Kapitel 57

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Alayne's POV

Es ist fast 6 Uhr morgens.

Leise lausche ich dem Radiosender zu.
Es wurden gute Neuigkeiten versprochen und ich will die Erste sein, die das mitbekommt.

"Die Gefahrenstufe wurde vor wenigen Minuten als grün eingestuft. Die Sicherheit wird in den nächsten Tagen verdoppelt, doch kann man langsam wieder in sein normales Leben zurückkehren." Verkündet die Sprecherin in einem glücklichen Tonfall.

Das waren sie.
Die Worte, auf die ich gewartet habe. Mehr muss ich nicht hören.

Ich springe runter vom Bett, wecke meine Freunde auf und renne schon in die Freiheit, während alle anderen gerade aufstehen.

"Raus! Luft!" Rufe ich als ich den Vorgarten erreiche.

Ich lasse mich auf das grüne Gras fallen und grinse in mich rein. Es ist wunderbar.

Für einen kurzen Moment sind alle meine Sorgen verschwunden.

Aber nur für einen Moment.

Denn sobald ich mich wieder aufgerappelt habe, stehen alle draußen.

Und meine Mutter.

Sie schaut mich an. Unsere Augen treffen sich wie zwei Blitze.

Weiß sie, wer ich bin? Erkennt sie mich?

Es bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Ihr Blick klebt an mir und ich weiß nicht, was ich machen soll.

Ich weiß es wirklich nicht.

Plötzlich taucht Rick's Vater auf und stellt sich neben mich.

"Ja, die Ähnlichkeit ist verblüffend groß." Kommentiert er einfach rein und behält dabei seinen sarkastischen Unterton.

Er weiß es also auch.
Doch das könnte ich mir denken.

Bleibe ruhig, sage ich mir.

Das haben wir doch schon besprochen, möchte ich meiner Seele sagen.

Tapfer versuche ich meinen Blick aufrecht zu erhalten und zeige so mühelos, dass mich dieses schicksalhafte Treffen nicht weich machen lässt.

"Alayne?" Kommt es von ihrer hohen Stimme, die ich doch niemals vergessen könnte.

"Alayne?" Wiederholt sie nun und lässt eine Träne runterkullern.

Weinen? Tut sie das wirklich in meinem Namen?

"Ja, das bin ich." Sage ich selbstbewusst und verstecke meine zur Faust gebildeten Hand hinter meinem Rücken.

Ich muss mich zusammen reißen.

"Ich... ich kann das erklären. Ich schwöre es!" Ruft sie und fällt auf ihre Knie.

Ich glaube, wenn man will, kann man alle Taten erklären. Ein Mörder kann auch erklären, warum er jemanden umgebracht hat und trotzdem ist das Töten eine inakzeptable Tat, die man in unserer Gesellschaft nicht anerkennt.

"Dein Vater! Er-"

"Es ist mir relativ egal. Es ist mir relativ egal, was mit meinem Vater ist oder was mit dir ist oder warum ihr mich verlassen habt oder warum ihr schlechte Eltern wart oder warum ihr meine Kindheit zerstört habt oder warum ihr mich auf der Straße ausgesetzt habt. Es ist mir alles egal. Die Vergangenheit ist mir egal!" Schreie ich wie aus einem Wasserfall aus meiner ganzen Kehle raus.

"Denkst du, ich empfinde noch irgendwas für dich, Mutter? Ja, geweint habe ich um dich. Als ich dich gesehen habe... mir kam alles hoch. Doch jetzt... Ich kann nicht mehr weinen. Alle meine Tränen sind vergeudet Dank euch." Ich habe das Gefühl, ich schreie so laut, dass mich die ganze Welt hören kann.

Royal BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt