Kapitel XVII

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Unbeholfen stand ich neben Dante im Türrahmen. Genau in dem Moment als wir hinein traten, verstummten die Stimmen. Es war nicht schwer zu erraten, dass das eben diskutierte Thema mit mir und Dante zutun hatte. Auch wenn er es vorhin nicht ausgesprochen hatte, so wusste ich, dass die Abneigung seiner Großmutter gegen mich mit Sicherheit ihre Wurzeln in meinem Familiennamen innehat. Unsere Familien bekriegten sich bereits seit einer solchen Zeitspanne, dass der Hass sich auch auf die unschuldigen Generationen ausgeweitet hatte. Ich dachte ich hätte mich von den Fesseln und dem Schatten meines Vaters befreit, aber anscheinend bleibt dieser Abdruck ein Leben lang an mir haften. Egal wie sehr ich mich gegen meinen Vater stellte und egal wie viel ich für die Seite meinen Mann tun werde, die Menschen werden zuerst immer meinen Namen und meine Herkunft sehen.
Während ich meinen Gedanken die volle Aufmerksamkeit schenkte wurde mein Körper unter einem achtsamen Blick untersucht. Ich begegnete diesem und sah in das emotionslose Gesicht von Letizia Martinelli, die neben Chiara auf dem Sofa im Zentrum des Wohnzimmers saß. Die Frau an der Spitze der Martinelli Hierarchie hatte dunkel graues Haar, welches elegant um ihr Gesicht fiel. Sie hörten vor den Schultern auf und umrahmten ihre strengen Züge, welche durch ein vorteilhaftes Makeup in das richtige Licht gerückt wurden. Besonders der bordeaux farbene Lippenstift hatte eine starke Wirkung. Die Kleidung der Seniora wurden ebenfalls bis ins kleinste Detail abgestimmt und zeigten wie ein Aushängeschild, dass diese Frau nichts dem Zufall überlässt.

Sergio und Valeria teilten sich mit Isabella die rechte Couchseite, während die jungen Männer der Martinelli Familie die linke besetzten.
Obwohl meine Augen einmal durch den Raum schwebten, zog eine unsichtbare Kraft sie immer wieder zurück zu Seniora Letizia. Es war als könnte ich unter ihrer Ausstrahlung nicht aufrecht stehen, als würde allein ihre Anwesenheit mich dazu verleiten meinen Kopf zu senken. Ich hatte noch nie erlebt, dass eine einzelne Person eine solche Auswirkung haben konnte.
Es waren erst einige Sekunden vergangen, aber es kam mir vor, als wenn wir hier schon Stunden stehen würden.

