- Weylyn -
Dicht an die Wand gepfercht, hatte ich mich in meiner Zelle niedergelassen. Randon neben mir lief unruhig vor dem Gitter auf und ab. Wo unser Vater war, wussten wir nicht. Owein in der Zelle gegenüber zu betrachten, war schon beunruhigend genug. Ich ging fest davon aus, dass es der Alpha gewesen war, der ihn derart übel erwischt hatte. Seine Wunden schienen nicht zu heilen und die dornenbesetzten Ketten, die sich in seine Haut gruben, schadeten ihm zusätzlich. Würde er sich verwandeln, löchern sie garantiert eher seine Luftröhre, als das sie nachgaben. Owein blieb nichts anderes übrig, als möglichst regungslos am Boden zu verharren. Auch Randon schleppte seine Kette hinter sich her, sich zu transformieren, war keine Option.
Mich hingegen, hatte man ohne weitere Vorkehrungen mit in die Zelle gesteckt. Man hielt mich für keine ernstzunehmende Bedrohung und damit hatte man vermutlich auch recht. Alles, was ich konnte, war rennen oder mich fügen. Unsere Lage war aussichtslos, wir waren ganz allein von der Gunst unserer Feinde abhängig.
Ich hatte von den Differenzen der Wachen mitbekommen. Sie bemühten sich nicht darum leise zu sein. Wem die gereizte zusätzliche Stimme gehörte, wusste ich allein schon dank dem ihr folgenden Geruch einzuordnen. Er musste geduscht haben, sein Haar roch nach Shampoo und sein Körper nicht etwa mehr nach Schweiß, nach wie vor jedoch nach frischem und trocknenden Blut. Das Klima in den kühlen Steinhallen veränderte sich schlagartig, als die große Gestalt des jungen Mannes zwischen den Toren erschien. Sein Wolf war ein Sinnbild eines Alphas, seine menschliche Gestalt die einer Gottheit. Er war groß, breit gebaut und von Muskeln gezeichnet. Sein Haar war nicht frisiert und dennoch fanden seine Strähnen ihren Platz. Das er Wert auf sein Äußeres legte, verriet mir nicht zuletzt, die perfekt gestutzten Seiten. Der leichte Bart schmeichelte seinen markanten Wangenknochen.
Regte sich irgendetwas in mir, erstickte es sein kalter Blick, der nun flüchtig den meinen kreuzte. Ich hatte ihm vermutlich das Leben gerettet. Von ihm jedoch hatte ich nichts zu erwarten.Der Alpha betrachtete die Zellen und ihre Insassen nacheinander, während er durch den Gang schritt. Vereinzeltes Winseln und Klagen war zu hören. Die Leute hatten Angst und ihr Alpha konnte sie nicht mehr schützen.
,,Helft mir, bitte!", vernahm ich eine weibliche Stimme, der feindliche Alpha war stehen geblieben. ,,Meine Tochter hat furchtbare Schmerzen, sie muss sich irgendwie verletzt haben!", erklärte die weibliche Stimme. Ich schielte hinüber zu dem Mann, der sie abschätzend betrachtete. Es war eine besonders gut besetzte Zelle, es gab kaum zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen. Urplötzlich begriff ich ihre Absicht.
,,Tretet zurück!", forderte der Alpha und zückte einen Schlüssel. Er würde doch nicht ernsthaft auf ihren simplen Trick hereinfallen, oder? Doch tatsächlich steckte er den Schlüssel ins Schloss und betrat die Zelle. Ich hielt die Luft an, doch mein Verstand täuschte mich nicht. Er hatte die Zelle gerade betreten, als darin das Chaos ausbrach. Ich konnte nicht wirklich sehen, was vor ging, aber ich wusste, dass das laute Knacken und der Aufprall nicht vom Alpha ausgegangen waren, als danach schlagartig wieder Ruhe einkehrte. Der Alpha verließ die Zelle unbeschadet, dafür aber mit einem Mädchen im Schlepptau. Er führte sie an uns vorbei aus dem Raum, das Mädchen zitterte und ihre Angst war unverkennbar. ,,Toter in Zelle neun!", vernahm ich die gleichgültige Stimme des Alphas, bevor er gänzlich verschwand.
Unter uns brach augenblicklich gewaltige Unruhe aus. Das einige der Wache erschienen und Zelle neun stürmten, machte es nicht besser. Sie zogen den toten Mann an uns vorbei hinaus in den Flur. Weder einer von ihnen noch einer von uns sagte ein Wort. Was um alles in der Welt hatte der Kerl nun bloß mit dem Mädchen vor?
Ich wusste es nicht und würde es auch nicht erfahren. Die Stunden verstrichen und sie kam und kam nicht zurück. Wir kannte uns kaum, hatten bisher lediglich flüchtig miteinander gesprochen und mehr Worte würden wohl auch nicht mehr fallen.
Es war kalt in der Zelle und ich fror allmählich gewaltig. Randon hatte nach dem Tod des Mannes aufgehört auf und abzulaufen und hatte dicht neben mir Platz genommen. Owein lag unverändert still und auch der Rest hockte zitternd und verängstigt in den hintersten Ecken. Unweigerlich rutschte ich dichter an meinen älteren Bruder heran.,,Ich hätte mir für dich einen schöneren Geburtstag gewünscht!", vernahm ich plötzlich Oweins gebrochene Stimme. Mein Blick schweifte in seine Richtung, mühsam hatte er sich ein wenig aufgesetzt. Sein Lächeln war traurig, aber es überraschte mich, dass er das Thema überhaupt ansprach.
Mein Geburtstag war das letzte, woran ich gerade dachte. Ganz abgesehen davon, hatte ich längst den Sinn für Zeit und Orientierung verloren.Wahrscheinlich war es mein letzter Geburtstag, ging mir so durch den Kopf, ansprechen wollte ich es nicht. Die Stimmung war auch so bereits düster genug, mein Geburtstag vermutlich der einzige Lichtblick. Meinen 17 Geburtstag hatte ich mir so absolut anders vorgestellt... Wir hätten gefeiert, mein Mate wäre einfach so zur Tür herein marschiert und ich wäre bei meiner Familie gewesen... Gut, streng genommen war ich Letzteres auch so, aber so war es definitiv nicht geplant gewesen.
,,Mein Kleiner ist erwachsen...", Owein röchelte leicht. Sofort bohrten sich die Dornen tiefer in sein Fleisch, frisches Blut floss. ,,Vielleicht bekommen wir eine Chance es nachzufeiern!", wunderte ich mich selbst über meinen hoffnungsvollen Tonfall. Die Sache war aussichtslos, dass wusste ich am besten selber. Randon neben mir, fuhr mir milde lächelnd durchs Haar. Es beruhigt mich ein wenig, aber sicher fühlte ich mich hier dennoch nicht. Die Nähe zu meinem Bruder machte die Kälte zumindest ein wenig erträglich.
Ich schlief nicht viel und auch nicht gut. Ständig und bei dem leisesten Geräusch schreckte ich auf. Doch wenigstens schlief ich überhaupt. Etwas, was nur die wenigsten hier von sich behaupten konnten.

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Territory [manxboy]
Manusia SerigalaAce kannte seinen Vater nicht anders... der Alpha war herrisch und rachsüchtig. Nicht selten ließ er seinen Unmut auch an ihm aus. Als es dann auch noch zu Konflikten im Rudel kommt, beginnt die Lage allmählich zu eskalieren. Was Adrik im Zuge desse...