The Deal

52|unzertrennliche Seelen

»Wo soll ich das hintun?« »Einfach auf den Tisch, Bilal« verdrehe ich meine Augen. Dieser Typ ist schon so groß geworden, aber einfache Dinge, wie den Tisch decken, kann er nicht. Oder er tut nur so, als würde er es nicht können, damit er es nicht macht. Bei ihm ist so einiges falsch gelaufen. Mein Bruder und ich sind selbstständig, aber Bilal würde keine zwei Tage alleine aushalten. Wahrscheinlich würde er verhungern, weil er nicht einmal Nudeln kochen kann. Zwar kann ich auch nicht kochen, doch verhungern würde ich nicht. Das jüngste Kind wird immer vernachlässigt. Meine Eltern haben ihn viel zu locker gelassen.

Die Tür öffne ich, als es klingelt. Baran und Abbas erscheinen mit ihrer Familie. »Hoşgeldiniz« herze ich sie alle willkommen. Ziehe jeden Einzelnen in die Arme und bitte sie rein. »Sen gittikçe daha da yakışıklı oluyon« zieht mich Barans Vater in die Arme. Lächelnd erwidere ich es und bedanke mich bei ihm, als er sagt, dass ich immer hübscher werde. »Seni kimse geçemez«, erwidere ich darauf, dass keiner seine Schönheit übertreffen kann, weshalb ich eine Klatsche auf den Kopf von Baran bekomme. »Schleim nicht.« Baran ziehe ich ebenfalls in die Arme.

Alle begrüßen sich erfreut. Unsere Familien haben sich lange nicht mehr gesehen. Durch die Arbeit und alles drumherum fiel es uns schwer, einen Tag zu organisieren, indem sich alle sehen. Doch trotzdem ist ihr Verhältnis zueinander so, als würden sie sich jeden Tag sehen. »Hayırlı olsun oğlum« gratuliert ihm meine Mutter erfreut und drückt ihn ganz fest. Er bedankt sich bei ihr und ich erkenne die Röte an seinen Wangen. Meinen Arm lege ich um Abbas und ziehen hinter meiner Mutter Grimassen und äffen ihm nach, weshalb er hinter ihrem Rücken uns seinen Stinkefinger zeigt.

Baran hat gestern Sümeyra einen Antrag gemacht. Sie sind jetzt diesen einen Schritt weiter gegangen. Es war schon immer klar, dass Baran als Erstes aus unserer Dreiergruppe heiraten wird. Das hat er schon anhand seines Verhaltens uns gegenüber bewiesen. Er war schon viel zu früh in dieser Vaterrolle. Seit gestern liegt auf seinem Gesicht so ein befreiendes Gefühl. Er war die letzten Tage so angespannt. Keiner weiß warum. Jedem war bewusst, dass Sümeyra Ja sagen wird, außer ihm.

»Unsere Jungs sind richtige Männer geworden« klopft Barans Vater auf Abbas Rücken. »Wir waren schon immer Männer, Ömer Amca« gibt Abbas selbstverliebt von sich, weshalb er in den Schwitzkasten von ihm genommen wird. Lächelnd sehe ich in die Runde. Mein Bruder kommt von oben mit seinem Sohn. »Tut mir leid, ich habe Melek bei dem kleinen geholfen.« Mein Bruder hat vor ein paar Monaten seinen zweiten Sohn bekommen. Die Enttäuschung liegt noch tief in mir, weil er nicht Arda genannt wurde. Arda Junior wäre der Knaller. Er hat den größten Fehler seines Lebens begangen.

Während alle miteinander sprechen und die Frau von meinem Bruder auch dazu gekommen ist, folge ich meiner Mutter in die Küche, um ihr zu helfen. »Ben getiririm« nehme ich ihr die Teller ab und gebe ihr Bescheid, dass ich es mitnehmen. »Asel kommt doch, oder?« Diese Frage stellt sie mir heute schon zum zehnten Mal. Ich habe meine Mutter noch nie so erfreut dabei gesehen, eine Person kennenzulernen. Als hätte sie ihr lebenslang darauf gewartet, Asel kennenzulernen. »Sie wird kommen, Anne. Sie kommt mit den Mädels. Lass ihnen bisschen Zeit. Du kennst es ja nicht anders. Frauen brauchen halt etwas Zeit.« »Ich bin einfach nur aufgeregt, sie kennenzulernen. So wie du immer über sie sprichst, kann ich es gar nicht abwarten, sie kennenzulernen.« Ich lache gedämpft auf. »Sie ist bezaubernd. Du wirst sie lieben.« Sie grinst erfreut. Ihre Augen strahlen so schön. Ich habe meine Mutter oft glücklich gesehen, jedoch nie auf diese Art.