Kapitel LXX

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Dante

In Gedanken bedankte ich mich bei Gott, dafür, dass unser Kind gesund war.
Die Sorge darüber, dieser Bastard könnte dem Baby mit dem Mittel geschadet haben, fraß sich in mein Unterbewusst sein und war in den letzten Tagen mein permanenter Begleiter.
Nachdem die Ärztin die Resultate ausgesprochen hatte und mir dazu auch noch grünes Licht gab, war es so als würden ein schweres Gewicht von meinen Schultern abfallen.

Ich hielt meine Frau an mich gedrückt und strich ihr durchs Haar. Sie saß immer noch auf meinem Schoß und hatte ihren Kopf gegen meine Brust gelehnt. Sie war sichtbar erschöpft nach unserer kleinen Sportaktivität und brauchte ein paar Minuten zum ausruhen.
Ich führte meine Lippen an ihren Scheitel heran und setzt einen langen Kuss darauf.
"Amore, nicht einschlafen." Seit ein paar Atemzügen hatte sich ihr Zustand verändert und ich wusste, dass sie gleich einschlafen würde, wenn ich nicht achtgab.
"Mhhh." Ihre Stimmlange untermauerte meine Vermutung und ich lehnte mich etwas nach vorne, um ihre Position zu verändern.
"Komm Amore, wir müssen noch einen weiteren Stopp machen, ehe wir nach Hause fahren."
Langsam rappelte sie sich auf und blickte mich mit ihren wunderschönen blauen Augen an.
"Wohin?" Fragend warf sie den Kopf zur Seite.
Mit meiner freien Hand nahm ich ein paar Taschentücher aus der Halterung und machte sie sauber.
Ich richtete ihren Slip zog anschließend ihre Hose mit einem Ruck hoch.
"Das siehst du, wenn wir da sind."
Mit einem misstrauischen Blick rutschte sie über die Mittelkonsole zurück auf den Beifahrersitz und auch ich brachte meine Kleidung wieder an Ort und Stelle.
Danach schaltete ich die Zündung an und drückte auf das Gaspedal. Ich steuerte den Wagen zurück zur Hauptstraße.

Anastasia blieb die Fahr über still, doch ich konnte sehen, wie sie versuchte die Umgebung zu erkennen.
Nach fünfzehn Minuten bogen wir auf eine weitere Seitenstraße ab.
Ich parkte den Wagen an einer passenden Stelle und stieg aus.
"Warst du seit dem Tag nochmal hier?" Die Stimme meiner Frau tauchte neben mir auf, während ich das Eingangstor anstarrte.
"Nein, ich wartete auf dem Moment an dem ich Hiroto fassen würde und die Gerechtigkeit wiederhergestellt ist. Erst dann könnte ich mich ihm zeigen."
Ich griff nach ihrer Hand und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Eingang des Friedhofes.

Ich war hier um meinem Bruder zu sagen, dass es vorbei war, dass der schuldige nun ebenfalls in der kalten Erde lag.
"Warte." Anastasia ließ meine Hand los und ging zu dem Stand herüber, welcher vor dem Tor war.
Dort suchte sie ein Straußblumen aus und bezahlte diesen, ehe sie zu mir zurück kam.
Es gab viele Augenblicke, in welchen ich mich von neuem in sie verliebte und genau so einer war das.
Sie reichte mir die weißen Feldblumen und wir traten schweigend in den Hof.
Wir schlängelten uns durch die Reihen und ich konnte seinen Grabstein bereits erkennen.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich meinen besten Freund an diesem Ort besuchen würde. Wir hatten früher immer Witze darüber gemacht und uns gegenseitig damit aufgezogen, wer zu
erst ins Gras beißen würde. Die Erinnerung an diese Momente, bereitete mir jetzt eine Gänsehaut.
Ich hätte schwören können, dass ich vor Pablo an diesem Ort liegen würde.

Vor seinem Grab blieben wir stehen. Anastasia sprach geräuschlos ein Gebet und formte anschließend mit der linken Hand ein Kreuz, welches von ihrer Stirn zur Mitte ihres Körpers und dann einmal von der rechten zur linken Schulter ging. Ich legte die Blumen auf die Erde und strich einmal über den Stein.
"Ich warte dort drüben auf dich." Sie drückte kurz meine Hand und trat, nach einem knappen nicken von mir, bei Seite.

Ich kniete mich in die Hocke und hielt den Blick auf seinen in Granit gravierten Namen.
"Ciao fratello." (Hallo, Bruder)

Es fiel mir schwer die passenden Worte zu finden. Besonders, da ich seit der Beerdigung nicht mehr hier gewesen bin. Es fühlte sich plötzlich falsch und richtig zugleich an. Meine Beine hätten mich nicht getragen, ich wäre nicht in der Lage mein Haupt zu heben, wenn Hiroto noch auf dieser Welt wandern würde.
"È finita, il tuo sangue versato è stato giustificato." (Es ist vorbei, dein vergossenes Blut wurde gerecht)
Die Worte brachen aus mir heraus, wie eine Flutwelle nach einem Dammbruch.
Der Drang mich rechtfertigen zu wollen war in mir zu stark, als dass ich dagegen ankämpfen könnte.
Meine Worte würden nichts ändern, sie würden nicht einmal Trost bringen, doch die Gewissheit, dass unser Gebot der Blutehre eingehalten wurde, ließ mich Nachts wenigstens ein paar Stunden schlafen.
Auch, wenn diese nicht durch meine Hand vollzogen wurde.

"Ich werde Vater." Pablo war der erste, dem ich die Neuigkeit mitteilte, wenn man Anastasia nicht zählt.
Ich strich mir mit der Hand einmal durch das Gesicht.
Die Vorstellung, dass ich diese Worte an seinem Grab aussprechen musste, erschien mir immer noch nicht real. Wenn unser Leben so verlaufen würde, wie wir es uns ausmalen, dann hätte er mich jetzt in seine Arme gezogen, mir danach auf die Schulter geklopft und mich auf einen Drink eingeladen, aber statt dessen stehe ich hier und spreche mit einem kalten Granitstein.
"Und ich hab eine neue rechte Hand." Auch mit diesem Geständnis hatte ich lange genug gewartet, sodass es sich jetzt bereits wie ein Schuldeingeständnis anfühlte.
Ich hatte seine Position zwar nicht erneut belegt und würde das auch bis zum Ende meiner Tage nicht tun, doch die Stellung des SIC unterschied sich nicht stark von der des Cape, auch wenn dieser eine besondere Stellung in unseren Reihen genoss.
"Er ist Russe und ich weiß was du jetzt denkst..."
Ich stoppte und ließ ein kurzes Grinsen über meine Lippen kommen.
"...meine Frau hat mich weich gemacht."
Wie sonst könnte man sich erklären, dass ich einen aus dem verfeindeten Lager in meine Reihen aufnehme. Nicht nur aufnehme, sondern sogar zu meinem Stellvertreter mache.
Ich konnte Pablos Lachen sogar aus dem Himmel hören.
"Und du hast recht, das hat sie. Sie und dein Tod haben mich verändern."
Das Lächeln verschwand von meinen Lippen und ich verzog automatisch meine Miene, als die Bilder seines Todes vor meinen Augen auftauchten.
"Nachdem du mich hier gelassen hast, dachte ich nicht, dass ich es nochmal schaffen würde aufzustehen, mich aufzuraffen und eine Mafia führen."
Ich richtete die Blumen auf seinem Grab und holte ein paar der verwelkten Blätter heraus.
"Doch die Frau, von der du beim ersten Treffen sagtest, dass sie mein Schicksal sein würde, ergriff meine Hand und richtete mich wieder auf. Ohne sie wäre ich jetzt immer noch verloren. Sie war die einzige Medizin, die gegen meinen Schmerz geholfen hatte und die meine Wunden heilen konnte. Und dann passierte mit Vlad das selbe wie . Er wurde vor meinen Augen angeschossen und ich durchlebte nochmal das selbe Szenario."

Ich richtete mich aus meiner Hochposition auf und trat einen Schritt zurück.
"Ich hab es mir nicht anmerken lassen, doch als er angeschossen wurde, packte mich die Angst. Nicht nur weil er Anastasias bester Freund war, sondern auch weil ich es nicht ertragen könnte einen weiteren Berater zu verlieren."

Meine Lungen füllten sich nach einem tiefen Atemzug mit Luft und ich entspannte mich etwas.
Er fehlt mir.
Die belanglose Gespräche, die wir früher bis spät in die Nacht geführt haben und in welchen ich meine harte Schale für ein paar Stunden fallen lassen konnte, vermiss ich jeden Tag.

Ich berührte seinen kalten Stein als Abschied und drehte mich dann zu meiner Frau um.
Sie stand immer noch ruhig an der Stelle, ein paar Meter von mir entfernt.
"Bereit?" Ihre süße Stimme heilte sofort die Wunden, welche ich leicht durch mein Gespräch mit ihm, aufgerissen hatte.

"Komm Amore, lass uns nach Hause."







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