Bloody Legend - Coldblood

30. Kapitel

Das Boot raste nach oben.  Alan blieb ruhig. Er kannte das alles schon.
Sprudelnd und Wellen schlagend, tauchte das Boot schliesslich auf. Die schützenden Wassermassen zerfielen.
Er befand sich in einem kleinen Bassin.
Neben ihm tauchte eine der  Meerjungfrauen auf.
"Unsere oberste Schwester wird dich nun empfangen", sagte sie und verzog dabei keine Miene.
Er nickte.
Sein Boot wurde daraufhin ans Ufer gelenkt. Er stieg aus. Bestimmten Schrittes folgte er dem gepflasterten Weg, er war gesäumt mit blühenden Blumen und Früchte tragenden Bäumen. Es erinnerte ihn an früher.
Voller gespannter Erwartung trat er schliesslich die breite Treppe hinab. Er konnte sie inmitten eines palmgesäumten Gewässers ausmachen. Sie sass auf einem Thron aus Seerosen. Ihre azurblaue Schwanzflosse strahlte im Licht.
Andächtig setzte er einen Fuss auf einen der Steine die übers Wasser zu ihr führten.
Sie visierte ihn von ihrem Standpunkt aus.
Als er vor ihr zum stehen kam, deutete er respektvoll eine Verbeugung an.
"Wage es ja nicht"
Er sah auf. Ihre Haltung war stolz und aufrecht, auf ihrem Kopf trug sie eine Krone aus Muscheln, doch ihr Gesicht zierte ein mädchenhaftes lächeln. Das gleiche Lächeln wie früher.
Er lächelte ebenfalls.
"Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich je wieder sehen würde, Alan Sanchez. Aber du hast offenbar überlebt."
"Und du hast dein Königreich wieder aufgebaut, was wirklich beeindruckend ist."
"Ich habe nur meine Pflicht getan", stritt sie selbstlos ab:" Ausserdem warst du daran nicht minder beteiligt."
"Ich bin froh das ich helfen konnte."
Sie schwiegen beide, versunken in Gedanken.
Vorsichtig fragte Alan schliesslich:"Ist es auch deine Pflicht, Danny festzuhalten?"
Sie wurde ernst:" Ich habe meine Gründe, warum ich den Jungen nicht gehen lassen kann"
"Das verstehe ich natürlich, aber ich versichere dir, dass der Junge nie in seinem Leben etwas Unrechtes getan hat. Er ist bloss ein unwissender Bauernsohn."
"Es geht nicht darum, was er schlimmes getan hat, sondern was er noch tun wird", erzürnte sich Azura.
Alan senkte bestürzt den Blick. Er wusste das Danny etwas besonderes war, aber es schien um noch viel mehr zu gehen.
"Er ist viel mehr, als ein unwissender Bauernsohn", sie klang nun bedeutend sanfter.
Er nickte nachdenklich:" Ich verstehe. Danny ist ein überaus spezieller Junge, jedoch kann ich definitiv nichts bedrohliches in ihm sehen, im Gegenteil."
"Ich weiss, jemand wie ihn kann man nicht hassen, aber genau das macht ihn so gefährlich."
"Du meinst, dass ist alles nur Fassade?", Alan war unfähig so etwas zu glauben.
Azura seufzte:" Nein das nicht. Der Junge kann überhaupt nichts dafür", Traurigkeit schlich sich in ihren Blick.
"Warum haltet ihr ihn dann gefangen. Er ist doch noch ein Kind."
"Aber er wird älter werden und mächtiger."
"Welche Macht könnte so überwältigend sein, dass ihr Meerjungfrauen davor Angst haben müsstet?"
Insgeheim erinnerte er sich an damals, als Danny im lichteren Strahl des goldenen Auges geschwebt hatte. Er beschloss diesen Vorfall lieber nicht zu erwähnen.
"Es geht nicht nur um uns Meerjungfrauen. Auch Vollblüter, Halbblüter, Warmblüter und alle anderen sind davon betroffen."
Alan runzelte die Stirn. Wenn sogar die Befehlsgewalten, in Gefahr schwebten musste das Ausmass beeindrucken sein:"Was könnte an Danny je so gefährlich sein?"
Azura schwieg lange, dann meinte sie bestimmt:"Ich möchte dir nicht die Bürde aufladen entscheiden zu müssen, was mit dem Jungen passieren soll."
Alan bekam erstmals Angst um den Jungen. Darauf folgte das starke Bedürfnis, ihn zu beschützen.
"Was werdet ihr jetzt mit ihm machen?"
"Der Schwesternrat wird sich beraten, wie es mit ihm weiter gehen soll", ihre Ernsthaftigkeit liess ihn das schlimmste denken.
"Ihr werdet ihn doch nicht töten, oder?"
"Es steht zu Debatte", sie verzog dabei keine Miene.
Alans Herz klopfte laut. Er atmete tief durch.
"Es wäre nicht nur gut für uns sondern auch für ihn. Es würde ihm viel erspart werden", er sah die Reue in ihrem Blick und wusste, dass sie die Wahrheit sagte.
Er sah er zu ihr auf:"Was kann ich tun?"
"Erzähl mir alles über ihn, jedes Detail ist wichtig. Sag mir wie du ihn erlebst. Ich werde deine Argumente nachher dem Rat vorbringen."
Alan nickte gefasst. Er würde Danny verteidigen.