Der Plan stand, ebenso die Verteilung. Ich war längst mit meiner Gruppe auf dem Weg in Richtung See. Baraek würde mit seinem Trupp von der linken Flanke zuerst angreifen und zunächst genug Aufmerksamkeit auf sich lenken. Berric würde die rechte Flanke nehmen und etwas zeitversetzt angreifen. Ich selbst würde zuletzt im Zentrum zuschlagen, wo ich hoffentlich möglichst schnell Martyn in meine Gewalt brachte.
Baraek hatte längst angegriffen, als mein Körper noch durch das Wasser glitt. Nasses Fell wollte ich mir ersparen, so verwandelte ich mich erst, als ich aus dem Wasser stieg. Mich mit einem Blick zurück versichernd, dass mir niemand ertrunken war, setzte ich mich schließlich in Bewegung. Ich hatte genug Karten gesehen und wusste genau, welches Ziel ich anvisierte. Darauf bedacht leise zu sein, kamen wir dennoch gut voran. Das Chaos war deutlich zu spüren, noch bevor wir im dunklen der Nacht die ersten Häuser erreicht hatten. Türen standen offen, Licht brannte und vereinzelt hetzten Leute zwischen den Häusern hin und her. Aus dem Schatten der Bäume betrachtete ich eine Frau, die mehrere Kinder geleitete. Sie waren alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie wirklich mit uns rechneten. Das Hauptlager war so gut wie ungeschützt, offensichtlich hatten sie mit den zwei Fronten wie beabsichtigt genug zu tun.
Das Haus war nicht abgeschlossen, wie ich feststellte, bevor ich mich durch die Tür schob. Es war ruhig, fast schon zu ruhig, in den Fluren. Leise schlich ich weiter. Arbeits- und Schlafzimmer würden sich in den oberen Etagen befinden. Doch an Schlaf war hier sicherlich nun nicht mehr zu denken.
Im schwachen Licht, das der Mond durch die Fenster warf, bewegte ich mich weiter durchs Haus. Mit meiner Wolfsgestalt füllte ich die Gänge bestens aus. Sicherlich waren sie bereits breiter als normale, aber über zu viel Platz konnte ich mich hier wirklich nicht beklagen. Vor mir lag ein wirres Bild verschiedener Gerüche. Es fiel mir schwer mich zu sortieren, die Gerüche waren mir bisher unbekannt. Auf einen der dominanteren fokussierte ich mich zunächst, doch wie ich recht schnell feststellte, führte er aus dem Haus hinaus. Bei allen weiteren Gerüchen schien es ebenso zu sein. Frustriert schob ich mich dennoch in das Arbeitszimmer des Alphas hinein. Es war geräumig und weitaus mehr eingerichtet als jenes meines Vaters. Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb an einem Familienfoto hängen. Das Bild zeigte Martyn, seine Frau, eine Tochter und drei Söhne. Automatisch weckte es Erinnerungen an meine eigene Kindheit und das intakte Familienleben, das ich so nie erlebt hatte.
Ich löste meinen Blick von dem Bild, als ein leises Geräusch meine Aufmerksamkeit erregte. Sofort sah ich Richtung Tür und noch im letzten Moment einen Schatten vorbei huschen. Mein Körper sprang sofort in Alarmbereitschaft, während ich mich weiter der Tür zu wand. Schritte auf der Treppe, ließen mich aus dem Arbeitszimmer zurück in den Flur rasen. Ich sah ein kleines Mädchen die Treppe hinab rennen. Es war eben das Mädchen, das ich bereits zuvor kaum hatte riechen können. Mein Jagdtrieb gewann schnell Überhand, dieses Mal würde sie mir nicht entkommen.
- Weylyn -
,,Rose, ich hab dich überall gesucht!", ich war erleichtert sie endlich gefunden zu haben. Im ganzen Lager hatte ich nach ihr Ausschau gehalten. ,,Wir wollten längst nicht mehr...", war ich gerade dabei meine Worte fortzuführen, als ich ein Knacken auf der Treppe vernahm. Da war er wieder, dieser Geruch. Ich riss den Kopf hoch und starrte direkt in die glühenden Augen des schwarzen Wolfes. Mit Schultern und Kopf ragte er beinahe bis zur Decke und noch schlimmer, er war gerade dabei zum Sprung anzusetzen.
Ich duckte mich gerade rechtzeitig und der gigantische Wolf flog über mich hinweg. Es war mein Glück, dass er sich in der Distanz getäuscht hatte. Schnell ergriff ich Rose Hand und zog sie mit mir zur nächsten Tür, die ich erreichen konnte. Sie führte hinab in den Keller. Hastig verriegelte ich sie, kaum eine Sekunde später, krachte der Wolf gegen sie. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie durchbrochen hatte, ich musste schnell handeln. Rose nach wie vor im Schlepptau, kletterte ich mit ihr hinein in den nächsten Schacht. Hierher konnte mir der Riese nicht folgen, noch dazu wusste er nicht, dass er nach draußen führte.Mit einem Krachen flog die Tür auf. Ich hörte es deutlich hallen, ehe ich mich durch den Schacht hastig ins Freie zwängte.
,,Ich werde mich verwandeln!", meinte ich schnell: ,,Keine Angst, halt dich nur gut in meinem Fell fest." Damit tat ich angekündigtes und tatsächlich kletterte Rose schnell in meinen Nacken. Ich wartete keine Sekunde länger und raste hinein in die Nacht. Dieser Wolf würde mich und Rose töten, wenn er uns in die Finger bekam, daran bestand kein Zweifel. Zu meinem Vater oder anderen Rudelmitglieder konnte ich ihn nicht führen, also entschied ich es selbst mit ihm aufzunehmen. Es war vielleicht eine der dümmsten Entscheidungen, die ein Omega jemals getroffen hatte, aber gerade blieb mir nichts anderes übrig. Er war größer, weitaus kräftiger und garantiert auch schneller als ich. Ihn ablenken und so schnell laufen, wie noch nie, das war meine einzige Chance.
Ich gewann einen guten Vorsprung auf meinen Verfolger, doch schon bald erkannte ich seine Gestalt zwischen den Bäumen hinter mir. Wie ein Hase schlug ich meine Harken. Tatsächlich war ich gar nicht mal so langsam, aber mein Verfolger holte zunehmend auf. Plötzlich spaltete sich das Gebüsch vor mir und ein großer grauer Wolf sprang davor hinaus: ,,Lauf!" Ich erkannte meinen Bruder und seine Absichten sofort. Natürlich zögerte ich nicht und sprintet weiter in meine angestrebte Richtung. Kampfgeräusche hinter mir ertönten und rückten zunehmend in die Ferne. Owein würde meinen Verfolger sicherlich eine Weile beschäftigen, ehe ihm jemand zur Hilfe eilte. Ob er ihm auch gewachsen war, wagte ich mit meinen flüchtig auf ihn erhaschten Blicken nicht zu beurteilen.
Fast geräuschlos zwängte ich mich hinein in das längst verlassene Fabrikgebäude. Schnell kletterte ich die Etage empor, als ich hörte, wie die Tür unten brach. Er würde mich finden und einholen. Meine einzige Chance ihm zu entkommen, war es seine Masse und Stärken gegen ihn auszuspielen.

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Territory [manxboy]
Manusia SerigalaAce kannte seinen Vater nicht anders... der Alpha war herrisch und rachsüchtig. Nicht selten ließ er seinen Unmut auch an ihm aus. Als es dann auch noch zu Konflikten im Rudel kommt, beginnt die Lage allmählich zu eskalieren. Was Adrik im Zuge desse...