Kapitel XXII

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Bevor ich an der Treppe ankam, blieb ich stehen. Zur optimalen Vollkommenheit meines Outfits fehlte mir noch eine Kleinigkeit.
Leise schlich ich zur Tür von Dantes und meinem Schlafzimmer. Es war mittlerweile kurz vor Zehn, weshalb ich nicht davon ausging, dass er noch im Zimmer war, aber wer wusste das schon so genau. Der Kerl tat in letzter Zeit ausschließlich Dinge, die ich ihm nicht zugetraut hatte.
Ich lauschte an der Tür und als ich keine Geräusche wahrnahm, riskierte ich es, die Tür zu öffnen.
Wie erwartet war das Zimmer leer. Das Bett war gemacht, als hätte niemand dort drin geschlafen. Wahrscheinlich kam Amelia und Leonora heute in aller Frühe her und stritten sich darum, wer das Bett machen darf, jetzt wo ich nicht da war.
Ich ging zu meiner Schmuckschatule herüber und holte den Familienring heraus, welchen Sergio mir bei der Hochzeit geschenkt hatte. Ich steckte ihn an meinen rechten Zeigefinger, wie Dantes es mir damals zeigte.
Kurz bevor ich gehen wollte, fiel mein Blick auf meinen Nachtisch. Ich hatte ganz vergessen, dass ich Mamas Parfum dort abgestellt hatte.
Ich griff nach der eleganten Falsche und roch daran. Der Sprükopf gab immer noch etwas von dem süßen Duft wieder und ich verteilte ihn auf meinem Handgelenk.
Meine kleine Geheimwaffe, sollte mein Selbstbewusstsein über Tag hinweg schwinden.
Ich stellte die Flasche zurück und ging die Treppe hinunter ins Erdgeschoss des Hauses.
Zum Glück war mir noch niemand begegnet, was den Überraschungseffekt meines Auftretens für alle auf einen bestimmten Moment legen wird.
Und den bestimme ich.

Meine Absätze klackerten über den Marmorboden, was meinem Gang einen Hauch von Catwalk verlieh.
Sobald ich das Esszimmer betrat lagen fast alle Augen auf mir. Nur Dante, Luca und Lorenzo sahen mich noch nicht kommen, da sie mit dem Rücken zur Tür saßen.
"Heilige Scheiße, Schwägerin! Willst du mir schon am frühen Morgen einen Herzinfarkt verpassen?" Marco sah mich mit aufgerissenen Augen an, während er sich theatralisch die Hand auf sein Herz legte.
Die anderen waren absolut still und sahen mich mit offenem Mund an. Außer Valeria, diese grinste wissentlich und zwinkerte mir anerkennend zu.
Das Zwang Luca und Lorenzo dazu, sich ebenfalls umzudrehen, aber ich ignorierte ihre Blicke.
Elegant, aber zügig ging ich zu meinem Platz herüber, blieb aber hinter dem Stuhl stehen. Ich griff nach der Kaffeekanne und schenkte mir etwas in die Tasse ein.
"Kind, willst du dich nicht setzten?" Ich sah zu Sergio herüber, welcher mich verwirrt musterte.
"Nein danke Papa, ich hab keine Zeit fürs Frühstück."
Ich führte die Tasse an meinen Mund und nahm einen Schluck von dem warmen Muntermacher. Dabei behielt ich den Blick auf Dantes Hinterkopf gerichtet, welches sich immer noch nicht zu mir umgedreht hat. Sergios Gesichtsausdruck erhellte bei dem Wort Papa und seine Züge wurden noch weicher.
"Nichts kann so wichtig sein, dass man das gemeinsame Frühstück mit der Familie ausfallen lässt!" Ertönte es nun verurteilend von der anderen Seite des Tisches.
"Oh doch Omi, die gibt es!"
Letizia verschluckte sich an ihrem Kaffee, als ich sie vor allen Anwesenden Omi nannte. Entsetzt sah sie mich an, aber dann fiel ihr Blick auf meine Hand, mit welcher ich die Tasse hielt. Ja ganz richtig, ich trage den Familienring.
Die Frau hat noch keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hat. Sie wollte in mir eine russische Mafiaprinzessin sehen, bitte sehr.
Marco unterdrückte ein Lachen, wenn auch erfolglos.
Die anderen starten mich immer noch mit offenem Mund an. Naja fast alle. Lorenzo warf mir mal wieder nur finstere Blick zu.

Ich wollte mit meiner Tasse gerade den Raum verlassen, als mir noch etwas anfiel. "Ah bevor ich es vergesse." Ich drehte mich wieder zum Tisch um und sah in die Runde. "Ich brauch einen der Autos. Wenn ihr nichts dagegen habt, dann such ich mir eines in der Garage aus." Ich wartete auf eine Reaktion, doch es sah so aus, als wenn die meisten ihren Schock von meinem Auftritt noch nicht überwunden hatten. "Natürlich, nimm dir den, der dir gefällt. Aber bist du sicher, dass du das Haus schon verlassen solltest? Ich meine du bist erst vor ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Du solltest es langsam angehen." Sergio versuchte sein Anliegen so vorsichtig wie möglich zu formulieren, aber ich sah, wie schwer es im fiel. Mein Blick wanderte zu meinem Mann, welcher immer noch mit dem Rücken zu mir saß. Ich konnte von meiner Position aus nicht viel erkennen, aber die Tatsache, dass er seine Gabe fest in der Hand zusammendrückte, konnte er nicht mit seinem Körper vor mir verbergen. Das Metall der Gabel gab leicht nach und sie verbog sich etwas in eine Richtung.
"Danke für deine Sorge Papa, aber ich fühle mich hervorragend." Sergios Miene zuckte wieder, da ich ihn erneut Papa nannte. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und ich war mir sicher, dass ich ihn bereits um den Finger gewickelt hatte. Fehlen noch die anderen.
"Aber wenn es dir damit besser geht, dann kann mich jemand gerne begleiten. Hat einer von euch Lust?"
Beim zweiten Satz sah ich den Jungs einmal in die Augen und setzte mein gefährlichstes Grinsen auf. Leonardo und Marco schluckten das, was auch immer sich in ihrem Mund gerade angesammelt hatte herunter und versuchten beide gleichzeitig schnell aufzustehen.
Da sie so nah bei einander saßen, blockierten sie sich dabei und fielen wieder auf ihre Stühle zurück. Dies hielt sie nicht davon ab, es nochmal zu versuchen.

Für diese Aktion komm ich in die Hölle. Wissend und willentlich mit den Brüder meines Mannes zu flirten, wird noch ein großes Nachspiel haben, aber ich konnte mich einfach nicht zurückhalten. Die Welle auf welcher ich gerade surfte bracht mich in gefährliche Gewässer, doch genau dort wollte ich jetzt sein.
Ab jetzt bin ich die Gefahr und nicht mehr in Gefahr.
Luca sah seine Brüder genervt an und seufzte kopfschüttelnd.
"Ich bin heute frei." Er drehte sich auf seinem Stuhl halb zu mir um und sah mich neugierig an.
"Wo soll es denn hingehen, Boss?"
Sein Blick musterte mich aufmerksam und mein Ego schwoll bei seiner neuen Bezeichnung für mich nur noch weiter an.
Boss!
Ja daran könnte ich mich gewöhnen! Ich drehte mich zum gehen um und rief ihm noch grinsend meine Antwort zu.
"Schießstand!"
Gerade als ich aus dem Esszimmer ging hörte ich ein lautes Geräusch. Es klang so, als hätte jemand auf den Tisch geschlagen. Ich musste mich hin umdrehen, um zu wissen, dass es Dante war. Ich ignorierte den Wutausbruch meines Mannes und hörte, wie mich Schritte einholten.
"Du spielst ein gefährliches Spiel. Der Arme hat gerade fast den Tisch in zwei geteilt."
Oh das hatte ich nicht überhört, doch es interessierte mich nicht mehr. Nicht was er tat, oder fühlte. Nun waren mir nur noch meine Gefühle wichtig.
Er hat sich diese Situation selbst zuzuschreiben. Wenn jemand für mein neues Image verantwortlich ist, dann er.
Aber auf der anderen Seite musste ich ihm dankbar dafür sein. Wenn Dante gestern nicht so ausgeflippt wäre, wer weiß wie lange ich gebraucht hätte, um aufzuwachen und zu meiner alten Form zurück zu finden.

Wir gingen schweigend zur Garage und ich dachte weiter über meine weiteren Pläne nach. Nachdem ich auf dem Schießstand meine Wut an den Scheiben und nachgestellten Personen ausgelassen habe, werde ich mich mit der Geschäftsstruktur der Martinellis vertraut machen. Meine Kenntnisse waren nach sechs Monaten immer noch nicht so tief wie ich es gerne hätte. Während der kurzen Zeit, als ich nach Pablos Tod für Dante die Papiere abgewickelt hatte, reichte nicht aus, um einen kompletten Überblick zu erhalten.
Wir betraten die Garage und ich ging sofort zu einem schwarzen Sportwagen herüber.
"Anastasia? Bist du sicher?"
Meine Augen hafteten auf dem Mustang und ich nickte Luca einmal zu.
Er holte den Schlüssel von der Wand und warf ihn mir zu.
Oh ja, das wird eine heiße Fahrt.
Ich stieg ein und steckte den Schlüssel ein, schnallte mich an und wartete darauf, dass Luca es sich gemütlich machte.
Der Motor heulte auf und ich legte den ersten Gang ein.
Mit einem letzten Blick sah ich zu Luca und grinste in teuflisch an, bevor ich das Gaspedal durchdrückte.

"Fuck!" schrie er, als ich die Einfahrt runter bretterte.

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