Kapitel XLIV

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"Ich bekam eine SMS, in welcher stand, dass ich eine Nummer anrufen soll. Nach der zweiten Runde des Anwärterabends wählte ich die Nummer und bekam meine Anweisungen für den Gefallen, welchen Li einlösen wollte. Sie gaben mir eine Adresse und sagten, dass meine Schuld zu bezahlen muss."
Dante stand nun hinter mir und hatte seine Hände auf der Sofalehne, neben meinem Kopf, abgestützt. Seine Nähe und auch die Art und Weise, wie er sich hinter mir Positionierte, spannten mich an und ließen mich in meiner Erzählung pausieren.
Ich konnte hören, wie Dante das Leder unter seinen Finger fest zusammen griff und es zum Quietschen brachte. Ich schluckte stark und versuchte meine Nervosität zu kontrollieren, ehe ich mit dem Hauptteil der Geschichte los legen würde.
Nach einigen Minuten hatte ich meine Fassung wieder erlangt und fuhr weiter fort.

"Sie schickten mich zu einer Lagerhalle, in welcher ich meinen Auftrag ausführen sollte. Als ich dort ankam stand ein Stuhl in der Mitte des Raumes. Hiroto saß da drauf, gefesselt, rechts und links von ihm standen Männer von Li. Kurze Zeit später betrat der Boss der Triade den Raum und befahl einem seiner Männer mir die Waffe zu geben, mit welcher ich Hiroto erschließen sollte." Mit jedem Wort kam ich der Szene näher und es gab keine Stelle mehr auf meiner Haut, welche frei von Gänsehaut war. Ich musste es jetzt einfach sagen, die Last von meinen Schultern nehmen und es aussprechen.
"Ich nahm die Waffe und zielte auf Hiroto, danach schoss ich. Ich traf ihn in der Brust und das Blut strömte aus seinem Körper. Er hechelte, stöhnte und versuchte nach Luft zu schnappen, doch das Loch in seinem Oberkörper hinderte ihn daran." Ich beschrieb ihm jedes Detail seiner Verletzung und zeichnete ein gut vorstellbares Bild. Ich erzählte ihm, wie Hiroto sich quälte, wie er noch Minuten nach dem Schuss lebte und jede Sekunde seines Ableben spürte.
Nachdem ich mit diesen Einzelheiten fertig war kehrte wieder Stille ein.
Dante stand immer noch hinter mir. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen und ihn anzusehen. Ich könnte es nicht ertragen seinen Gesichtsausdruck zu sehen, nicht wenn der Hass und die Wut darauf gegen mich gerichtete waren.

Es vergingen noch ein paar Minuten, bis sich einer von uns regte und diesmal war es nicht ich.
Dante stieß sich von dem Sofa ab und kam in mein Blickfeld. Er ging langsam zur Mitte des Wohnzimmers und drehte sich langsam zu mir um. Seine Miene war emotionslos, aber nicht kalt, eher gelangweilt. Wieso zum Teufel sah er gelangweilt aus?
"Hast du Hunger?" Neutral, wie die Frage selbst, sagte er mir diesen Satz, einfach so ins Gesicht.
Sonst nichts.
Nichts über Hiroto, oder Li oder meinen Schuss. Er schrie mich nicht an und fragte nicht, wie ich das tun konnte. Anstelle fragte er mich, ob ich etwas essen wollte.
Wieso tobte er nicht? Wieso war er nicht wütend, nicht außer sich?
Ehe ich mich fangen konnte, verließ Dante den Raum und ging in das Zimmer hinter diesem. Ich hörte die Geräusche von aufeinander treffendem Metall und Holz.
Moment mal, wollte er jetzt kochen? Nach allem was ich ihm gerade gesagt hatte wollte er Essen machen?
Verwirrt und wütend stand ich auf und folgte den Geräuschen in die Küche. Dante stand vor der Kochinsel und suchte nach einem passenden Topf.
"Was machst du da?" Meine Stimme war laut, sehr laut, ich schrie. Ich war außer mir. Seine Ruhe und Gelassenheit brachte mich zum kochen, in einem anderen Sinn.

"Ich dachte an Pasta." Genauso ruhig wie sein Auftreten klang auch seine Stimme. Dieser Mann wieder mich umbringen. Vielleich war genau das sein Ziel. Er wird mich in den Wahnsinn treiben mit seinem Verhalten und sich so an mir rächen.
"Dante!" Ich versuchte seine Aufmerksamkeit von den Kochutensilien auf mich zu lenken, doch scheiterte ich kläglich.
Mein Mann sah mich nicht einmal an, statt dessen füllte er Wasser in den Kochtopf und stellte in auf den Herd.
Danach holte er Gemüse und Fleisch aus dem Kühlschrank und breitete alles auf der Insel aus. Mit einem Messer fing er an alles klein zu schneiden, ohne auch nur einmal in meine Richtung zu sehen.

Gerade als er nach einem weiteren Stück Lauch greifen wollte, kam ich ihm zuvor. Ich nahm das Stück Gemüse an mich und zwang ihn so, mich anzusehen.
"Willst du nichts sagen? Nichts tun? Ich hab dir gerade gesagt, dass ich Hiroto getötet habe. Ich! Hab! Ihn! Getötet!" Wieder schrie ich, doch meine Stimme schnitt nicht nur seine Ohren, sondern auch meine. Dies lag jedoch nicht an der Lautstärke, sondern an dem Inhalt.
Diesen Satz so deutlich auszusprechen war wie eine Bekleidung zu sagen. Ihm sie direkt an den Kopf zu werfen.

"Würdest du mir den Lauch bitte zurück geben."
Egal was ich sagte oder Tat, es brachte ihn nicht aus der Ruhe. Er schnippelte einfach ruhig weiter. Meine Gedanken waren so stark verwirrt, dass ich nicht einmal in der Lage war die Frage dahinter zu formulieren. Ich konnte jetzt nicht weiter mit ihm reden, nicht so, nicht wenn er einfach weiter so tat, als wäre nichts passiert. '
Gut, wenn er nicht reden will, dann kann ich den Versuch einer Konversation auch lassen.
Ich warf ihm den Lauch zu und rannte aus der Küche, direkt zur Haustür.
Ich musste hier raus. Die Wände fingen an mich zu erdrücken. Mein Geständnis, Dantes seltsame Reaktion, das alles war zu viel für mich. Ich konnte kaum atmen, weshalb ich an die frische Luft flüchten wollte.

Als ich die Türklinke herunterdrückte und zu mir zog, passierte nichts.
Ich versuchte es nochmal, doch auch dann klappte es nicht.
"Sie ist verschlossen!" Schrie Dante mir aus der Küche zu. Mein Blick flog zum Schlüsselloch, doch dort steckte kein Schlüssel.
Er hatte uns eingeschlossen.
Verdammt nochmal, ich war gefangen.

Panik stieg in mir auf. Was hatte das alles zu bedeuten?
Meine Atmung wurde schneller und meine Hand wanderte zu meiner Brust. Ich konnte meinen Herzschlag durch die Brust spüren und es raste ungesund schnell. Meine Lungen schafften es nicht rechtzeitig die Luft auszuatmen, welche ich durch meine Nase wieder einzog.
Das hyperventilieren raubte meinem Körper die letzte Kraft und ich sackte langsam zu Boden.
Eine Panikattacke, das war eine Panikattacke, dieser Gedanke trieb mir die Angst nur noch tiefer in die Knochen und bevor ich mich versah war ich nicht mehr im Flur der Holzhütte.

Ich war in keiner Hütte mehr, sondern in einer kleinen Zelle, einer Zelle mit Betonwänden.

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