Danny wusste nicht mehr genau, wo er war. In diesem Teil, war er noch nie gewesen. Die Grünfläche lag längst hinter ihm. Er konnte nicht mehr länger laufen, er war zu erschöpft. Wenn er nicht wollte, dass sie ihn schnappten, musste er schnell ein gutes Versteck finden.
Beinahe, wäre er an dem großen, verlotterten Holztor vorbei gelaufen. Im letzten Moment, sah er aus den Augenwinkeln, die losen Bretter. Er schob sie zur Seite und kletterte durch den so entstandenen Spalt. Stocksteif drängte er sich an die Wand, darauf bedacht, seine Atmung zu kontrollieren, als die anderen vorbei hetzten. Keiner von ihnen, schöpfte Verdacht. Dannys Puls beruhigte sich langsam wieder. Er lehnte sich an das Tor und schloss für einen Moment die Augen, um seine aufgewühlten Gedanken zu ordnen, nur um sie kurz darauf wieder zu öffnen und sich neugierig umzublicken.Ihm war bewusst, dass er Toby verlieren würde, wenn er den anderen nicht folgte. Doch stattdessen, wanderten seine blauen Augen umher und besahen sich die Umgebung.
Es hatte inzwischen aufgehört zu Regnen. Die Sonne wurde jedoch immer noch von den Wolken verdeckt. Die Strasse vor Danny lag verlassen da.
Sie war sehr breit. Viel grösser als alle, die er bis jetzt hier gesehen hatte. Doch sie verlief nicht gerade, sondern schien einen leichten Bogen zu machen. Dadurch, dass man nie das andere Ende sehen konnte, schien sie endlos lang zu sein.
Die Straße selbst, war auf den ersten Blick sehr heruntergekommen. Pfützen bildeten sich in den Rissen der Pflastersteine. An den Fassaden der Häuser blätterte bereits der Putz ab. Fenster waren eingeschlagen und Türen hingen in den Angeln.
Doch Danny erkannte sogleich, dass die Straße mal sehr schön gewesen sein musste.
Den Vitrinen und Schaufenstern nach, war dies früher eine Einkaufsstraße gewesen. Er stellte sich vor, wie Menschen den leeren Raum gefüllt hatten. Ein dichtes Gedränge, aus farbigen Stoffen. Die Häuser waren kunstvoll bemalt und vollgestopft mit den unterschiedlichsten Waren. In den kleinen, schnuckeligen Cafés, saßen die Leute beieinander und bestaunten ihre Beute.
Danny wurde von der Straße beinahe magisch angezogen. Völlig versunken in seine Gedanken, ging er langsam voran und blickte empor, zu den dicht gedrängt stehenden Häusern. Jedes von ihnen war anders, eines besaß viele kleine Türme, das andere war wohl einmal kunterbunt gewesen, obwohl die Farben inzwischen vergilbt waren. So frei zusammengewürfelt, standen sie da.
Danny blieb fasziniert vor einem mächtigen Haus stehen. Es bestand aus mehreren Etagen, Türme und Erker. Keines der vielen Fenster war identisch. Staunend stand er da und blickte mit großen Augen, an die Fassade hoch. Man konnte gerade noch die Zeichnungen erkennen mit denen es bemalt war. Sie waren wunderschön. Danny war es nicht möglich seinen Blick abzuwenden. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht und brachte seine Augen noch mehr zum Leuchten.
Sieben Augen starrten ihn an. Sieben Augen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Dasjenige im Zentrum, war Golden und schien umgeben von Sonnenlicht. Es war das größte, die anderen reihten sich drum herum. Darunter ein Schwarzes, verborgen in der Dunkelheit, ein Rotes das in Flammen stand, ein Graues welches dunkle Schatten warf, ein Grünes, um das sich Efeu rankte, ein Braunes, eingebettet in Erde und ein Blaues inmitten schäumender Wellen.
Das Blaue Auge fesselte ihn, als würde er von den Wellen mitgerissen werden. Es war hell und kalt, wie die seinen.
Sein Blick wanderte weiter hinab zur Tür. Sie war ziemlich klein für so ein großes Haus. Aus dunklem Holz, lag sie zwischen zwei verhüllten, verstaubten Vitrinen. Er verspürte das Bedürfnis sie zu öffnen, in der Hoffnung, hinter ihr die Antworten, auf all seine Fragen zu bekommen.
Obwohl sie wahrscheinlich abgeschlossen war, ging er hin und legte seine Hand auf den Türknauf. Kurz zögerte er, dann drehte er ihn um. Ohne einen Laut ging die Tür einen Spalt auf.Danny schluckte. Im inneren des Hauses schien es dunkel zu sein. Ob er wirklich hinein gehen sollte? Wahrscheinlich würde er nicht mehr finden, als ein paar Mottenkugeln. Doch ein starkes inneres Gefühl trieb ihn weiter. Vorsichtig stieß er die Tür auf. Sie glitt zur Seite und erhellte ein stück vom Raum. Danny trat ein und tastete am Türrahmen nach einem Lichtschalter, als er ihn fand, gingen gleich drei Lampen an. Genauso wie die Fenster an der Hauswand, waren auch sie alle unterschiedlicher Art. Eine Deckenlampe in Form eines Mondes, eine alte Stehlampe und eine Leselampe, die auf einem wuchtigen alten Schreibtisch aus rötlichem Holz stand. Der Schreibtisch stand rechts neben Danny. Auf ihm, eine ausgebreitete Zeitung. Dahinter an der Wand, eine Reihe Bücherregale, bis oben hin voll mit Büchern Und ein alter goldumrahmter Spiegel. Sowieso war der ganze Raum ziemlich vollgestopft. Regale voller dicker Buchbände und Schriften, drängten sich an den Wänden, überall lagen Pinsel und Papier herum und lauter Staffeleien, verhüllt von Tüchern, versperrten den Weg. Wenn er sich bewegte, musste er aufpassen, keine von ihnen umzuwerfen. Ein paar Schritte vor ihm, ihm stand ein quadratischer, hölzerner Kasten. Rechts und links davon, führten zwei Treppen auf eine kleine Galerie.
Was seine Aufmerksamkeit aber am meisten fesselte, waren die Staffeleien. Neugierig ging er zu einer hin und zog das Tuch davon weg. Dahinter verbarg sich ein wahres Kunstwerk. Mit feinen Pinselstrichen, war darauf das Tal im Abendrot, aus der Perspektive der Klippe, gemalt worden, wie er es auch schon von Tobys Terrasse aus gesehen hatte. Vorsichtig berührte er die Leinwand, fuhr entlang des Farbverlaufs. Bis jetzt kannte er Bilder nur aus Büchern.
Er enthüllte auch die anderen. Jedes stellte eine andere Landschaft dar. Danny ging herum, vorsichtig darauf bedacht nichts zu beschädigen und schaute jedes genau an. Er verstand nicht, wieso man etwas so schönes unter einem Tuch versteckte.
"Wer ist da?!", schallte es plötzlich von weiter oben.
Danny erstarrte. Oben auf der Galerie stand ein Mann. Zuerst starrte er ihn von der Brüstung aus an, dann kam er langsam die Treppe runter. Als er aus dem Dunkeln trat, sah Danny, dass er noch ziemlich jung war. Seine schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt, bis auf eine Strähne die ihm herausfordernd ins Gesicht hing. Seine Brille rutschte ihm von der Nase. Mit jedem Stufentritt änderte sich sein Gesichtsausdruck. Von abweisend, zu erstaunt, zu ungläubig, bis es schließlich in einem breiten Lächeln endete. Als er neben ihm stand, zeigte er auf das Bild, dass Danny immer noch in den Händen hielt:" Kann ich dir irgendwie helfen?"
Danny starrte ihm unentwegt in die Braungrünen Augen:" Können Sie das denn?"
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Bloody Legend - Coldblood
FantasyDanny, der intelligente Junge mit den Eisblauen Augen. Toby, der Junge der fliegen könnte, wenn er wollte. Ilan, der mit jedem Pinselstrich vergangenes verarbeitet. Ihre Begegnung wird alles verändern. Der neunjährige Danny wächst abgeschottet von d...