28. Kapitel

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Ace druckste noch eine Weile herum, ehe er wirklich klare Worte fand, um das Geschehene zu beschreiben. ,,Ich hab wohl die Ader erwischt...", brachte er mit anhaltend brüchiger Stimme hervor. Er stand ziemlich neben sich und wirkte selten überfordert und verloren.
Vorsichtig tastete ich meinen Hals entlang. Noch deutlich konnte ich die Kruste und die darunter liegende Verletzung spüren.
Ace Reißzähne hatten tiefe Spuren in meiner Haut hinterlassen, deren Heilungsprozess längst nicht abgeschlossen war. Das Laken und wahrscheinlich auch die Matratze darunter hatten einen ordentlichen Schwall Blut abbekommen und aufgesogen. Vielleicht war es sogar der Blutverlust gewesen, dem ich meine Bewusstlosigkeit letztlich zu verdanken hatte oder aber das Gesamtpaket war mir zu viel geworden. Fakt war jedenfalls, dass ich meiner zweiten Natur mein Leben verdanke. Einen jeden Normalsterblichen hätte eine Verletzung der Halsschlagader mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dahingerafft. Auch ich war dem Tod wohl nur mit sehr viel Glück von der Schippe gesprungen...

Wirklich klar zu denken, gelang es mir noch nicht. Der junge Alpha am Boden war über und über in Blut getränkt. Von seinem Mund über seine Brust zu seinen Händen, zeichneten sich die mittlerweile getrockneten Spuren ab. Wenn ich ehrlich war, verwunderte es mich beinahe, dass Ace überhaupt von mir abgelassen hatte. Und warum überhaupt hatte er mich gleich markiert?
War er wirklich so sehr in seinem Rausch gefangen gewesen, dass er überhaupt nicht wusste, was er da tat? Das ihn sogar das nicht mehr störte? Einerseits hoffte ich es, andererseits weckte dies neue Befürchtungen in mir.

Ace hielt wenig von mir, beschränkte den Kontakt nur auf das nötigste und blieb selbst in seinen Berührungen sehr verhalten. Es war mir natürlich nicht entgangen, dass er mich nicht küsste. Wie sollte es auch nicht? Jedenfalls hatte ich zumindest ein wenig gehofft, dass wir uns küssten, bevor wir gemeinsam im Bett landeten und er mir seine Zähne in den Hals rammte.

,,Ich wollte das nicht, wirklich...", beteuerte Ace erneut, als meine Reaktion doch ziemlich verhalten ausfiel.

- Ace -

Mir war durchaus bewusst, dass ich zu weit gegangen war. Nie zuvor hatte ich mich ihm so fremd gefühlt und dennoch spürte ich deutlich seinen Schmerz. Ich wollte weg von ihm, fühlte mich schuldig und wollte mich keinesfalls weiter erklären. Im Grunde konnte ich es auch nicht. Ich hatte die Kontrolle über mich verloren und das nicht zum ersten Mal. Dieses Mal jedoch, hatte ich damit beinahe das Leben meines Mates beendet. Nichts, was sich im Nachhinein einfach wieder hinbiegen ließe. Tot blieb tot und wurde vielleicht gerade Mal im schlechten Märchen wieder lebendig.
Die Art wie Weylyn mich ansah, machte das Unbehagen, dass in mir herrschte keinesfalls besser. Es war eine Mischung aus Furcht, aber keinesfalls Überraschung, vor allem letzteres verstärkte das Unbehagen in mir lediglich nur noch mehr.

Weylyn schien meine Unsicherheit in Bezug auf ihn nicht zum ersten Mal zu spüren. ,,Ist ja nochmal alles gut gegangen...", hauchte er mir förmlich entgegen. Mein Gesicht war sicher selten so ausdruckslos wie gerade. Was um alles in der Welt war seines Erachtens bitte gut gegangen? Wie seine Worte auf mich wirkten Begriff Weylyn selbst, meine Gegenwart verunsicherte ihn nach wie vor. ,,Ich... ich würde jetzt duschen gehen, wenn es dich nicht stört!", brachte er nun hervor.
Abgesehen davon, dass er vor einigen Stunden noch duschen gewesen war, hatte er es wohl wirklich dringend nötig. Sein Ausdruck ließ mich vermuten, dass er von mir das gleiche dachte. Ich gab ihm mit einem knappen Nicken mein Einverständnis, machte jedoch keine Anstalten ihn zu begleiten. Ich ging allerdings auch nicht davon aus, dass er es sich von mir erhofft hatte.

Meine Pläne Weylyn nicht zu begleiten, änderten sich schlagartig, als er mir bereits auf halbem Weg zurück auf die eigenen Beine, entgegen kippte. Reflexartig gelang es mir ihn aufzufangen, ich schloss meinen Arm um seinen zierlichen Körper. Gleich im nächsten Moment befürchtete ich ihn mit meiner Kraft verletzen zu können. Bevor ich ihn jedoch ganz von mir stieß oder fallen ließ, lockerte ich meinen Griff. Er wog vielleicht gerade mal die Hälfte von mir und robust war er ganz sicher nicht.
,,Tut mir leid...", brachte Weylyn auch gleich hervor, als er sich nun auf den eigenen Beinen wiederfand. ,,Meine Schuld!", merkte ich nur kurz an, trat einen Schritt zurück und brachte so wieder ein Stück Distanz zwischen uns. ,,Ich denke ich könnte auch eine Dusche vertragen!", entschied ich zu Weylyns Überraschung.

Die Dusche ließ besonders viel Distanz zwischen uns nicht zu, dennoch versuchte ich alles mir Mögliche rauszuholen. Direkten Blickkontakt vermied ich, noch immer fühlte ich mich einfach verdammt unwohl. Ähnlich wie auch sein Vater schien jedoch auch Weylyn meine Gedanken lesen zu können.
,,Ist schon okay, wirklich. Ich lebe ja noch und es ist nichts schlimmeres passiert!", startete er einen zaghaften Versuch mich zu beruhigen. ,,Vielleicht hast du mir dieses Mal weh getan, aber das heißt ja nicht, dass es immer so sein wird, oder?", versuchte er es weiter, als von mir keine Reaktion ausging.
Still betrachtete ich ihn, rang mich dann aber dazu durch leicht zu nicken. Er hatte gut reden, er wusste ja nicht mal, dass mir immer noch die Option im Kopf herumgeisterte ihn zu töten. Ich hatte längst mit alldem noch nicht abgeschlossen und in die mir vorgegebene Rolle wollte ich mich nach wie vor nicht einfügen. Und andererseits war da doch diese zierliche Gestalt, der ich Gott weiß, warum gleich mal meine Markierung verpasst hatte, bevor ich ihn im exakt selben Akt auch schon fast soweit gehabt hatte. Fühlte ich mich etwa schuldig?

,,Ich kann es nicht versprechen...", gab ich schließlich ehrlich von mir: ,,Ich kann nicht versprechen, dass ich dir nicht wieder weh tue." Es war das Einzige, was mir zu seinen Worten überhaupt einfiel. Weylyn betrachtete mich aus seinen großen Augen aufmerksam, zaghaft nickte er. ,,Aber willst du es denn?", wollte er fast tonlos wissen. Nein, weh tun wollte ich ihm nicht. Ich spürte den Schmerz, den ich ihm zugefügt hatte, deutlich am eigenen Leib. Er war nicht wie jener Schmerz, den ich in meinem Leben erfahren hatte, aber er war doch nicht zu leugnen. Ich hasste die Verbindung zwischen uns, die ich durch die Markierung nur noch gestärkt hatte, aber allmählich begann ich zu fühlen.

Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt