Kapitel XCIV

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Glücklich saß ich auf dem Beifahrersitz und sah auf das Ultraschallbild in meiner Hand. Unser Kind hatte nun die Größe einer Kiwi und man konnte bereits klare Umrisse wie Kopf und Körper sehen.
Dr. de Stefano versicherte mir, dass alles gut läuft und, dass sich das Kind prächtig entwickelt.
Ich holte mein Handy heraus und schoss ein Bild von unserem Baby. Dante hatte sein Telefon zwar ausgeschaltet, doch ich wollte, dass das erste was er sieht, wenn er es an macht, unser Kind ist.
Ich schickte das Foto ab und sah zu meinem Onkel herüber, der den Wagen fuhr. Zum Glück mussten wir uns das Auto nicht mit dem Sicherheitspersonal teilen, welcher stattdessen in ihren eigenen Vans hinter uns herfuhr.
Christiano hatte noch vier Männer mitgenommen, um uns zu begleiten und so ungern ich auch mit Bodyguards unterwegs war, sie gaben mir ein Gefühl der Sicherheit.
"Musst du noch irgendwo hin? Oder fahren wir nach Hause?" Onkel Boris wandte seinen Blick von der Straße ab, um mich anzusehen.
Ich zuckte leicht zusammen, als ich hörte, wie er Zuhause sagte. Es war komisch dieses Wort aus seinem Mund zu hören, da für gewöhnlich das Haus meines Vaters gemeint war.
"Ja wir können nach Hause." Lächelnd drehte er sich von mir ab und sah wieder zum Verkehr.
Mein Blick flog wieder auf mein Handy. Die Nachricht bei WhatsApp, die ich Dante geschickt hatte, hatte nur einen Haken. Er war also immer noch offline.

Die Minuten vergingen und wir verließen die Innenstadt. Meine Gedanken schweiften wieder zu Beatrice. Ich sollte wieder das Gespräch mit ihr suchen, sobald ich zu Hause war. Ich wusste, dass es für sie gerade auch nicht leicht war. Diese Zeit sollte eigentlich die beste ihres Lebens sein, doch nun war nicht einmal klar, wann die Hochzeit stand finden würde. Im Augenblick war Isabella die wichtigste Priorität im Haus und alles andere stand hinten an. Ich erinnerte mich noch gut daran, wie es bei mir war, als ich in dieses großes Anwesend kam. Ich fühlte mich fehl am Platz und hätte diese Zeit ohne Chiaras und Valerias Aufmerksamkeit wohl nicht so gut überstanden. Die beiden, zusammen mit Marco halfen mir dabei mich Zuhause zu fühlen, als Dante und ich noch in der Kennenlernphase waren und seien wir mal ehrlich, wirklich gut lief es zwischen uns in der Zeit nicht.
Ich konnte nicht einmal im selben Raum mit ihm sein, ohne, dass wir uns stritten. Beatrice hatte zwar nicht die selbe Situation mit ihrem Verlobten, jedoch ändert das nichts daran, dass sie ebenfalls alleine war.

Onkel Boris beschleunigte unser Tempo und riss mich damit aus meinen Gedanken. Alarmiert sah ich zu ihm rüber, doch seine versteinerte Miene gab mir keine Anzeichen für die veränderte Geschwindigkeit.
Mein Blick flog zu den Seitenspiegeln, doch neben der zwei schwarzen Vans von uns, sah ich nichts auffälliges.
Vielleicht täuschte ich mich und es hatte nichts zu bedeuten.
Gerade, als ich mich wieder entspannen wollte, klingelte Boris Telefon. Es schaltete den Anruf auf Lautsprecher und Christianos Stimme erklang.
"Siehst du sie?"
Meine Augenbrauen zogen sich zusammen. Oh bitte, nicht wieder eine Verfolgung. Ich drehte mich in meinem Sitz um, doch auch durch das Kofferraumfenster konnte ich nichts sehen.
"Ja, sie sind mir aufgefallen. Bleibt dich bei uns und lasst nicht zu, dass sie uns trennen."
Er legte auf und erhöhte wieder das Tempo.
"Wer? Wer soll uns nicht trennen, ich sehe nichts!"

"Ich schätze es sind Männer deines Vaters. Sie folgen uns seit der Praxis und versuchen näher heran zukommen, doch Christiano und die anderen hindern sie daran."
Natürlich! Wie hätte es auch anderes sein können.
Warte, hatte er gerade gesagt die Männer meines Vaters? Wieso sollte er seine Schläger hier her schicken? Waren sie hinter mir, oder ihm her?
Ich drückte mich weiter in den Sitz hinein und machte mich auf eine holprige Fahrt bereit. Die aufkommende Panik unterdrückte ich und auch die Schuldgefühle, welche sich langsam in mein Bewusstsein schlichen versuchte ich zu ignorieren.
"Sollten wir nicht Sergio anrufen?" Boris nahm eine scharfe Kurve und meine Hand umfasst den Griff an meiner Autotür.
"Hat Christiano schon gemacht. Wir suchen einen geeigneten Platz zum Verstecken, bis die Kavallerie ankommt." Oh shit, Dante wird mich umbringen. Meine Hände fingen an zu schwitzen und ich legte sie automatisch auf meinen Bauch. Anders als bei der Verfolgungsfahrt mit Luca, war ich diesmal schwanger. Bitte lass mich mein Baby nicht in Gefahr gebracht haben.

Onkel Boris hielt den Wagen in einem eher wenig besiedeltem Teil der Stadt.
Er riss die Tür auf und ich machte es ihm nach.
Dieser Tag hätte ganz anders laufen sollen. Es war doch nur ein Arzttermin, verdammt!
"Komm."
Die Straßen waren verwahrloster als in den Teilen der Stadt, in denen ich mich sonst aufhielt.
Es gab ein paar Geschäfte, doch die sahen nicht sehr einladen aus und als die Menschen unser Auto erkannten, flüchteten sie alle ins Innere.
Ich hatte keine Ahnung, wieso Boris genau diese Umgebung ausgesucht hatte, doch ich schätze, dass es daran lag, dass die Menschen hier an Schüsse gewöhnt waren. Eine Schießerei in der Innenstadt hätte andere Auswirkungen, als hier.
"Versteckt euch, wir halten sie so lange hin!" Rief Christiano uns zu, als er und seine Männer neben uns anhielten.
Sie positionierten sich professionell auf der Straße und ich und Boris liefen den Weg weiter entlang.

"Wieso macht er das?" Ich brachte diesen Satz völlig außer Atem hervor, als wir an einer Ecke hielten.
"Seit wann braucht mein Bruder einen Grund um so etwas zu tun?"
Mein Onkel griff nach meinem Arm und gemeinsam gingen wir nach rechts.
"Sind sie hinter mir, oder dir her?" Meine Stimme zitterte, da ich die Antwort auf diese Frage nicht wirklich hören wollte. Ich hatte gerade erst verarbeitet, dass er einen Mordanschlag auf mich geplant hatte. Ich wusste nicht, ob ich bereit war einer weiteren Wahrheit ins Auge zu blicken.
Boris ignoriert meine Frage und zog mich weiter den Pfad entlang.
Plötzlich ertönten Schüsse.
Sie kamen von der Stelle, an der wir das Auto gelassen hatten und ich setzte eins und eins zusammen.
Die Männer meines Vater waren auf Christiano und sein Sicherheitspersonal getroffen und eröffneten das Feuer.
"Los, hier lang."
Mein Onkel drängte mich durch eine Gasse.
Sie war weniger beleuchtet als die Hauptstraße und obwohl die Sonne noch schien, war meine Sicht beeinträchtigt.
Aufmerksam achtete ich darauf wohin ich trat. Der Boden war uneben und überall lagen Kartons uns Müll rum.
Der üble Geruch aktivierte meine empfindlichen Sinne und ich musste mich zusammenreißen, damit mein Mittagessen nicht wieder hochkam.

Wir bogen wieder ab, doch ehe ich richtig aus dem schmalen Gang heraustreten konnte, drückte Boris mich zurück.
"Pssst."
Er ließ mich an der Wand zurück und ging alleine zu der offenen Straße.
Ich spürte die Mauer an meinem Rücken, bewegte mich aber nicht.
"Gib sie uns, Boris!" Die Stimme eines unbekannten Mannes erklang und ich bekam eine Gänsehaut.
"Und wieso sollte ich das tun?" Onkel Boris baute sich straff auf und ich konnte sein Seitenprofil von meiner Position aus sehen.
"Dein Bruder wird nicht erfreut sein zu hören, dass du dich ihm widersetzt."
Ich hielt den Atem an. Er war wirklich hinter mir her!
Reichte ihm nicht, dass er mich schonmal fast getötet hätte?!
Damals tat er es, weil er verhindern wollte, dass ich Ivan die Wahrheit erzählte, doch wieso tat er es jetzt?
War meine Existenz ihm ein solches Dorn im Auge, dass er mich jagen muss?
"Nur gut, dass du es ihm nicht sagen wirst."
Eine Sekunde, nachdem Boris seinen Filmreifen Satz beendete, lösten sich Schüsse.
Ich schloss die Augen und betete.
"Los." Einige Augenblicke später wurde ich aus meiner Starre gerissen.
Boris zog mich von der Wand und wir liefen im Eiltempo weiter.

"Siehst du diese Türme?"
Wir stoppten und ich folgte seinem Finger in Richtung Norden.
"Ja." Ich war ziemlicher außer Atem und mein Beine zitterten.
Keine Ahnung, ob da vom laufen, oder aus Angst geschah, aber mein Körper erreichte sein Limit.
"Lauf zur Kirche, dort bist du sicher. Ich lenke sie ab und komme dann zu dir."
Ich wollte protestieren, eine bessere Idee finden, doch ehe ich etwas sagen konnte drehte er sich um und ließ mich alleine.

Ich drehte mich in die entgegengesetzte Richtung und rannte los.
Onkel Boris hatte recht, die Kirche war der Sicherste Ort.
Kein Mafiamitglied, egal aus welchem Land, würde es wagen dort ohne Erlaubnis herein zugehen, geschweige denn dort zu schießen.
Mein Beine trugen mich weiter, Meter für Meter und ich betete, dass ich es rechtzeitig schaffen würde.
Oh Gott, wenn diese Männer mich nicht erwischen, dann wird Dante mich für diese Aktion sicher umbringen.

Wie konnte ich nur so dumm sein?

Ace of Hearts IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt