Kapitel XCVII

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"Nachdem du aufgebrochen bist, war hier die Hölle los. Die Wachen fingen an unter einander zu streiten und es gab jegliche Kämpfe. Einige von ihnen blieben deinem Vater treu, selbst nachdem dieser nicht von seinem Geschäftstreffen zurückkam, weigerten sie sich die Situation zu akzeptieren. Sie waren fest davon überzeugt, dass er weiterhin der legitime Anführer der Mafia war. Die anderen hingegen lehnten sich auf. Sie warteten schon lang darauf, dass du den Thron übernimmst und sahen jetzt den perfekten Moment dafür. Deine Männer schafften es die Kontrolle über den Waffenraum zu bekommen und kontrollierten von dann das Anwesend. Ich schätze das ist auch der Grund, wieso dein Vater nicht zurück kam. Egal wie viele Männer er auch seiner Seite haben würde, er wäre nicht in der Lage die Kontrolle über das Haus zurück zu bekommen."
Wir saßen alle im Wohnzimmer und hörten der Erzählung von Timur zu. Vlad und Ivan saßen auf dem Sofa, zusammen mit Leonardo und Marco, während Luca, Lorenzo und ich vor ihnen standen. Wir alle hatten eine ähnliche Statur und bauten uns ausreichend dominant vor Timur auf. Er sah zwar nicht so aus, als bräuchte es viel, um ihm zum reden zu bringen, doch ich wollte auf Nummer sicher gehen. Auf diesem Stadium der Suche konnte ich es mir nicht leisten mit Lügen gefüttert zu werden.
"Und weiter?" Vlad drängte seinen Freund dazu weiter zu reden und uns auf den neusten Stand zu bringen, was hier seit Isabellas Entführung passiert war.
"Es war mitten in der Nacht, als die Hälfte der Männer das Haus verließ und aus Moskau wegfuhr. Ich glaube, dass Wasili sie zu sich geholt hatte, um einen Gegenangriff zu starten.
Da wir dich nicht erreichen konnten, mussten wir selbst eine Entscheidung treffen. Aus diesem Grund übernahm Peter die Führung und entschied sich dazu, alle Waffen und Unterlagen in Sicherheit zu bringen. Wir brachten alles wertvolle aus dem Haus und versteckten es im Landhaus, welches unter deinem Namen läuft. Ich war hier um die digitalen Spuren zu verschlüsseln und sie aus dem Netz zu werfen. Ich konnte sie komplett ausschließen und dafür sorgen, dass sie nicht mehr in unseren Server herein kommen."

"Und was ist mit meiner Frau? Was weißt du darüber?"
Ivan wurde hippelig und auch ich spannte mich an.
"Nicht viel. Es gab keine hundertprozentige Information, doch die Gerüchte unter den Männern sagte, dass es Wasili war. Er soll sie aus dem Land geschaffen haben und wird sie als Druckmittel gegen dich verwenden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich bei dir meldet und seine Forderungen äußert."
Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Diese ganze Reise war um sonst!
Wir konnten weder neue Informationen herausfinden, noch eine Spur über Isabellas Aufenthaltsort.
"Die Funkstill ist aufgehoben. Ruft an wen ihr wollt und klärt eure Angelegenheiten. In zwei Stunden fliegen wir zurück." Ich holte mein Handy heraus und wählte Riccardos Nummer. Es gab keinen Grund mehr, wieso wir hier sein sollten. Weder Isabella, noch Wasili waren in Moskau, geschweige denn im Land. Die Jungs hatten sein Arbeitszimmer und sein Schlafzimmer durchwühlt, doch es gab nicht viel zum durchsuchen. Bevor wir aufbrechen, werde ich Ivan sagen, dass er die Dokumente von seinen Männern einfordern soll. Wir nehmen sie mit nach Italien und suchen von dort weiter.
"Bruder? Ist alles gut?" Riccardos Stimme drang durch den Hörer und riss mich aus meinen Gedanken.
"Wir sind hier fertig und machen uns auf den Weg zurück. Sag den Piloten bescheid, sie sollen in zwei Stunden mit uns rechnen."
Es war kurz still und ich wollte schon auflegen, als Riccardo wieder anfing zu reden.
"Habt ihr was gefunden?" Seine Stimme klang vorsichtig, fast schon als hätte er Angst vor der Antwort.
"No, non ancora."(Nein, noch nicht.)
Es wurde wieder still und eine drückende Atmosphäre legte sich auf unser Telefonat.
Es war unglaublich schwer für mich laut auszusprechen, dass ich wieder versagt hatte. Ich konnte sie nicht finden und musste es auch noch meinem Bruder sagen. Ich dachte es in italienisch zu formulieren wäre leichter, doch so war es nicht.
"Wie geht es meiner Frau? Was macht sie?" Eigentlich wollte ich ihn nach ihrem Arzt besuch fragen, da meine Neugier darüber kaum auszuhalten war, jedoch hielt ich mich zurück. Ich wollte Anastasia nicht die Möglichkeit nehmen mir selbst davon zu erzählen. Nicht nachdem ich ihr schon die Neuigkeiten über die Schwangerschaft übergeben hatte. Es wäre nicht fair, wenn ich es wieder tun würde.
"Sie..ähm, es geht ihr gut. Ja gut, also sie hat keinen Kratzer, wenn es das ist, was du wissen wolltest. Ihr und dem Kind geht es gut. Ja gut."

Mein Körper spannte sich an und ich umfasste das Telefon fester. Mir gefiel ganz und gar nicht, wie er anfing zu stottern. Riccardo neigte dazu wie ein Wasserfall zu reden, wenn er log, oder versuchte etwas zu verheimlichen. Und die Tatsache, dass es diesmal meine Frau betraf, ließ meine Alarmglocken laut aufschreien.
"Sag es einfach!"
Ich benutzte meine dominante Stimmlage, um ihn davon abzuhalten weiter zu lügen und wie immer klappte es, er lenkte sofort ein.
"Bitte reg dich nicht auf, aber sie hat das Haus verlassen, um zum Arzt zugehen, weil dieser nicht kommen konnte. Sie hat Christiano und ihren Onkel mit genommen und ist mit weiteren vier Wachen losgefahren. Alles lief gut, doch als sie zurück fahren wollten, wurden sie von zwei Autos verfolgt. Christiano hatte die Situation komplett unter Kontrolle und sie Verstärkungen war in Minuten bei ihnen, doch Boris wurde angeschossen. Anastasia und er hatten sich in einer Kirche versteckt, bis unsere Männer sie abholen konnten. Aber alles geht es gut. Boris wird wieder und Dr. Stefano kam heute vorbei und hat Anastasia nochmal untersucht, nachdem Papa sie anrief und ihr drohte sie feuern zu lassen, wenn sie ihre Hausbesuche nicht macht. Es geht beiden gut!"
Schon als er sagte "bitte reg dich nicht auf" wusste ich, dass ich mich aufregen würde. Und wie ich das würde!!!
Sie hat was getan??!
Nachdem ich sie gewarnt hatte, sie angefleht hatte, sie sogar gebeten hatte es zu versprechen, ging sie dennoch aus dem Haus.
Tut diese Frau eigentlich immer was sie will?
Ich schwören, dass nächste mal sperre ich sie ein, oder noch besser, ich fessel sie ans Bett!!
Und ich werde im recht sein, dies zu tun!
Die Wut beherrschte mich und ich könnte schwören, dass mein Handy bald den Geist aufgeben würde, wenn ich es weiter so fest umfasse.
"Sag den Piloten eine Stunde!"
Ich konnte die Worte nur mit sehr viel Selbstbeherrschung über meine Lippen kriegen.
Nachdem Riccardo wiedergab, dass er verstanden hatte, legte ich auf.
Eigentlich wollte ich nach ihm Anastasia anrufen, doch ich würde ein Gespräch mit ihr jetzt nicht aushalten, besonders nicht übers Telefon.

"Macht euch fertig, wir fahren zum Flughafen!"
Die anderen müssen mein Gespräch mit Riccardo belauscht haben, denn sie standen ohne Widerworte auf und packten alles zusammen.
Ivan rief diesen Peter an, um die Unterlagen zu bekommen und wir vereinbarten ein Treffen auf dem Weg zum Flughafen.

"Diesmal fahr ich." Mein Schwager nahm die Autoschlüssel und ging zu einem der Jeeps herüber.
Die anderen teilten sich auf die beiden Autos auf und auch ich ging zu einem herüber.
Mein Blick flog zu Timur herüber, welcher verloren durch die gegen starrte, den Laptop immer noch an seine Brust gedrückt.
Dieser Junge war mehr als nur seltsam.
"Steig ein!"
Mit festem Blick fiksierte ich ihn. Er sah wirklich aus, als wäre er ein verlaufendes Hündchen, das sein Herrchen sucht.
"Ich?" Erschrocken sah er mich an. Vlad kam mir zur Hilfe und umfasste die Schulter seines Freundes und dirigierte ihn zum Wagen.
Ein Lächeln bildete sich auf Timurs Lippen und ich konnte deutlich erkennen, dass er sich darüber freute mit zukommen.

Ich verdrehte die Augen und stieg ein.
Meine Gedanken waren bereits Zuhause bei meiner Frau.
Oh Amore, du kannst was erwarten, wenn ich Heim komme!

Ace of Hearts IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt