Kapitel LXXXVI

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Meine Beine fingen an zu zittern.
Meine Neuronen weigerten sich immer noch die, gerade erhaltende, Information zu verarbeiten.
Meine Sicht verschwamm leicht und ich suchte nach einem Objekt, an dem ich mich festhalten konnte.

"Anastasia? Ist alles in Ordnung?"
Mein Onkel stand von seinem Sessel auf und stellte sich an meine Seite. "Es geht mir gut."
Ich umgriff seinen Arm, den er mir hinhielt und fand mein Gleichgewicht wieder. "Es ist nur ein kleiner Schwindelanfall, das soll normal sein."
Ich machte ein paar Atemübungen, damit genügend Sauerstoff in meinen Kreislauf kam.
"Kannst du mich in mein Zimmer bringen?" Ich hob den Blick und sah ihm in die Augen.

"Natürlich." Onkel Boris umfasste mich an der Taille und griff mit der anderen Hand nach meiner. Mit dieser Stütze schaffte ich es in den Flur.
"Soll ich deinen Mann holen?" Ich schüttelte den Kopf. Das letzte, was ich jetzt brauche ist einen hyperbeschützenden Ehemann der mir die Luft noch weiter abschnürt.
"Na gut."
Sein Blick war immer noch unsicher und ich wusste, dass er abwog, ob es nicht doch besser wäre Dante zu holen, doch zum Ende hin ließ er sich von mir überzeugen.

Gemeinsam gingen wir den Flur entlang und zum Glück war mein Zimmer nicht sehr weit weg.
"Soll ich einen Arzt holen?" Ich konnte die Sorge in seiner Stimme heraushören, schüttelte aber wieder den Kopf.
"Nein, ich werde ein bisschen schlafen und dann geht es mir wieder gut."
Ich war mir sicher, dass mein Zustand von seiner Erzählung herrührte und nicht von der Schwangerschaft. Dem Kind ging es sicher gut und wenn sich mein Schwindel nicht bald legt, dann würde ich Giovanni oder Dr. de Stefano anrufen. Doch bis dahin würde ich den Ball flach halten.
Boris öffnete die Tür und brachte mich zum Bett.
"Ruh dich aus. Ich sehe später nach dir." Er sah mich noch einmal aufmerksam an und ging dann aus dem Raum.
Mein Kopf lag auf dem Kissen und ich schloss die Augen.
Mit dieser Taktik versuchte ich das Drehen um mich herum auszublenden und wieder die Fassung zurück zu gewinnen.
Es war bereits mitten in der Nacht, so dass mein Körper nun anfing die Müdigkeit zu spüren.
Ich gab dem Verlangen nach Schlaf nach, auch wenn mein Verstand immer noch raste und die Gedanken mich überschwemmten. Ich versuchte alles auszublenden, doch ich dachte immer noch an das, was Boris mir erzählt hatte. Eine Träne entfloh erneut meinem Lid und rannte an meinem Gesicht entlang.
Er beauftragte einen Auftragskiller, um dich zu töten.

Diese Worte hatten sich in meinen Kopf gebrannt und ich konnte ihren Sinn immer noch schwer glauben.
Wie konnte ein Vater sowas tun? Wie konnte er sein eigens Kind töten? Mir war bewusst, dass ich nicht das Lieblingskind meines Vaters war, doch niemals hätte ich gedacht, dass er so weit gehen würde.
Jeder normale Vater würde für sein Kind töten! Doch mein Vater war nicht normal. Er war ein Monster mit einem menschlichen Gesicht und ich wünschte ich wäre nicht seine Tochter.
Ich wünschte Mama hätte mich und Ivan genommen und wäre mit uns ans andere Ende der Welt gezogen. Wir hätten uns in einer kleinen Ecke versteckt, vor ihm versteckt.
Und wir wären glücklich gewesen!

Vielleicht wären wir arm und müssten unser Brot auf harte Weise verdienen, aber wir wären frei. Und was viel wichtiger ist, wir wären zusammen.

Ich würde in einem kleinen Café kellnern und abends erschöpft nach Hause kommen. Unsere kleine Hütte würde nach frisch gebackenen Piroschki riechen, natürlich nach Mamas Rezept. Ivan hätte noch seine Tischlerhose von der Arbeit an und könnte es kaum erwarten, die erste Teigtasche zu probieren. Wir würden in einen geschwisterlichen Kampf verfallen und uns gegenseitig aus dem Weg stoßen, um als erster am Blech anzukommen.
Mutters helles Lachen würde den Raum erfüllen und ich würde irgendwann nachgeben, da ich erkannte, dass ein solcher Kampf aussichtslos war.
Doch ehe Ivan in die Teigtasche beißen könnte, würde er einen Schlag gegen den Hinterkopf von mir bekommen. Nur weil ich aufgab heiß das nicht, dass ich mich geschlagen gab.
Anschließend würden wir Geschichten von unserem Tag austauschen. Mit Sicherheit wären wir in einem anderen Land und müssten die Sprach erst erlernen. Vielleicht in einem spanisch sprachigen Raum, oder französisch? Es könnte auch meinetwegen eine asiatische Sprach sein, denn es war irrelevant. Egal welche wir wählen würden, Ivan hätte Probleme bei sie zu lernen. Mutter und ich würden ihn aufziehen und korrigieren, doch selbst dann würde er es nicht hinbekommen.

Ace of Hearts IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt