Kapitel XXXII

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Die Umgebung drehte sich leicht und ich stützte meinen Kopf mit einer Hand, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
"Ruf Giovanni, er soll sofort herkommen." Ich konnte nicht sehen, an wen Dante seine Befehle richtete, es war mir gerade auch nicht wichtig. Meine Augen fokussierte ich auf eine bestimmte Stelle an der Wand, damit ich vor Schwindelgefühl nicht umkippte.

Ohne ein weiteres Wort an die Gäste oder seine Familie zu richten, hob Dante mich hoch und schritt mit mir auf dem Arm aus dem Raum. Meine Kraft zielte ich ausschließlich auf meine Selbstbeherrschung ab das Bewusstsein nicht zu verlieren, weshalb ich auch nicht gegen Dantes Maßnahme, mich zu tragen, ankämpfte. Ganz im Gegenteil, ich klammerte mich fest an ihn und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Doch vor einer anderen Sache konnte ich mich nicht verstecken. Mir unbekannte Erinnerungen prallten ununterbrochen auf mich ein und ich schaffte es nicht sie festzuhalten. Wie bei einem Film, welchen man auf schneller Geschwindigkeit abspielte.
Wir kamen in unserem Zimmer an und Dante legte mich vorsichtig aufs Bett. Kurze Zeit danach rannten auch schon Giovanni und Ivan, gefolgt von Luca ins Zimmer.
"Wie geht es ihr?" Ivans Stimme war leicht herauszuhören, auch wenn mein Gehör sich immer noch weigerte alle Geräusche aufzunehmen.
"Luca sagte, sie hätte sich geschnitten?" Fragte Giovanni nach, bevor er neben mir auftauchte. Ich hatte die Augen geschlossen und versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu drängen.
Blut auf weißem Stoff, Menschen welche hektisch hin und her liefen, Dantes panische Augen die in meine sahen und mich anflehten ihn anzugucken.

"Der Schnitt ist nicht tief. Ich hab die Wunde gesäubert und verbunden, in ein paar Tagen ist alles wieder verheilt." Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie Giovanni sich um meinen Arm gekümmert hatte.
"Und wie erklärst du dir ihren Zustand? Sie ist wie in Trance!" Dante gefiel Giovannis Einschätzung meines Zustands nicht, es klang sogar so, als würde er ihm vorwerfen die Situation absichtlich zu verharmlosen.
"Ich schätze es wurde eine Erinnerungswelle ausgelöst. Es könnte der Schmerz durch den Schnitt oder ihr Blut sein, welches sie an den Schuss erinnerte. Die Erinnerungen prallen nun auf sie ein und ihr Gehirn versucht sie einzuordnen." Verteidigte sich Giovanni, auch wenn es mehr nach einer unsicheren Erklärung als einer überzeugten Meinung klang.
"Willst du nichts dagegen machen? Sie ist völlig weggetreten!" Die Stimme meines Mannes wurde nun lauter und fordernder.
Ich sollte mich vielleicht in das Gespräch einklinken und verhindern, dass er unseren Arzt gleich zusammen schlägt, doch ich fühlte mich viel zu kraftlos, um mich an einer Diskussion zu beteiligen.
"Ich wüsste nicht wie. Es gibt nichts, was denn Effekt beschleunigen oder abschwächen würde und selbst wenn, würde ich davon abraten. Sie hat gerade erst eine Kur von Schmerzmitteln hinter sich. Ihrem Körper jetzt noch mehr zu zumuten könnte alles nur noch schlimmer machen. Sie sollte sich jetzt ausruhen und versuchen zu schlafen und morgen früh könntet ihr beide gemeinsam versuchen die Erinnerungen an den richtigen Platz zu packen." Nach dieser Empfehlung von Giovanni herrschte erstmal stille, bis kurze Zeit später mehrere Schritte zu hören waren, gefolgt von dem Klang einer schließenden Tür.

Die Matratze gab auf Dantes Seite des Bettes etwas nach und bevor ich seine Gegenwart spüren konnte, roch ich schon seinen herrlichen Duft. Es war eine Mischung aus seinem Parfum und dem Duschgel, welches er immer verwendete, etwas Tonkabohne, Vanille und Sandelholz.
Gefühlvoll umfasste mich eines seiner Arme und zog mich auf seine harte Brust. Ich spürte den Stoff seines Hemdes an meiner Wange und kuschelte mich näher an ihn, während er mit einer Hand durch mein Haar strich. Diese rhythmische und liebevoll Bewegung brachte meinen Körper und Geist dazu sich zu entspannen und das Kribbeln einfach zu genießen. Schweigend lagen wir zusammen im Bett und er hielt mich im Arm.
Ich war immer noch wütend auf ihn und eigentlich hatte er eine so schnelle Verschönung nicht verdient, doch ich war es einfach Leid.
Leid mich mit ihm zu streiten, wenn wir eigentlich auf einer Seite stehen sollten.
Leid ständig so zu tun, als wenn ich ohne ihn weiter machen könnte.
Leid so zu tun, als wenn mir das alles nichts ausmachen würde.
Ich hatte immer noch meine Augen geschlossen und versuchte so wieder Herr meines Geistes zu werden, doch so ganz klappte es nicht. Mein Gehirn führte mich immer wieder zu den Bildern zurück, wie bei einem Ohrwurm, den man vertreiben will, dann aber trotzdem leise die Melody summt.
Also entschied ich mich Giovannis Rat nicht auf morgen zu verschieben, sondern die Bilder heute noch einzuordnen, doch dazu musste ich erstmal die Sache zwischen mir und Dante klären, denn auch wenn ich mittlerweile bereit war die Sache zu vergessen, so wollte ich sie nicht einfach herunterschlucken. Er soll wissen wie ich mich gefühlt hatte und es immer noch tat.
"Dante?" Ohne ihn anzusehen, oder meine Augen zu öffnen startete ich das Gespräch.
Mein Mann brummte bloß ein leises "Ja" und verwöhnte weiterhin meine Kopfhaut und meinen Rücken mit seinen Streicheleinheiten.
"Deine Worte haben mich verletzt" schaffte ich es endlich zum Punkt unseres Konfliktes zu kommen. Das hätte ich schon vor Tagen machen sollen, aber manchmal war ich einfach zu stur, um Dinge direkt anzusprechen.
"Ich weiß, mia cara!" Er küsste meinen Scheitel, sagte aber sonst nichts weiter.
Stille breitete sich zwischen uns aus und ich dachte bereits, dass er eingeschlafen war, bis er dann doch das Schweigen brach.

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