Kapitel LII

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War ja klar, dass das Gespräch eine solche Richtung annehmen würde. Worüber sollte sie auch sonst mit mir sprechen.
Wahrscheinlich wird sie mir jetzt sagen, dass meine Anwesenheit ihr ein Dorn im Auge ist und, dass ich sie und ihre Familie lang genug belästigt habe.

Innerlich bereitete ich mich auf ihre erniedrigenden Kommentare vor, während ich äußerlich den Schein warte.
Kein Muskel in meinem Gesicht zuckte.
Ich sah einfach weiter in die Ferne.

"Liebst du meinen Enkel?"
Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Perplex drehte ich mich zu ihr um und spielte ihre Worte noch einmal in meinem Kopf ab.
Was sag ich jetzt?
Wir antwortet man überhaupt auf so eine Frage, wenn sie von einer außenstehenden Person kommt?
Ging sie das überhaupt etwas an?

"Ja!" Kurz und knapp kam die Antwort über meine Lippen. Ich hatte mich dazu entschieden ehrlich zu sein. Was auch immer ihr Problem mit mir war, ich war mir sicher, dass sich die Antwort darauf in ihrer Frage versteckte.
"Und hast du ihn geliebt, als du ihn geheiratet hast?"
Ihre Stimme war immer noch ernst, doch ich konnte einen weichen Unterton heraushören.
Hatte ich das?
Meine Erinnerungen führten mich zurück an unseren Hochzeitstag, zu dem Schauspiel, welches er mich gezwungen hatte mit zuspielen. Damals tat ich so, als wäre das zwischen uns echt. Als hätten wir wirklich Gefühle für einander. Alles nur, um meine Sicherheit nicht zu gefährden.
Aber waren da bereits echte Gefühle?
Es war schwer für mich diese Frage ehrlich zu beantworten. Allgemein schien es so, als wenn alles was vor unserem gegenseitigen Liebesgeständnisses passierte, nur noch eine blasse Erinnerung im meinem Kopf war.
War das denn wichtig?
Wer sich wann verliebt hatte?

"Nein, war ich nicht!" Ich tendierte bei meiner Antwort mehr zu Nein, als zu Ja. Und wenn ich ehrlich war, dann war es sogar ein klares Nein. Zu der Zeit hatte ich viele Gefühle für Dante und keine davon waren positiv. Wir stritten und brachten uns gegenseitig zur Weißglut. Keiner von uns wollte nachgeben und die Kontrolle behalten. Auch kannte ich ihn zu diesem Zeitpunkt kaum. Wie soll man jemanden lieben, wenn man nicht einmal weiß, wer diese Person in Wirklichkeit ist.

"Und hat er dich geliebt?"
Gott, diese Frau will mich heute mit ihren Fragen wirklich wahrsinnig machen. Was ist das denn? Erst spricht sie kein Wort mit mir uns jetzt stellt sie mir so tiefgründige Fragen. Soll ich einfach schweigen? So tun, als wenn ich sie nicht verstanden hatte?
Woher sollte ich denn wissen, ob Dante mich bei unserer Hochzeit bereits geliebt hatte.
Liebte er mich denn jetzt überhaupt?
Ich meine natürlich hatte er es mir schon mal gesagt, doch das war kurz nach Pablos Tod. Er war damals verletzlich und wütend, zudem hatte es mir bei unserem ersten Mal ins Ohr geflüstert. Wenn ich genau darüber nachdachte, dann hatte Dante es mir bis jetzt immer nur in intimen Momenten gesagt, noch nie so.
War das also nur ein Zufall, oder hatte das was zu bedeuten?
Na toll, eigentlich sollte ich diejenige sein, die auf die Frage antwortet und nicht die, welche mit Fragen im Kopf zurück bleibt.

Ich beschloss bei ihm die selbe Regel anzuwenden, wie bei mir und antwortete mir nein. Wenn ich ihn nicht ohne zu kennen lieben konnte, dann er wohl auch nicht.
Letizia nickte bloß und wanderte sich dann wieder dem Horizont zu. Innerlich betete ich, dass die Fragestunde damit beendet wäre und ich bald zurück in mein Zimmer könnte. Auch sollte ich herausfinden, welcher Tag heute überhaupt war und was passierte, nachdem ich mein Bewusstsein verloren hatte.
Es vergingen einige Minuten des Schweigens, ehe die Eiskönigin erneut das Wort ergriff.
"Wie ich sehe, trägst du deinen Siegelring nicht."
Mein Blick flog zu meiner Hand und zu meinem freien Zeigefinger. Sie hatte recht, ich trug ihn nicht.
Auf der linken Hand glänzten mir mein Verlobungsring und Ehering entgegen, doch die rechte Hand war leer.
Es war für mich immer noch ungewohnt den Familienring anzustecken, weshalb ich es auch vor Lorenzos Verlobung vergessen hatte.
Mir würde ach entfallen meinen Ehering anzulegen, wenn ich ihn nicht immer tragen würde.

Ich hatte meinen Blick noch immer auf meine Hände gerichtete, da erklang erneut Letizias Stimme.
"Du solltest dich daran gewöhnen ihn zu tragen, zumindest bei Veranstaltungen. Es ist eine Ehre, ein Privileg, aber auch ein Schutz. Das Wappen darauf wird jedem zeigen, dass du eine Martinelli bist."
Entgeistert sah ich sie an. Hatte sie mich gerade als Martinelli bezeichnet? Oder hatte ich mich verhört?
War das ihre Art mich in der Familie aufzunehmen?
"Ich versteh nicht." Die Frage platzte aus mir heraus, ehe ich meine Lippen daran hindern konnte sich zu öffnen. Ihr letzter Satz kam so überraschend für mich, dass ich fast meine Teetasse hätte fallen lassen.
"Das wirst du noch meine Liebe. Und jetzt geh zurück zu deinem Mann und schlaf noch etwas. Der gestrige Tag war anstrengend genug gewesen und dein Körper braucht noch Ruhe." Ihre Miene war immer noch neutral, doch in ihren Augen konnte ich einen Hauch von einem Glitzern wahrnehmen. Doch so schnell wie dieses auch aufgetaucht war, so schnell verschwand es auch wieder.
Hatte sie gerade meine Liebe gesagt? Nur Valeria nannte mich so. Aber Valeria mochte mich und ich mochte sie.
Nein, ich liebte sie, wie eine zweite Mutter.
Doch Letizia hasste mich! Und ich war in ihren Augen so einiges, aber niemals ihre Liebe.
Also was für ein Spiel spielte sie nun mit mir?
Oder meinte sie es vielleicht ernst?
Ihren Gesichtsausdruck konnte ich nicht lesen, doch irgendwas sagte mir, dass sie mich gerade nicht kränken wollte, sondern ernste Absichten hatte.
Aber woher kam ihr Sinneswandel?

Erst die Sache mit der indirekten Familienaufnahme und jetzt das. Hatte ihr jemand was in den Tee geschüttet?
Unbewusst roch ich unbemerkt an meiner Tasse, doch es roch nach einem normalen Kräutertee.
Wobei, wenn jemand ein bestimmtes Kraut hinein getan hatte, dann würde ich es wohl kaum heraus riechen können.
Ich stellte meine Tasse ab und stand langsam von meinem Stuhl auf.
"Gute Nacht!" Ich verabschiedet mich von dem wohl seltsamsten Treffen, welches ich in letzter Zeit gehabt hatte und dabei zählte das mit Juan Lee, Fabio und Beatrice mit in meine Bewertung mit rein.
"Gute Nacht." Anders als ich machte Letizia nicht den Anschein, als würde sie den Garten ebenfalls verlassen wollen.
Also drehte ich mich von ihr ab und wollte gerade in Richtung des Hauses gehen, als mit etwas auffiel.
Es war eine Frage, die sie mir nicht gestellt hatte.
Es war nicht so, als wenn ich scharf darauf gewesen wäre, weitere Frage von ihr zu beantworten. Doch das ausbleiben dieser bestimmten Frage weckte mein Interesse.
Wieso hatte sich mich danach gefragt?

Ich drehte mich wieder zu, der immer nach am Tisch sitzenden, Letizia um und sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Die entfachte Neugier in mir erlaubte es nicht, dass ich die Situation so stehen ließ. Ich musste es einfach wissen.
Ohne Vorwarnung warf ich ihr meine Frage an den Kopf.
"Wieso hast du mich nicht gefragt, ob er mich jetzt liebt?"
Sie hatte nach meinen Gefühlen für Dante vor der Hochzeit und jetzt gefragt. Auch nach seinen Gefühlen für mich bei unserer Hochzeit, doch nicht, ob er mich jetzt lieben würde.
Wieso also ließ sie bei ihm diesen Aspekt aus?

"Weil ich meine Antwort zu der Frage bereits gestern bekommen habe."

Ace of Hearts IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt