Kapitel LIII

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Dante

Die Sonne weckte mich am nächsten Morgen aus meinem Schlaf. Das Erste, was meine Augen suchten, nachdem ich meine Lider aufschlugen, war ihr Gesicht. Sie lag zu mir gewandt auf ihrer Seite des Bettes und hatte ihre Hand auf meiner Brust abgelegt.
In der Morgenstille lauschte ich ihrer ruhigen Atmung und versuchte die Sorgen vom Vortag aus meinem Verstand zu verbannen.
Ich wusste, dass wir eine anstrengende Zeit haben werden, bis ich alle unsere Probleme gelöst und unsere Feinde ausgemacht hatte, doch , dass man uns nicht einmal einen ruhigen Tag gönnt, hatte ich nicht erwartet.
Ich hatte immer noch das Bild ihres leblosen Körper vor Augen, als sie während der Fahrt kollabierte. Bei diesen Anblick brannten mir alle meine Sicherungen durch. Mein Körper schaltete auf Autopilot, auch wenn die Zeit um mich herum wie in Zeitlupe verstrich. Mit stehengebliebenem Herzschlag holte ich sie aus dem Fahrzeug heraus und trug sie ins innere des Hauses. Dabei blendete ich alle äußeren Geräusche aus und fokussierte mich nur auf meine Frau.

Nachdem ich sie in unser Zimmer gebracht hatte und Giovanni ihren Zustand stabilisieren konnte, verließ ich ihre Seite nicht für eine Sekunde. Erst als er mir Entwarnung gab, konnte ich wieder atmen. Das Mittel war neutralisiert und sie würde die Wirkung einfach ausschlafen und das tat sie auch. Anastasia schlief die ganze Nacht und den ganzen darauffolgenden Tag. Giovanni sah einmal stündlich nach ihr und auch meine Mutter und Chiara kamen immer wieder vorbei, um nach ihrem Zustand zu fragen. Sogar meine Großmutter beehrte uns mit einem Besuch, wenn auch nur kurz.
Ich hatte in der Zwischenzeit auf dem Sessel neben unserem Bett platz genommen und koordinierte die Hexenjagd nach meinem Cousin übers Telefon.
Mein Blut peitschte vor Wut durch meine Adern und ich war bereit, Fabios Seele mit meinen bloßen Fäusten aus seinem Körper zu prügeln. Dieser Bastard hatte es wirklich gewagt meiner Frau zu schaden, als wenn seine früheren Taten nicht so schon sein Todesurteil unterschrieben hätten.
Und dieses Urteil werde ich vollstrecken, egal wann und wo. Er wird durch meine Hand den Tod finden.

Als meine Männer und auch Brüder keinen Erfolg bei der Suche nach Fabio gehabt hatten, ließ ich alle Flughäfen und den Hafen sperren. Wenn wir ihn nicht jetzt finden, dann zingeln wir ihn eben ein, bis wir es tun. Soll er sich für ein paar Tage wie eine Ratte verstecken, entkommen wird er mir sowieso nicht.
Ich beendete die Suche fürs erste und legte mich zu meiner Frau ins Bett, wo ich auch gleich einschlief.

Mittlerweile war es früh am Morgen und ich hoffte, dass der Sturm vorbei war.
Ich küsste meine Frau vorsichtig auf den Scheitel und stieg dann aus unserem Ehebett.
Meine Fuße trugen mich ins Badezimmer, wo ich mich von meiner Kleidung befreite und in die Dusche trat.
Das heiße Wasser aus dem Duschkopf beruhigte meine angespannten Muskeln und nahm mir auch den letzten Funken von Müdigkeit.
Als ich aus dem Badezimmer kam, lag Anastasia immer noch schlafend im Bett. Die Uhr an der Wand zeigte mir, dass es erst kurz nach sieben war, weshalb ich mich dazu entschied sie noch weiter schlafen zu lassen.
Ich war mit zwar sicher, dass das Medikament, welches Fabio ihr gespritzt hatte, schon längst ihren Körper verlassen hatte, doch brauchte sie jede Minute an Ruhe, welche sie bekommen konnte. In letzter Zeit hatte ihr Organismus viel einstecken müssen und Schlaf war die beste Medizin wieder Kraft zu schöpfen.

Nachdem ich mich angezogen hatte, verließ ich unser Schlafzimmer und ging direkt in mein Büro. Die Zeit, welche ich Fabio zum verstecken gegeben hatte, war mit dem Aufgang der Sonne verstrichen, sodass die Jagd wieder eröffnet war.
"Carolin, bring mir bitte einen Kaffee ins Büro." Ich gab unserer Haushälterin meinen Wunsch telefonisch mit und setzte mich anschließend hinter meinen Schreibtisch. Ich öffnete eine Landkarte von Sizilien und zeichnete dort die Umgebungen ein, welche gestern bereits durchsucht worden, oder die aufgrund ihrer Lage für sein Versteck nicht in Frage kamen.
Dank Lorenzos Verlobung wusste auch jedes Mitglied in der Mafia, dass Fabio der Verräter war und gesucht wird. Seine Chancen auf Hilfe und Unterstützung fielen damit um weitere Prozente ab. Sogar sein eigener Vater hatte sich mittlerweile von ihm abgewandt, doch ich ließ die Familie meines Onkels dennoch von Christiano überwachen. Selbst wenn sie wirklich auf unserer Seite waren und ihrem eigenem Sohn den Rücken zukehrten, so könnte er immer noch bei ihnen auftauchen.

Das letzte Mal, als ich dem Stand meiner Brüder fragte, war es kurz nach Mitternacht. Riccardo war wie immer im Kontrollraum und delegierte die Suche von seinem Computer aus. Leonardo wurde von Marco und Luca abgelöst, welche mit Vlad weiter die Gegend absuchten.
Und Lorenzo? Der Spinner beruhigte immer noch seine hysterische Verlobte. Dieses Weibsbild hatte nicht mehr aufgehört sich zu beschweren, sodass er sie in sein Zimmer bringen musste, bevor ich explodierte.
Hätte Anastasia nicht bewusstlos in meinen Armen gelegen, dann hätte sich diese verzogene Göre so einiges von mir anhören müssen, doch ich war in dem Moment zu sehr mit meiner eigenen Frau beschäftigt, als dass ich mich um die meines Bruders hätte kümmern können.

Ein Klopfen erklang und ich hob meinen Blick von dem Computerbildschirm. "Herein!"
Eine Sekunde später trat Caroline mit einem Tablet herein.
"Senior, ihr Kaffee." Nickend gab ich ihr die Erlaubnis näher zutreten und die Tasse auf meinem Tisch abzustellen.
"Senior, Giovanni ist gerade angekommen. Soll ich ihn herein bitten?"
Bei dem Namen unseres Arztes wurde ich hellhörig. Er war gestern Abend mit einer Blutprobe von Anastasia zurück in sein Labor gefahren, um es auf Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Fabio sagte zwar, dass es sich bei dem Mittel um ein Anästhetikum handelte, doch wollten wir sicher sein, dass es keine versteckte Wirkung beinhaltete.
Seine frühe Ankunft machte mich jedoch nervös. Ich glaubte nicht, dass er mich ohne Nachrichten zuhaben so schnell und dann auch noch privat informieren würde. Das bedeutete, dass er etwas in ihrem Blut gefunden hatte.

Ich nickte Caroline zu, da ich zu angespannt war, um ihr eine wörtliche Antwort zu geben. Meine Hände ballten sich zu Fäusten und meine kurz niedergebrannte Wut auf Fabio entflammte erneut zu einem großen Leuchtfeuer. Ich schwöre bei meinem Namen, wenn sie irgendwelche bleibenden Schäden, oder eine Krankheit davon trägt, dann brenn ich den Boden auf dem diese Ratte geht in einem Höllenfeuer nieder.
Unsere Hausdame verließ schweigend mein Büro und machte ihren Platz frei für Giovanni.
"Senior, guten Morgen." Giovanni kam herein und schloss die Tür hinter sich. Ich ignorierte seine Begrüßung und konzentrierte mich auf die Information, mit welcher er herkommen war.
Meine Augen versuchten anhand seiner Mimik die Richtung unserer Gespräches vorauszusehen, doch sein Gesichtsausdruck war vollkommen neutral.
Nichts ließ darauf schließen, wie schlimm die Neuigkeit sein würde.
Dieser Erkenntnis spannte mich nur noch mehr und ich musste mich zusammenreißen, um meinen Bürotisch nicht an die Wand zu werfen.
Bevor er etwas sagen konnte, ergriff ich das Wort.
"Wie schlimm? Sind die Nachwirkungen dauerhaft?" Ich entschied mich dazu, gleich zum schweren Teil der Unterhaltung zu kommen. Seinen medizinischen Kauderwelsch kann er sich für seine Assistenzärzte aufheben.
Da Giovanni meine Art und Ungeduld bereits kannte, kam er gleich zum Punkt.
"Ja Senior, es ist dauerhaft. Ich würde sogar lebenslänglich sagen."

Ich schluckte.
Meine Fäuste verkrampften sich weiter und ich konnte bereits meine Fingernägel in meiner Handinnenfläche spüren. Mein Puls raste und das Pochen war in meinen Ohren zuhören.
Es war schwer für mich die aufkommenden Gefühle unter Kontrolle zu halten, doch es gelang mir.
Der Gedanke daran, dass egal was es ist, wir es schaffen werden, half mir dabei die Fassung nicht zu verlieren. Solange Anastasia atmet, solange ihr Herz schlägt, werde ich atmen und wird mein Herz schlagen.
Nachdem ich meinen Herzfrequenz durch positive Gedanken beruhigt hatte, schaffte ich es endlich die Frage zustellen, welche schweigend im Raum stand.
"Was ist es?"
Ich beobachtete Giovannis Gesichtszüge aufmerksam, doch keiner seiner Muskeln regte sich. Der Mann war bekannt für sein Pokerface, was mit Sicherheit seinem Beruf zu verdanken war.
Nach ein paar Sekunden, welche mir wie Stunden vorkamen, gab der Arzt mir schließlich die Antwort.

Meine Ohren wollten sich verstecken, sich in Luft auflösen. Das scharfe Gehört, auf das ich früher so stolz war, sollte taub werden, damit ich die nächsten Worte nicht hörte, sie nicht verstand. Ich wollte laufen, meine Beine sollten mich so weit wie möglich von ihr wegbringen, damit die Welt noch für ein paar weitere Augenblicke so war wie vorher.
Ich schloss meine Augen und machte mich auf die Antwort gefasst.
Ich atmete einmal ein und hielt die Luft in den Lungen fest, als könnte ich damit irgendetwas bewirken.
Und dann war es soweit, Giovannis Stimme erklang.

"Sie ist schwanger."
Gott, wie soll ich es ihr nur sagen...
Moment mal, was?

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