"Kommt herein, Kinder." Sergio wies uns mit seiner rechten Platz zu dem letzten freien Sitz gegenüber von Letizia und Chiara. Dante führte mich an der Hand zu dem Zweisitzer und wir ließen uns darauf nieder. Dante stütze mich unauffällig mithilfe einer Hand auf meinem Rücken.
Um dem Blick der eisernen Frau zu entkommen, fokussierte ich meine Augen auf meine Knie. Der Stoff meines neuen Kleides wurde auf einmal zum interessantesten Gegenstand im Raum.
"Da die Familie sich jetzt vollständig versammelt hat, kann ich endlich mit meinem Anliegen beginnen und den Grund meines Besuches äußern." Zum ersten Mal hörte ich Letizias Stimme und eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut. Der Ton ihrer Stimmbänder war hart und streng, auch wenn sie gleichzeitig hell und klar klang.
Ihre Aussage weckte meine Innere Neugier und zwang mich dazu meinen Kopf zu heben.
Großer Fehler, denn in der Sekunde, in welcher meine Augen ihren sicheren Hafen auf meinem Schoss verließen, warteten bereits zwei die kühlen braune auf ihre Ankunft.
Bei jeder anderen Person hätte ich mir das nicht bieten lassen, aber irgendwas was an dieser Frau anders. Mein Mut, mein Will, sogar meine Stimme war durch einen einzigen Blick von ihr betäubt.
"Wie ich bereits bei meiner Ankunft gesagt habe, ist die Familie De Luca Lorenzos Bitte nachgekommen und willigen in eine Heirat mit ihrer Tochter Beatrice ein. Sie werden in ein paar Tagen hier ankommen und dann werden wir die Verlobungsfeier abhalten und die Hochzeit besprechen." Letizias Blick wanderte mitten im Satz von mir zu Lorenzo und auch die anderen Köpfte drehten sich in seine Richtung.
"Wie bitte?" Die Stimme meines Mannes erklang nun im Raum und zog meinen Blick zu ihm zurück. Seine Miene war angespannt und die Augen weit aufgerissen. Ich schätze für ihn war diese Neuigkeit genau überraschend wie für mich. Der Name Beatrice De Luca kam mir nicht bekannt vor, ich wusste nicht einmal ,dass Lorenzo eine Freundin hatte, geschweige denn, dass er heiraten wollte.
"Du willst heiraten und erzählst es unser Großmutter, aber nicht mir?" Dante strafte seinen Bruder mit einem tödlichen Blick. Da er mit keinem Wort nachgefragt hatte wer diese Braut ist, gehe ich davon aus, dass er sie kannte.
"Dante beruhig dich. Dein Bruder hatte den Entschluss gefasst zu heiraten und ehrenhaft unsere Tradition befolgt, indem er mich gebeten hatte das Mädchen für ihn zu erfragen. Er verdient deinen Zorn nicht." Mischte sich Letizia ein und unterbrach damit Dantes Wutausbruch.
"Unsere Tradition, Großmutter?! Dann sag mir, ist es nicht Tradition, dass man seinem Don diese Nachricht als erstes mitteilt? Ich bin nicht nur sein Bruder, ich bin sein Don!" Diesmal donnerte seine Stimme und ich zuckte leicht zusammen. Meine Kenntnisse über die Regelungen in dieser Familie waren immer noch nicht vollständig, aber ich wusste, dass für sie, genauso wie bei der russischen Mafia, der Don die erste Anlauf stelle ist. Besonders für die Familie. Sein Wort ist Gesetz und seine Bitte ein Befehl. Dank Dantes Großvater kann sich der Don nicht mehr in die Heiratsangelegenheit seiner Familie oder Mitglieder einmischen, aber er verlangt immer noch als erstes davon zu erfahren. Als Lorenzo diese Entscheidung getroffen hatte, hätte er zunächst zu seinem Bruder gehen müssen, ansonsten übergeht er ihn in der Hierarchie. Aus diesem Grund könnte ich Dantes Wut verstehen. Wenn selbst sein Bruder ihn nicht in seiner Stellung ernst nimmt, wie sollen es dann die anderen tun.
"Bruder ich wäre zu dir gekommen, sobald ich die Antwort von Beatrice erhalten habe. Dass ich mich an Großmutter gewandt habe sollte keineswegs eine respektlose Handlung dir gegenüber sein." Verteidigte Lorenzo sich, aber ich konnte sehen, dass Dante mit der Rechtfertigung nicht zufrieden war.
Mich hingegen verwirrte etwas anderes. Bereits seit Beginn dieser Unterhaltung sprachen alle so, als entstammen sie einem Roman von Edgar Allen Poe. Die Überspitze Formulierungen, die viel zu höfliche und distanzierte Wortwahl, all das spannte die Atmosphäre nur noch mehr an.
Ich legte meine Hand auf seinen Oberschenken und versuchte ihn mit dieser Gestehe zu beruhigen. Im Takt fuhr ich ein paar Zentimeter hoch und wieder runter und musste feststellen, dass mir diese Handlung ebenfalls Kraft gab.
Sergio räusperte sich und lenkte damit die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich. "Mutter, wann können wir mit den De Lucas rechnen?" Sein Versuch das Hauptthema wieder auf die angekündigten Gäste zu lenken war nur begrenzt erfolgreich, da ich Dantes Anspannung immer noch spüren konnte.
"Diego de Luca wird sich mit dir und Dante in Kontakt setzten, um die Details ihrer Ankunft zu besprechen. Aber ich rechne Übermorgen mit ihrem Besuch."
Valeria nickte und stand dann auf. "Caroline!"
Es dauerte nicht einmal eine Sekunde, da stand die Hauswirtschaftshilfe im Türrahmen, an der Stelle, an welcher ich und Dante eben noch gestanden haben.
"Ja Seniora?" Caroline hielt ihren Blick gesenkt und zum ersten Mal beobachtete ich ein so unterwerfendes Verhalten von dem hier arbeitenden Personal. Für gewöhnlich behandelten wir die Dienstmädchen, Fahrer und Bodyguards mit dem gleichen Respekt, welchen sie uns entgegen brachten. Natürlich gab es einen Unterschied, ob man hier lebt oder arbeitet, aber niemand musste seinen Kopf in unserer Anwesenheit senken. In der von Seniora Letizia anscheinend schon, denn ich zweifelte keinen Moment daran, dass sie der Grund für das geänderte Verhalten war.

"Bereite dich auf weitere Gäste vor. Sie werden übermorgen ankommen." Valeria erteilte Caroline ihre Anweisungen und entließ sie anschließend.
"Ich habe von der Frau des Dons noch keinen Teller Nudeln gereicht bekommen. Ich denke es ist Zeit dieses Versäumnis nun nachzuholen."
Letizia sah mich auffordern an und ich sah hilfesuchend zu meiner Schwiegermutter.

"Wie ihr wünscht, Mutter." Oh nein, bitte nicht!






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