11:39
Am nächsten Tag stand ich auf, fühlte mich total erschöpft. Meine Augen waren geschwollen vom vielen Weinen, und mein Körper fühlte sich schwer an. Ich machte mich frisch und ging in die Küche. Jamal hatte bereits den Tisch gedeckt und saß dort, starrte in seine Kaffeetasse. Die Erschöpfung stand ihm genauso ins Gesicht geschrieben wie mir; seine Augenringe waren tief und dunkel.
Ich setzte mich ihm gegenüber, und die Distanz zwischen uns war spürbar. Wir redeten kaum miteinander, unsere Gedanken schienen wie gefangen in den Ereignissen der letzten Tage.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Jamal stand auf und öffnete sie. Eine Frau trat ein, und sofort begann sie auf Englisch auf ihn einzureden. Ich verstand nicht alles, aber der Ton ihrer Stimme war eindringlich.
"Jamal, you need to find the courage to talk to your father. One day, you'll regret it if you don't, especially if he's on his deathbed," sagte sie mit Nachdruck.
"Yes, he made mistakes, but he wants to make amends. Your mother would want you two to reconcile."Jamal sah sie erschöpft an, seine Schultern hingen schlaff.
"Auntie, it's not that simple," murmelte er.
Die Frau ließ nicht locker und sprach weiter auf ihn ein.
"You know it's what your mother would have wanted. Holding onto this anger will only hurt you more. It's time to forgive and move on, not for him, but for yourself."
Während sie sprach, sah sie mich plötzlich und hielt inne.
"Who is this?" fragte sie neugierig.
Jamal zögerte einen Moment, bevor er antwortete.
"This is Jiyan. A friend."
Die Frau lächelte höflich und stellte sich dann auf Deutsch vor.
"Hallo, ich bin Brianna. Jamals Tante."
Ich stand auf, um ihr Respekt zu zeigen.
"Hallo, Brianna. Schön, Sie kennenzulernen."
Brianna sah mich freundlich an und wandte sich dann wieder an Jamal.
"Jamal, ich verstehe, dass es schwer ist. Aber es ist wichtig, dass du es tust. Deine Mutter würde wollen, dass du ihm vergibst."
Ich spürte, dass Jamals Probleme größer waren, als ich gedacht hatte. Ich wollte ihnen Raum geben und aufstehen, um zu gehen, aber Jamal hielt meine Hand fest. Seine Augen flehten mich an, zu bleiben.
"Bitte, Jiyan. Bleib" sagte er leise.
Ich sah ihn an, dann seine Tante, und nickte schließlich langsam.
"Natürlich" erwiderte ich ebenso leise.
Ich drückte seine Hand sanft und setzte mich wieder hin. Brianna seufzte und sprach weiter auf Jamal ein.
"Look, Jamal, I know it's not easy. But you're strong enough to forgive him. Not for his sake, but for yours. You need to let go of this pain."
Jamal sah verzweifelt aus, seine Lippen zitterten. Als er mich ansah, brach er in Tränen aus. Sofort stand ich auf und umarmte ihn fest. Er erwiderte die Umarmung und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge.
"Ich kann es nicht, Jiyan," schluchzte er.
"Ich kann einfach nicht."Ich hielt ihn fest, streichelte beruhigend seinen Rücken und flüsterte ihm zu.
"Es ist in Ordnung, Jamal. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Es wird nicht einfach, aber du bist stark."
Seine Tante beobachtete uns mitleidend, ihre Augen voller Verständnis und Sorge.

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in meiner Welt
FanfictionJiyan und Jamal leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Sie stammt aus einem guten Elternhaus und träumt von einer strahlenden Zukunft. Er hingegen kämpft ums Überleben auf den Straßen, verstrickt in Drogenhandel, um seine Familie über Wasser...