Kapitel XIX

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Hatte sie gerade Fabio gesagt? Was wollte er hier?
"Der hat mir gerade noch gefehlt!" Dantes Laune war ohne die Anwesenheit seines Cousins bereits angespannt, doch nun spuckte er die Worte förmlich angewidert heraus.
"Was kann er wollen?" Zum ersten mal hörte ich die Stimme von Marco, welcher sich heute in den Gesprächen untypischerweise zurückgehalten hatte. "Egal was es ist, sag ihm, dass ich keine Zeit habe!" Diese Anweisung richtete Dante wahrscheinlich wieder an Amelia.
Da ich immer noch hinter der Wand neben dem Türrahmen stand, konnte ich dem Gespräch nur mit den Ohren folgen und musste den Rest erraten.
"Nein, das wirst du nicht!" Letizia sprach in einem harten Befehlston und ich verstand endlich, woher Dante diese Fähigkeit her hatte. Diese Frau kommandiert sogar ihre Familie wie ein General herum. Sergios Auftreten und seine Stimmlage wirkten oft ebenfalls autoritär, doch diese Bedrohlichkeit im Unterton hatte Dante zu hundert Prozent von seiner Großmutter.
"Du wirst mit ihm reden! Er ist dein Cousin und ist zu dir gekommen. Als Don musst du jedem zuhören und besonders wenn es deine Familie ist!"
Nach ihrer Ansprache herrschte erstmal Stille und ich machte mich darauf gefasst, dass mein Mann gleich explodiert.
Doch entgegen meiner Erwartung blieb es ruhig.

"Führ ihn in mein Büro, ich komme gleich!" Hatte er gerade ohne weitere Diskussion nachgegeben? Was macht diese Frau mit meinem Mann? Ich sollte mir diesen Ton für unsere Streitigkeiten merken.
"Ich komm mit." Diese Stimme ordnete ich Lorenzo zu, welcher wie immer distanziert und kühl klang. Es war immer noch schwer für mich vorstellbar, dass dieser Mann verliebt war und sogar vor hatte zu heiraten.
"Wir alle kommen mit!" Diesmal äußerte sich Luca. Ich wusste nicht, ob er Fabio ebenfalls nicht leiden konnte und deshalb mitgehen wollte, oder ob er Dante und Lorenzo nicht alleine lassen wollte, angesichts der angespannte Stimmung zwischen den beiden.
Dank meiner beschäftigten Gedanken bemerkte ich erste sehr spät, dass Schritte zuhören waren. Panisch hielt ich die Luft an und schloss meine Augen fest.
Plötzlich zog mich jemand zurück und drückte mich in eine Nische des angrenzenden Flurs.
Mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt atmete ich schmerzhaft aus. Diese ruckartige Drehung und das Ziehen in eine andere Richtung hatten die Grenzen meiner Schmerzmittel überschritten und mich meine Wunde erneut spüren lassen. Da ich jedoch meine Maske nicht verlieren wollte, hielt ich meine Miene maximal schmerzfrei.
Ich hielt meine Augen immer noch geschlossen und zögerte damit den Moment der Erkenntnis meiner Situation noch etwas weiter hinaus.
Die Logik dahinter war dumm, aber so lange ich die Augen zu hatte, so lange wurde ich auch noch nicht erwischt.

"Das war knapp." Moment, mit dieser Stimme hatte ich nicht gerechnet.
Ich riss die Augen auf und sah meine Schwägerin vor mir stehen.
"Gott Isabella. Du hast mich zu Tode erschrocken!" Bei ihrem Anblick vergaß ich alle meine Schmerzen und schnaufte einmal dankbar auf.
"Wäre es dir lieber, wenn man dich erwischt hätte?" Allein bei der Vorstellung lief es mir kalt den Rücken herunter.
"Natürlich nicht." Ich weiß nicht was schlimmer gewesen wäre, wenn Dante mich gesehen hätte, oder wenn seine Großmutter mich erwischt hätte. Besser, wenn ich es niemals herausfinde.

Gemeinsam schlichen wir zurück in die Küche und wurden dort schon von Chiara und Valeria erwartet, welche die Pasta mit einer selbstgemachten Tomatensauce anrichteten. Ich setze mich zurück auf meinen Stuhl, jedoch kreisten meine Gedanken über dem Büro meines Mannes. Ich konnte mir nicht erklären, wieso Fabio Dante sprechen wollte. Die beiden konnten sich auf den Tod nicht leiden und auch wenn Dante sein neuer Don war und damit das Familienoberhaupt, so glaubte ich kaum, dass Fabio mit einem solchen Anliegen zu ihm kam. Ich könnte wetten, dass sich hinter seinem Besuch noch etwas anderes verbarg.
"Anastasia, Liebes. Lass uns zum Tisch gehen." Valeria trat an mich heran und riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah gerade noch, wie Caroline und Amelia die letzten Teller aus der Küche trugen.
Nickend stand ich vorsichtig auf und ging neben Valeria ins Esszimmer, in welchem der Tisch bereits fertig gedeckt war.
Wie die Frau des Hauses saß die Mutter von Sergio am Kopfende des Tisches und sah uns auffordernd an.
"Setzt euch. Ich habe entschieden, dass wir nicht auf die Männer warten werden, sondern als Frauen zusammen zu Abend essen."
Ich ging zu dem Stuhl mit dem größten Abstand zum Kopfende hin und wollte ihn gerade herausziehen, als ich aufgehalten wurde.
"Als Frau des Dons hast du zu meiner Rechten zu sitzen." Letizia deutete auf Dantes Stuhl hin und sah abwartend an.
Ich nahm meine Hand von der Stuhllehne meiner ersten Wahl und ging mit langsamen Schritten zu dem mir zugewiesenen Platz.
"Leonora!"
Als dieser Name über ihre Lippen kam stolperte ich fast über meine eigenen Beine. Wenn dieser Raum meine Hölle war, dann würde ich gerne wissen für welche Sünden ich hier gelandet war.
Still schweigend setzte ich mich auf meinen Stuhl und sah mich einmal im Zimmer um. Links von mir saß die Eiskönigen, hinter ihr an der Wand stand Amelia und wartete auf Anweisungen. Eine Sekunde später kam Leonora herein und ging sofort zum Tisch herüber.
"Letizia, wie schön sie zu sehen. Ich hoffe es geht ihnen gut." Sie ging zu Sergios Mutter herüber und diese stand sofort auf. "Ich freu mich auch dich zu sehen. Wie geht es deinen Eltern? Sind sie von ihrem Urlaub aus Monaco wieder zurück?"
Ich konnte meinen Augen nicht glauben. Die alte Seniora nahm Leonora in den Arm und drückte sie fest. Nun verstand ich auch ihre Abneigung gegen mich. Ich war nicht ihre Favoritin gewesen, denn diese präsentierte sie uns allein gerade ausgiebig.
"Ja sie sind bereits zurück und übermitteln ihnen liebe Grüße."
Meine Augen brauchten eine Pause von dem Schauspiel, weshalb ich den Blick auf die anderen richtete. Valeria saß mir gegenüber und sah mich liebevoll an. Sie konnte mir ansehen, wie unangenehm diese Situation für mich war und versuchte mich mit einem Lächeln zu unterstützen. Isabell hatte den Stuhl neben mir gewählt und saß zu meiner rechten, auf dem Platz, auf welchem für gewöhnlich ich immer saß. Chiara hingegen hatte sich noch nicht entschieden. Sie lehnte sich gegen einen der hinteren Stuhllehnen und wartete wahrscheinlich darauf, dass Leonora den Raum verließ und sie sich neben ihre Mutter setzten konnte.
"Mama, wollen wir dann beginnen?" Ich fand es süß, dass Valeria Letizia mit Mama ansprach, auch wenn diese Frau eine solche Tochter in keiner Weise verdiente.
Meine Hand griff nach dem Wasserglas zu meiner rechten und ich führte es an meine Lippen, um eine kleine Erfrischung zu erhalten.

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