Oweins Tür und zerrten ihn aus der Zelle. Der Alpha hatte ihnen wenig entgegenzusetzten, ihm blieb nichts anderes übrig, als Folge zu leisten. Randon neben mir passte dies gar nicht in den Kram. Knurrend trat er vor, als sich schließlich auch unsere Zelle öffnete. Die Wachen schienen wenig beeindruckt und noch weniger überrascht von seinem Verhalten. Sie verpassten ihm gezielte Stromschlag und packten sich auch ihn ohne Weiteres. Randons Aufbäumen, als sie sich nun mir näherten, bekamen die Männer herzlich schnell erstickt.
Ich hatte ihnen nichts entgegenzusetzen, dass wussten sowohl sie als auch ich. Entsprechend war es für mich das Beste mich ihnen ohne Gegenwehr zu fügen. Dennoch legte man mir Ketten an.

Es war Abend, wie ich feststellte, als man uns nach draußen brachte. Endlich wieder frische Luft, aber auf Sonnenlicht hoffte ich vergeblich. Licht warfen lediglich drei große Feuer, die man entzündet hatte. Es war wärmer als drinnen, aber es behagte mir nicht.

Erschrocken nahm ich zur Kenntnis, dass man uns mittig der Feuer zu Boden stieß. Ich fing mich mit den Knien ab, die anderen beiden lagen flach, nachdem man ihnen die Beine weggezogen hatte. Im Licht des Feuers sammelten sich die Rudelmitglieder des Feines. Ich musste schlucken und war mir ziemlich sicher zu wissen, was dies für bedeuten würde.

Es wurden immer mehr, wie ich erschrocken feststellte. Ich konnte sie schlecht zählen, aber es waren mit Sicherheit einige hundert, die uns umzingelt hatten. Die Wachen neben uns verschwanden, nachdem sie die Ketten am Boden fixiert hatten. Es war so still, dass lediglich das Knacken und Züngeln des Feuers zu hören war. In der Masse vor uns tat sich eine Lücke auf, ich erkannte meinen Vater kaum wieder, als er uns gegenüber zu Boden sackte. Er war in ähnlicher Verfassung wie Owein, war wohl lediglich noch ein ganzes Stück besser behandelt worden...

,,Es tut mir leid, ich hätte nicht gedacht, dass Adrik derartiges vor hat...", noch nie hatte ich meinen Vater in einer solchen Verfassung gesehen. Ich wusste nicht, wovon er sprach, aber er schien mehr zu wissen als der Rest von uns. ,,Er wird dir nichts tun, hab keine Angst!", meinte der Alpha an mich gewandt. Nach wie vor zeichneten sich lediglich große Fragezeichen in meinem Kopf ab. Dazu es weiter auszuführen, kam mein Vater allerdings nicht. Die Menge spaltete sich erneut, nun trat Adrik Adair, der Alpha selbst, vor. Es war nach wie vor totenstill, doch schlagartig holte mich die Kälte wieder ein.
Adrik war ein Riese, er hatte eine einschüchternde Statur und das, was man über ihn gehört hatte, schien ihm lediglich zu schmeicheln. Blutrünstig und rachsüchtig, dabei kalt und brutal wie kein Zweiter. Genau das beschreib ihn am besten. Mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinab, als ich das rote Glimmen seiner Augen für einen Moment auffing. Wie kein Zweiter..., wäre da nicht...

,,Wir haben uns heute hier eingefunden, um gemeinsam den Gewinn neuen Terrains zu feiern!", hallte Adriks tiefe Stimme durch den Wald. Jedes Haar an meinem Körper sträubte sich. Langsam begann ich zu ahnen, dass wir zwar Teil der Zeremonie, aber nicht Teil der Feierlichkeiten waren.
,,Martyn und sein Rudel werden nicht länger besten. Seinem Rudel bleibt heute Nacht die Wahl, sich uns anzuschließen oder zu sterben!", wie ich vermutete, hoffte Adrik eher auf letzteres. Die Menge schob einige Personen in die Kreismitte, ich erkannte schnell unsere eigenen Leute.
,,Ist dieser der Mann, dem ihr folgen wollt,...", der Alpha deutete auf die gebrochene Gestalt meines Vaters: ,,Oder bin ich es?" Es herrscht Stille, ich sah das Weiß in den Augen der Anwesenden aufblitzen. ,,Ihr habt die einmalige Chance über den Verbleib eurer Freunde und Familie zu bestimmen, überlegt weise!", seine Stimme glich einem Knurren. Eine wirkliche Wahl hatte niemand!

Die Angst und Unsicherheit trieb die Wölfe zur Verzweiflung. Ihre Loyalität war ausgeprägt, aber nicht unendlich. ,,Ich werde niemals meinen Alpha hintergehen!", gab ein Beta von sich. Er war mutig, in dieser Situation leider jedoch schlicht weg naiv. Das Gesicht des Alphas zierte ein Grinsen.

Die Menge brach ein weiteres Mal, als sich der riesige Wolf seinen Weg zu uns in den Kreis bahnte. Ich hatte vergessen, wie viel bedrohlicher der junge Alpha so doch wirkte.
Er glich ganz seinem Vater, nicht nur von der Optik, erst recht von seiner Art und seinem Charakter. Dies bestätigte sich für mich nur, als er dem Mann, der zuvor widersprechen hatte wortwörtlich den Kopf abriss und ich hörte, wie seine Zähne dessen Schädelknochen zermahlten.
Ich war sowohl fassungslos als auch sprachlos. Hatte ich zunächst noch keine wirkliche Angst verspürt, war sie nun nicht mehr zu leugnen. Es gab wohl absolut nichts auf dieser Welt, was ihn daran hindern würde mit mir nicht das Gleiche zu tun!

Der Exzess musste den Alpha ziemlich berauscht haben, nun zog er seine Runden durch den Kreis. Ein Blick in seine Augen ließ mich an jedem Rest seiner Menschlichkeit zweifeln. Nie hatte ich einen tierischeren Blick bei einem von uns gesehen. Für einen Moment lief mir ein Schauer über den Rücken, dann begann ich es zu realisieren, irgendetwas war anders.

Der Wolf war vor mir stehen geblieben und hatte mich mit seinem Blick fixiert. Er reckte seine Schnauze in die Luft, dann näherte er sich uns langsam. Der Geruch vom Rauch war weiß Gott dominant, aber da war noch etwas anderes in der Luft. Ein
intensiver Duft bahnte sich seinen Weg zu mir herüber. Es dauerte einen ganzen Moment, dann begriff ich, was dies zu bedeuten hatte.

Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt