Jiyans Perspektive
16:45Heute saß ich in einem gemütlichen Café in der Stadt, vertieft in meine Studienunterlagen. Neben mir saßen meine neuen Freundinnen Layan und Anissa, die ich erst vor kurzem im Studium kennengelernt hatte. Trotz der kurzen Zeit fühlte es sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Ihre offene und sympathische Art hatte mir geholfen, mich schnell einzuleben.
Layan, die ein Semester weiter war als ich, beugte sich über ihre Notizen und erklärte mir geduldig ein kompliziertes Marketingkonzept. Anissa, ebenfalls eine Semester weiter, tippte energisch auf ihrem Laptop und warf immer wieder aufmunternde Blicke in meine Richtung. Ihre Anwesenheit gab mir ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit, das ich seit langem vermisst hatte. Ich studierte Marketing Management und war gerade mal im ersten Jahr.
"Jiyan, hast du das verstanden?" fragte Layan und sah mich erwartungsvoll an.
"Ja, ich glaube schon. Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir das zu erklären," antwortete ich und lächelte dankbar.
"Kein Problem, wir sitzen schließlich alle im selben Boot," sagte Anissa und grinste breit. "Außerdem macht es viel mehr Spaß, zusammen zu lernen."Ich nickte und fühlte mich glücklich, solche Freundinnen gefunden zu haben. Die letzten drei Jahre waren nicht einfach, aber dieser Neuanfang hatte mir gezeigt, dass das Leben weitergeht und neue Chancen bereithält. Plötzlich klingelte mein Handy. Eine Nachricht von meiner Mutter. Ich seufzte erleichtert, es war nichts Dringendes.
"Alles okay?" fragte Layan, die mein Seufzen bemerkt hatte.
"Ja, nur eine Nachricht von meiner Mutter," sagte ich und legte das Handy wieder zur Seite.Wir vertieften uns wieder in unsere Aufgaben, als die Tür des Cafés aufging und eine Gruppe junger Männer hereinkam. Mein Herz setzte für einen Moment aus, als ich ihn erkannte. Es war Jamal. Er sah fast genauso aus wie damals, vielleicht etwas erwachsener, ernster. Unsere Blicke trafen sich nicht, aber ich spürte seine Anwesenheit wie einen Schlag in die Magengrube. All die alten Gefühle und Erinnerungen, die ich so mühsam verdrängt hatte, fluteten plötzlich zurück.
Jamal kam mit seinen Freunden zur Theke, bestellte etwas und setzte sich dann an den Tisch direkt neben uns. Seine Freunde waren laut, lachten und unterhielten sich angeregt, was unsere Konzentration erheblich störte. Ich bemerkte, wie Layan genervt die Augen verdrehte und Anissa ungeduldig auf den Tisch trommelte. Jamal hingegen war still, er war in sein Handy vertieft und schien uns gar nicht zu bemerken. Diese Ignoranz schmerzte mehr, als ich zugeben wollte.
"Jiyan, ist alles in Ordnung?" fragte Anissa besorgt und legte eine Hand auf meinen Arm.
Ich riss mich von Jamals Anblick los und zwang mich zu einem Lächeln.
"Ja, alles in Ordnung," log ich und hoffte, dass meine Freundinnen nichts merkten.
Doch mein Herz raste und ich fühlte mich, als wäre ich wieder 16, als wäre nichts von dem, was in den letzten drei Jahren passiert ist, von Bedeutung.
Die Geräusche des Cafés - das Klirren von Tassen, das Summen der Gespräche, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee - alles schien mich zu überwältigen. Jamals Freunde lachten und erzählten sich Geschichten, doch ich konnte mich nicht auf ihre Worte konzentrieren. Meine Augen suchten verzweifelt nach Jamals Blick, doch er blieb auf sein Handy fixiert, als wäre ich nicht da. Jeder Moment, in dem er mich ignorierte, fühlte sich wie ein Stich ins Herz an.
"Das war der Wahnsinn!" rief einer seiner Freunde laut, der Veysel hieß.
"Ja, Mann, Gänsehaut" antwortete ein anderer, den ich nicht erkannte, während Jamal nur stumm nickte und weiter auf sein Handy starrte.
Ich konnte mich überhaupt nicht auf die Aufgaben konzentrieren. Meine Gedanken kreisten unaufhörlich um Jamal und die Vergangenheit. Warum fühlte es sich immer noch so intensiv an? Warum konnte ich ihn nicht einfach vergessen? Ich fühlte mich hin- und hergerissen zwischen meiner rationalen Entscheidung, die Beziehung vor drei Jahren zu beenden, und den ungebrochenen Gefühlen, die in mir tobten.
Nach ein paar Minuten stand Jamal plötzlich auf, verabschiedete sich knapp von seinen Freunden und ging Richtung Ausgang. Mein Herz schlug wild, und bevor ich es mir anders überlegen konnte, stand ich ebenfalls auf.
"Ich bin gleich zurück," murmelte ich, ohne meine Freundinnen anzusehen, und eilte ihm hinterher.
Doch als ich nach draußen trat, war Jamal verschwunden. Ich sah mich verzweifelt um, aber er war nirgends zu sehen. Ein kalter Windstoß ließ mich frösteln, und ich fühlte mich plötzlich leer und verloren.
"Warum tust du dir das an, Jiyan?" flüsterte ich zu mir selbst. "Er hat es anscheinend überwunden. Warum kannst du das nicht auch?"
Ich wusste, dass ich mich endlich von ihm lösen musste. Die Vergangenheit ließ sich nicht ändern, und es war Zeit, nach vorne zu schauen. Doch in diesem Moment fühlte sich das schwerer an, als ich es mir jemals vorgestellt hatte.
Ich ging wieder rein und setzte mich wieder zu meinen Freundinnen. Die Jungs waren jetzt noch lauter und lachten mehr.
"Boah, die nerven" sagte Anissa genervt.
"Warum müssen die so laut sein?" Fragte sie und machte ihr Laptop zu.
"Ey!" Sagte sie laut zu den Jungs.
"Wie wärs, wenn ihr mal leise werdet?! Menschen sind hier um zu lernen" fügte sie wütend.
"Anissa" sagte ich leise.
"Süße, beruhig dich" sagte Veysel lachend.
"Jiyan? Bist du das?" Fragte plötzlich Alim.Ich schaute zu ihm und die Jungs schauten mich alle verwundert an.
"Ja, hey.. lange nicht mehr gesehen" lachte ich nervös.
"Deswegen ist Jamal bestimmt gegangen" sagte Safraoui konzentriert und nahm sein Handy raus.
"Schön dich zu sehen. Was machst du jetzt?" Fragte Veysel verwundert.
"Ich lerne gerade" lachte ich und er lächelte mich an.
"Studierst du?" Fragte er.
"Ja" antwortete ich.
"Immer das gute Mädchen von nebenan gewesen" sagte er lachend.
"Hol uns aus dem ghetto raus, Jiyan, wir zählen auf dich" sagte Moussa lachend und machte sich lustig.
"Ja, ganz sicher" erwiderte ich augenverdrehend und grinste leicht.
"Was hat deine süße Freundin?" Fragte Veysel grinsend.
"Wie hat er mich-"
"Anissa" Layan unterbrach Anissa und schaute sie warnend an.
"Könntet ihr bitte etwas leise sein, Jungs?" Fragte ich leise und die nickten.
"Anissa, tut uns leid" sagte Veysel lachend und grinste sie dann an, Anissa hingehen schaute ihn verstört an.Layan lachte und Anissa seufzte genervt. Die Jungs standen auf und verabschiedeten sich von uns.
"Was sind das für asoziale Jungs? Woher kennst du die?" Fragte Anissa genervt und machte ihr Laptop wieder auf.
"Wir wohnen in der gleichen Gegend" antwortete ich und mein Herz zog sich zusammen, als ich wieder an Jamal dachte.
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in meiner Welt
FanfictionJiyan und Jamal leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Sie stammt aus einem guten Elternhaus und träumt von einer strahlenden Zukunft. Er hingegen kämpft ums Überleben auf den Straßen, verstrickt in Drogenhandel, um seine Familie über Wasser...