Kapitel 6

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Jeremy's POV

Ich bin durch die Masse weitergelaufen bis ich sie erkenne. Das Mädchen mit dem schwarzen Kleid. Wieder sehe ich ihr Gesicht nicht. Sie läuft zum einem der zwei dort stehenden Flügel. Dann kommt ein Mann zu ihr und sie sprechen kurz. Plötzlich tippt mir von hinten jemand auf die Schulter und mein Gesicht wird rechts und links von meiner Mutter abgeknutscht.

"Mom! Das reicht!" Sage ich lachend.

Ich liebe sie. Zwar gehorcht sie meinem Vater auf Schritt und Tritt doch hat sie auch ihren eigenen intelligenten Verstand. Keiner redet schlecht über Mrs. Kingston.

"Mein Sohn, wie lange haben wir uns nicht gesehen?"

"Vielleicht... 3 Monate?" Murmle ich vor mich hin.

"Ja, viel zu lang!" Und da umarmt sie mich wieder.
"Apropos, du siehst toll aus, Jeychen!" Ruft sie und schaut mich von unten nach oben an.

"Ma, nenne mich nicht so! Bitte. Ich bin 19 Jahre alt!" Da grinst sie mich nur an und zieht mich an der Hand zu den aufgestellten Stühlen, die in Reihen stehen.

"Ma. Ma! Ich will das du mir zuhörst... bitte." Ihr Blick wandert durch den gesamten Raum und ich versuche ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, weil icj ihr etwas wichtiges mitteilen will.

"Ja?" Sie schaut verwundert.

"Diese Esmeralda... da zwischen uns wird nichts passieren! Das kann ich jetzt schon definitiv feststellen!"

"Warum denn das? Sprich mal mit ihr und sei nicht so oberflächlich!"

Ich schüttele nur meinen Kopf.

"Nein, Ma. Ich kann nicht mit ihr reden. Ihre Art ist... eklig."

"Eklig?"

"Eklig!"

"Jey, was meinst du! Sag es mir." Sie will es wissen. Dann sage ich es ihr.

"Nun ja, sie..."

"Ja?" Ihre Augen schauen mir gespannt zu. Sie denkt wahrscheinlich ich übertreibe.

Zuerst drehe ich mich aber um und stelle sicher, dass kein weiterer zuhört. Wie zum Beispiel mein Vater.

"Sie kratzt sich am Hintern und reinigt sich gerne ihre Nase... mit ihrem Finger. Besser kann ich das auch nicht beschreiben." Flüstere ich ihr zu.

"Was? Das sind doch keine Manieren! Lüg mich aber nicht an!"

"Ich meine es TOT ernst! Bitte verstehe mich doch!"

"Na gut. Dann musst du dir eben eine andere aussuchen. Dein Vater wird nicht so schnell locker lassen."

Und da ertönt ein Mann auf der Bühne und spricht: "Meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich heiße Sie alle herzlich Willkommen! Ich bin der Event Manager. Mein Name ist Steph Anderson. Als nächstes möchte ich ihnen unsere musikalische Begleitung am Flügel vorstellen: Alayne Kay! Applaus bitte!"

Moment mal sie kommt mir doch bekannt vor.
Alayne... Alayne...
Plötzlich fällt es mir wieder ein. Ich ziehe aus meiner Hosentasche den Ausweis des Mädchens heraus. Das ist sie!

Alayne's POV

Oh Gott wie peinlich! Er hat meinen Nachnamen falsch ausgesprochen... Ray, nicht Kay!

Jetzt klatschen alle auch noch. Mist, ich muss mir echt Mühe geben.
Ich setze mich vorsichtig auf den Hocker und mache mich bereit zum Spielen. Davor konzentriere ich mich so stark wie möglich und gehe nochmal alles schnell durch. Die Gäste setzen sich auf die Stühle und manche bleiben einfach stehen und unterhalten sich weiter. Ich kenne solche Veranstaltungen. Nach einigen Minuten werden die meisten Gäste wieder aufstehen und sich irgendwie beschäftigen, was auch gut, weil ich weiß, dass nicht Millionen Augenpaare auf mich gerichtet sind.

Nun positioniere ich meine Hände und fange das erste Lied an zu spielen. Ich spiele "Fantasie Impromptu Op.66" von Chopin. (Wer will, kann es ja wirklich im Hintergrund spielen lassen :D)

Jey's POV

Sie spielt Chopin und das gar nicht so mal so schlecht. Hin und wieder könnte man ihre Dynamik ausbauen, aber ansonsten sehr gut. Ihre Finger tippen die Tasten entschlossen und gefühlvoll. Als würde ihre Seele sprechen. Sie springen von Taste zu Taste wie ein fliehendes Kaninchen. Läuft sie vor etwas weg? Frage ich mich, wenn sie derartig spielt. Und was mache ich nun mit meinem Problem? Wo soll ich hier eine gute, junge und vor allem halbwegs erzogene Frau finden? Die einzige, die hier normal wirkt, ist... sie!

War sie nicht der Meinung, dass wir reichen Menschen nichts können? Das werden wir doch noch sehen. Leise schleiche ich mich von der Reihe raus. Meine Mutter unterhält sich mit ihrer Sitznachbarin. Im schnellen Tempo gehe ich voran. Ich sehe, dass mein Vater mich bemerkt hat. Er schaut mich fragend an, dreht sich dann aber leicht desinteressiert um. Muss ich das verstehen? Ich hoffe nicht.

Ich stütze mich an der Wand ab und beobachte zuerst Alayne's Stück. Sie wirkt sehr konzentriert und nervös zugleich. Ihre Finger wechseln jetzt viel sensibler und schneller. Kein einziger falscher Ton. Jetzt schaue ich in ihr Gesicht.

Sehe ich da Verzweiflung? Angst? Was hat das Mädchen zu verbergen?

Ich finde sie durchaus interessant. Irgendwas an ihr zieht mich nämlich an.
Ich schließe einfach meine Augen. Ich stelle mir vor, dass ich vor meinen Problemen weglaufe. Dann steht da mein Motorrad. Ich steige auf und fahre durch Wald, Wüste, Stadt, an Seen vorbei bis zu einer wunderschönen Wiese voller unterschiedlichen Momenten. Ich sehe die schlimmsten, als mein Vater mich schlug, ich sehe wie meine Großmutter ermordet wird, wie mein Hund überfahren wurde und dann sehe ich auch wie meine Mutter mich tröstete, wie meine Großeltern mich vor meinem Vater verteidigt haben, wie mein Hund mein Zimmer vor fremden bewacht hat. Ich sehe, dass ich wahrhaftig lebendig bin.

Alayne wie schaffst du das, diese Gefühle in mir zu wecken? Die schlechten Erinnerungen zurückzuholen, sie aber kurz darauf durch die positiven zu ersetzen. Es ist merkwürdig. Eine Art Mysterium.

Doch nun tue ich es. Ich wage es, die musikalische Unterhaltung etwas anzukurbeln und der öden Partylangweile einen Schlag ins Gesicht zu setzen.

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FAST 70 reads! Omg danke!! Ich bin gerade seeehr glücklich. :)

Royal BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt