5. Kapitel

984 35 1
                                    

Schnell hatten wir die Spur der ersten Flüchtigen ausgemacht. Sie rechneten nicht so schnell mit uns, dass war unser einziger Vorteil. Noch vor der Grenze holten wir einen Teil von ihnen ein und schnitten ihnen den Weg ab. Gleich gingen die niederen Rudelmitglieder, die Jungen in die Mitte drängen, vor uns in die Defensive. Sie waren offensichtlich nicht an einer Auseinandersetzung oder gar weiterem interessiert. Warum sie ihre Häuser dann überhaupt verlassen, hatten, war mir ein Rätsel.

Wir hatten sie eingekreist und zogen unsere Kreise zunehmend dichter. Baraek schnappte warnend nach einem der Äußeren und verfehlte ihn lediglich knapp. ,,Bringt sie zum Alpha. Tötet wer versucht zu fliehen!", wies ich einige der uns begleitenden Krieger an. Callum nickte verstehend und begann gleich damit die Gruppe vor sich zurück in Richtung Lager zu treiben. Er wusste, was er tat, bei ihm musste ich mir wenig Gedanken machen. Ob es wirklich noch jemand wagte, würde sich zu widersetzen, war nach meiner klaren Ansage wirklich zu bezweifeln.

Kurz sah ich dem abziehenden Trupp hinterher, dann drehten wir ab und zogen weiter in Richtung des Grenzstreifen. Eine Spur hatten wir schnell ausgemacht. Der Intensität des Geruchs nach zu urteilen, durften sie hier auch erst vor nicht allzu langer Zeit vorbeigekommen sein. Wir näherten uns zunehmend der Grenze und bei manch einem stieg doch spürbar die Anspannung. Die Grenze zu passieren, war stehts etwas, dass eine gewisse Überwindung mit sich brachte.

Den Streifen erreichend, verlangsamte ich mein Tempo erneut. Gründlich überblickte ich meine Umgebung, ehe ich weiter vortrat. Es war ruhig. Die Gerüche der Unseren lagen nach wie vor in der Luft, doch ich roch keine weiteren. Auch den Fährtenlesern stieg kein weiterer Geruch in die Nase, nun gab ich das Go. Ich passierte als erster die Grenze, überflog noch einmal Geruch und Begebenheit der ungewohnten Umgebung und trottete dann wieder los. Wir näherten uns schnell, dass wusste ich, hielten wir aber diese Geschwindigkeit bei, so entging uns auch unser Umfeld nicht.

Es war erstaunlich, wie wenig Grenzposten es gab. Kilometerweit war das Gebiet scheinbar gänzlich unbesetzt. Erst nach guten fünf Kilometern schnappte ich einen mir fremden Geruch auf. Eine Gruppe junger Wölfe, die vor einer ganzen Weile hier vorbeigekommen war. Es gab nicht wirklich einen Grund zur Beunruhigung, aber auf fremden Terrain blieb ich bedacht auf wachsam.

Wir erreichten eine kleine Holzhaus Siedlung, wie ich sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Es waren alte Bauten, sie waren gezeichnet von Witterung und Nutzung, doch bewohnt waren sie nicht mehr. Ihnen haftete kaum noch ein Hauch des Geruches ihrer Bewohner an. Bis auf einige alte Möbelstücke, die wohl nicht für den weiteren Gebrach gedacht waren, waren die Hütten geräumt. Es war schwer für mich, sich das Leben in einer derart beengenden Behausung vorzustellen. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte unser Rudel die eigenen niedergerissen und zeitgemäßer Wohnräume geschaffen.

Wir zogen zielstrebig, weiter und auch wenn sämtliche Gerüche intensiver zu werden schienen, die Flüchtigen hatten wir noch nicht eingeholt. Die Gegend wurde belebter, man merkte es vor allem daran, dass weniger Wild zu wittern war. Die Tiere wirkten scheuer, hier wurden sie nicht selten gejagt.

Nach einer Weile hatten wir die Gruppe schließlich ausfindig gemacht. Auch sie hatten uns bereits gewittert und stoben in alle Richtungen davon, als wir sie schließlich erreichten. Sie wussten, was für sie auf dem Spiel stand. Doch wir waren viele.

Die Alten packten wir uns zuerst und auch die Jüngeren entgingen uns nicht. Mit allen machten wir kurzen Prozess. Sie hatten ihr Schicksal gewählt.

Das Jaulen und Winseln unserer Opfer hatte bestimmt auch den letzten Schlafenden schnell geweckt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir Eindringlinge hier auffielen. Es blieb abzuwarten, wie viel Zeit uns noch blieb, bis sie hier eintrafen. Davon sie still und heimlich allesamt auszulöschen, konnte nicht mehr die Rede sein. Spätestens jetzt wussten sie was sich hier anbahnte.

Das Genick der Teenagerin knackte unter meinem kräftigen Kiefer. Hatten wir in der Vergangenheit nicht selten miteinander geschlafen, hatte sie mich schlussendlich doch unterschätzt. Von einer wirklichen Bindung zueinander ließ sich nicht sprechen. Ich nahm mir, was ich wollte und ein Verrat wie der ihre wurde nun eben mit dem Tod bestraft.

Joro neben mir schlug zuerst an. Er witterte was sich uns näherte schon aus großer Distanz. Ich zog scharf die Luft ein, den Gerüchen nach zu urteilen war uns niemand entkommen. Verstreut lagen die leblosen Körper der Verräter im Wald. Was Martyn und seine Leute mit ihnen machen würden, sollte nicht mehr meine Sorge sein.

Mit blutigen Lefzen drehte ich bereits ab, als mir ein schwacher Geruch in die Nase stieg. Es dauerte einen Moment, ehe ich ihn zuordnen konnte. Trotz des Kommandos abzuziehen, ging ich ihm nach. Der Geruch des Jungen war schwach, aber doch folgte ich ihm sicher. Das Mädchen hatte sich in einem Gebüsch geduckt. Der Geruch der Angst überwog deutlich ihrem Eigengeruch. Blut und Speichel rannen mir von den Lippen, während ich mich ihr näherte. Schnell schob sie sich dichter an den Baum, aber das würde sie nicht retten. Ich war im Blutrausch und das schien sie zu wissen.

,,Worauf wartest du?", war es Baraek, der mal wieder an meiner Seite erschien: ,,Töte sie!" Ich hatte meinen Blick nicht von dem Mädchen gelöst, doch irgendetwas war plötzlich anders. Das Verlangen auch sie zu reißen, war verschwunden. Sie war ein Kind und konnte weder fliehen noch sich verteidigen. Es war nicht ihre Entscheidung gewesen uns zu verraten. Vielleicht war es der letzte Rest Ethnik, der nun überwog, aber ich würde sie verschonen.

,,Tu es!", drängte Baraek weiter und trat näher an sie heran. ,,Nein, sie ist nur ein Welpe!", knurrte ich in seine Richtung. Er schien amüsiert über die plötzliche Wendung und trat lediglich näher an die zitternde Gestalt vor uns heran. Wenn ich sie nicht töten würde, dann würde er es tun, dass wurde mir schnell klar.

Ein weiterer Schritt seinerseits und ich schnellte nach vorn. Es gelang mir seine Schnauze zu packen. Wütend schnappte er in meine Richtung, als ich wieder von ihm abließ. Knurrend hatte ich mich vor ihm aufgebaut. Das Ironfur-Pack nahte, wir mussten von hier verschwinden.

Das Mädchen hatte unsere Unachtsamkeit genutzt, sie war verschwunden.

Territory [manxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt