26- Entfremdung und Familienbande

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Schulterzuckend blicke ich ihn nur stumm an. JJ scheint als einziger meine Unsicherheit zu bemerken. "Keine Sorge, Sum. Kein erneuter Überfall", sagt er und klingt dabei nahezu beschämt, zwinkert mir aber zu. Ein kleines Lächeln zupft an meinen Mundwinkeln.

"Ja, Kie hat heute Abendschicht im Wreck", tönt JohnB und lässt mein Lächeln schneller verpuffen als es sich hätte bilden können. Muss er jetzt wieder damit anfangen? Bin ich nur Ersatz, weil sie heute nicht kann. Schnell schiebe ich meine Gedanken beiseite. Ich nicke den beiden noch schnell zu bevor ich aufspringen und zurück in mein Zimmer gehe.

Den restliche Zeit bis zu unserem Poguetreff verbringe ich mit etwas lesen. Das habe ich schon eine Weile nicht mehr getan. In letzter Zeit war meine Konzentration einfach zu schlecht dafür. Ich habe ein und die selbe Seite immer und immer wieder gelesen und wusste am Ende trotz dessen nicht was darauf stand. Dabei habe ich früher doch so gern gelesen. Es war immer meine Flucht aus der echten Welt. Ich habe es geliebt mich in fremde Welten und Dimensionen zu träumen. Von fremden Welten, anderen Leben. In verschiedene Rollen zu schlüpfen. Die Gefühle der Protagonisten in mich aufzunehmen.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Ich bin so in mein Buch vertieft, dass ich garnicht merke wie die Zeit rinnt. Ich komme erst aus meiner eigenen kleinen Welt zurück als es an meiner Tür klopft. Ich seufze auf. Eigentlich will ich auch garnicht aufhören. Es fühlt sich viel zu gut an endlich wieder zu lesen. Träge erhebe ich mich und schlürfe zu meiner Tür. Aufgeregt wie ein kleiner Junge blickt mein Bruder mich an als ich meinen Kopf durch die Tür stecke. Es scheint ihm wirklich viel zu bedeuten, dass ich das heute mitmache.

Mit einem wehmütigen Gedanke denke ich noch einmal an mein Buch bevor ich meinen Bruder etwas träge hinter laufe. Auf dem Sofa sitzen bereits die restlichen Pogues. Freudestrahlend grinsen sie mich an. Die drei erinnern mich an die Grinsekatze von Alice im Wunderland. Bei dem Gedanken daran zucken meine Mundwinkel kurz.

Nicht sehr elegant lasse ich mich zwischen JohnB und JJ auf die Couch fallen. Sofort schließen sich ihre Arme um mich. Ich schließe meine Augen und genieße den Moment. Viel zu lange ist es her, dass wir so zusammen waren. Das ich mich zwischen den Jungen so geborgen Gefühlt habe. Nach einiger Zeit lösen sich die drei wieder von mir. "Schön das du wieder da bist, Sum", ergreift Pope das Wort. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln, denn ich weiß nicht was ich dazu sagen soll. Eigentlich war ich ja nie weg. Dennoch wird mir in diesem Moment schmerzlich bewusst, dass ich mir die Entfremdung zwischen uns wohl nicht eingebildet habe.

Eigentlich ist das ja nicht verwunderlich. Nach Dads Tod habe ich mich meist in mein Zimmer zurück gezogen sobald die Jungs da waren. Waren sie unterwegs, war ich stets an JohnBs Seite. Er hat sehr darunter gelitten, dass dad verschwunden ist. Vorallem weil sie vorher einen Streit hatten. Erzählt hat er es mir nicht, doch ich habe sie gehört. Kurz bevor dad aufgebrochen ist... JohnB hat ihn Vorwürfe gemacht. Das er kein guter Vater wäre. Das ihm seine Schatzsuche stets wichtiger ist als wir.

Und was soll ich sagen? JohnB hat Recht. Ich weiß Natürlich nicht wie es in Dad ausgesehen hat, aber es hat sich definitiv immer so angefühlt. Immer mussten wir warten wenn er gerade eine heiße Spur hatte. Manchmal hat er tagelang durch gearbeitet daran. Dann waren wir faktisch auf uns selbst gestellt. Möglicherweise ist das der Grund, dass wir so eng zusammengeschweißt waren. Ich bin mir sicher Dad hat uns geliebt... Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir seine Priorität waren.

Davon einmal abgesehen hatten JohnB und Dad eindeutig die engere Bindung zueinander. Zwar konnte ich Dads Schatzsuche mehr abgewinnen, doch ich habe immer deutlich gespürt das er lieber meinen Bruder um sich herum hätte als mich. Ich habe mich oft gefragt woran das lag. Manchmal glaube ich, dass ich ihn zu sehr an unsere Mom erinnere. Seine erste große Liebe. Die Frau, die sich kurz nach meiner Geburt verkrümmelt hat. Und drei einfach zurück gelassen.

Sie soll sich wohl in Colorado rumtreiben. Aber ich weiß nicht, ob das stimmt oder noch aktuell ist. Eigentlich interessiert mich das auch nicht. Die meiste Zeit kann ich gut damit leben, dass sie nicht da ist. Doch manchmal frage ich mich... Warum? Warum lässt man seine Kinder zurück? Ich war ein Baby... Nicht mal ein Jahr alt. JohnB nicht mal zwei. Lag es an mir? Hat sie uns denn nicht geliebt? Die meiste Zeit geht es mir gut damit. Was man nicht kennt, kann man nicht vermissen. Doch in schwierigen Momenten hatte ich gerne eine Mutter. Womöglich müsste es nicht mal sie sein. Einfach eine weibliche Bezugsperson. Die sich meine Probleme anhört und mir mit all den Widrigkeiten hilft, die das Leben als Mädchen bereit hält, besonders im Teenager alter.

JohnB und die Pogues waren zwar immer da. Aber ich werde niemals das panische Gesicht meines Bruders vergessen als ich meine erste Periode hatte. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Er auch nicht wirklich. Und trotzdem ist er mit JJ im Schlepptau losgezogen und hat mir alles besorgt was ich dafür brauchte. Mit hochroten Kopf kamen die beiden wieder hier an. Pope hat in der Zwischenzeit versucht mich zu beruhigen indem er mir alle medizinischen Fakten erzählt hat, die er zum Thema Zyklus wusste.

Als der erste Junge an der Schule Interesse an mir gezeigt hat wollte mein Bruder eine Aufklärungsstunde mit mir machen. Doch diese habe ich standhaft verweigert. Das war mir zu viel des Guten. Davon abgesehen, dass ich an dem Kerl garkein Interesse hatte, war ich weit davon entfernt an Sex zu denken. Und damit hatte ich Recht, denn ich habe bis heute keine gehabt. Geschweige den einen Freund. Es hat einfach nie gepasst. Aber all das wird wohl noch zu seine Zeit kommen.

Auch jetzt hatte ich gerne eine weibliche Person um mich rum. Ich würde gern über die Sache mit Kiara reden, die plötzliche nähe zu JJ, die mich komplett wirr macht und die nicht mehr vorhandene Abneigung gegen Rafe. Dessen Nähe ich auch genieße. Plötzlich winkt eine Hand vor meine Augen. Erschrocken zucke ich zusammen.

*Pünktlich zum Freitagabend das neue Kapitel. 💐
Findet ihr Summers Gedanken bezüglich ihrer Mutter nachvollziehbar? 🤔
Gerade als ich es noch einmal überlesen habe, kam mir die Idee, dass man doch eigentlich mal einen Auftritt von Summer und JohnB's Mutter hinlegen könnte.🫣 Was haltet ihr von der Idee?

Unsere Inneren Dämonen || Outerbanks Fanfiction Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt