Blair
Meine Lungen brennen als würde ich über Feuer garen, meine Beine sind schwer, als würden Zementblöcke an ihnen befestigt sein, mein Kopf dreht sich, doch renne ich, ich renne um mein Leben.
Ich will nicht, dass sie mich bekommen, nicht schon wieder, bitte, bitte nicht wieder!
„Bleib doch endlich stehen Blair, du wirst dich nur verlaufen..“ Die gehässige Stimme meiner Peinigerin ist viel zu nah, nochmal lege ich einen Zahn zu, dieser Waldboden ist so nass und uneben, dass ich ständig auf den Boden gucken muss, gleichzeitig muss ich nach vorn sehen, bevor ich mit etwas kollidieren kann. Ich will nicht, dass sie mich bekommen, zu oft musste ich mir diese Scharm und Demütigungen geben.
Dabei sind es nicht mal mehr nur Demütigungen, die Schläge, die ich nun seit Monaten einstecken muss, haben heute ihren Höhepunkt erreicht. Wie aus dem Nichts erscheint Felizitas vor mir, sie springt Ziel sicher aus einem Gebüsch hervor.
Zu spät sehe ich, dass ich in eine Falle gelaufen bin.
Die nackte Angst kriecht mir kalt den Rücken hoch, mein Magen wird heiß vor Nervosität als ich mich umsehe. Alle um mich herum, alle sehen mich hasserfüllt an. Nur Lina grinst wie ein Hai, sie hat ein Messer in der Hand.
Meine Atmung bekomme ich nicht mehr kontrolliert, die Angst schürt meine Panik zu einem riesigen stechenden Knoten.
„Ich sagte doch: Lauf nicht weg, Blair, Jetzt wirst du bestraft..“ Sie kommen alle immer näher, hektisch drehe ich mich im Kreis, suche einen Ausweg, suche irgendjemanden, der mir helfen kann.
Ich weiß mit einer Sicherheit, die ich nie zuvor empfunden habe, gleich bin ich dran, gleich ist alles vorbei.
Vergebens, sie alle sechs wollen mich tot sehen.
Lina, die Anführerin, ihre rechte Hand Rebecca, ihre linke Hand Quinn und die anderen Felicitas, Paula und Jenna, sie alle sind meine persönliche Hölle.
Meine Mobber, meine….
„Lasst mich doch bitte in Ruhe, bitte Lina ich habe dir doch nichts getan“ mein brüchiges flehen bringt sie nur zum lachen. Meine Tränen laufen über, die Panik hat mich fest in ihren Klauen. Ich flehe und bettle, aber nichts hält sie auf. Dieses Anschleichen, dieses Lachen, ihre Drohungen..
Alles aus den vergangenen Jahren schlägt über meinen Kopf zusammen.
Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr..
So viele Jahre, die ich versucht habe, ihnen aus dem Weg zu gehen, hat nichts gebracht.
„Schrei nicht Blair, wir beenden jetzt dein Leiden.." Lina ist mir so nah, dass ich ihre Hitze an meinen Bein spüren kann. Zittern vor Angst falle ich rückwärts auf meinen Hintern. Beim Versuch zurück zu krabbeln vor Lina und dem Messer zu flüchten, stoße ich an nackte Beine.
Meine aufgerissenen Augen sehen das gehässiges grinsen von Felizitas „du bist so Gott verdammt hässlich Blair“ sie spuckt mir mitten ins Gesicht genau wie alle anderen. Vor lauter Verzweiflung halte ich mir die Ohren zu, trotzdem kommen sie näher, kesseln mich ein, beschimpfen mich, treten mich. Ich ziehe meine Beine so nah an meinen Körper wie es nur geht.
Leise verlassen mich fehlende Wörter.
Ich will nicht sterben, aber ich kann nicht mehr.
Die Schmerzen, die Gedanken, die endlose Angst, alles hat mich in Depressionen geschoben, obwohl ich versucht habe damit umzugehen.
Sie haben gewonnen..
Ich kann nicht mehr…
„Hässliches Stück Dreck, verorte hier auf den Waldboden.." Linas Stimme ist so nah, dass ich doch wieder die Augen aufreiße, das einzige, was ich noch sehe ist, wie die Klinge auf mich zu rast…..
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Schweißgebadet wache ich auf, mein Herz donnert so stark in meiner Brust das ich schmerzhaft keuche. Nicht schon wieder diese Albträume, ich war doch auf einem so guten Weg. Seit Monaten hatte ich keine mehr, wieso jetzt?
Ich kauer mich zu einem Ball in meinem kleinen Bett, die Antwort ist einfach, weil ich jetzt aufs College gehe. Aber hier bin ich unsichtbar, keiner tut mir mehr etwas, das muss doch endlich in meinen Schädel gehen.
Ich bin hier sicher, ich bin sicher.. immer wieder sage ich es mir, bis meine Tränen endlich aufhören zu fließen. Das ist vier Jahre her, die Mädchen sind nicht draußen und laufen frei herum.
Lina sitzt im Jugendgefängnis genau wie die anderen, sie müssen psychologisch betreut werden, ich bin hier sicher!
Entkräftet stehe ich von meinem schmalen Bett auf, hier in meinem Wohnheim am College bin ich sicher aufgehoben. Das Gebäude wird überwacht, jeder Besucher muss sich ein und austragen..
So langsam beruhigen sich mein Herz und meine Lunge. Minutenlang bleibe ich am Rand stehen und übe die Techniken meiner Therapeuten nach.
Zählen, atmen, zählen, atmen.. immer wieder. Bis ich bereit bin, die Augen zu öffnen. Wie ich befürchtet habe, ist alles noch dunkel, mit einem Blick auf meinen Wecker komme ich in Bewegung.
3:18 ist eigentlich keine gute Zeit joggen zu gehen aber ich muss die Angst vertreiben und nur weil der Campus sicher genug ist ziehe ich mir meine Sport Leggins an. Es ist immer noch so warm draußen, dass ein Sport BH ausreicht. Dennoch ziehe ich mir ein lockeres Shirt über den Kopf, meine Narben muss keiner sehen.
Von plötzlicher Traurigkeit erfüllt, gehe ich mit einem Pfefferspray in der Seitentasche raus. Die nette Hausdame lächelt mir aufmunternd zu, ich weiß nicht was sie denkt und ich weiß auch nicht was sie sieht, trotzdem schenke ich ihr ein dankbares Lächeln.
Vor dem Ausgang stecke ich mir meine kabellosen Kopfhörer in die Ohren. Mein Leben ist jetzt anders, ich brauche keine Angst mehr haben. Ich will keine Angst mehr haben!
Mit lauter House Musik fange ich an mich langsam auf zu wärmen, bis ich in einen angenehmen Laufschritt falle und die Gedanken abschalte.
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Die Ketten der Angst
RomantikIn ihrer Vergangenheit hat die junge Blair schreckliche Erfahrungen machen müssen. Von Mobbing geprägt, in Depressionen gestürzt, die Angst, die jede ihrer Bewegungen verfolgt hat, hat sich Blair befreien können. Doch nur, weil ihre Peinigerin dac...