18:33
Am nächsten Tag, nach einem langen Abend in der Uni, machte ich mich auf den Weg zum Campus-Eingang. Mein Kopf war noch voller Marketing-Theorien und Strategien, als ich einen vertrauten Wagen am Straßenrand bemerkte. Mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich Jamals Auto erkannte. Ohne zu zögern, ging ich direkt zu ihm und stieg ein.
"Jamal-" begann ich, doch er unterbrach mich sofort.
"Willst du mich verarschen?" fragte er scharf und fixierte mich mit einem wütenden Blick. Ich blinzelte verwirrt.
"Was meinst du?"
"Was ich meine?" Er schnaubte verächtlich.
"Was hast du dir dabei gedacht, dich in meine Angelegenheiten mit meinem Vater einzumischen?"
"Ich wollte nur helfen," sagte ich, spürte aber, wie meine Stimme zitterte.
"Helfen? Du hast keine Ahnung, was du da angerichtet hast!" fuhr er fort, seine Stimme lauter werdend.
"Das hat nichts mit dir zu tun. Gar nichts!"
"Aber-" begann ich, doch er ließ mich nicht ausreden.
"Nein, Jiyan, du verstehst es einfach nicht! Du mit deinem perfekten Leben. Du weißt nicht, was ich durchgemacht habe!" Seine Augen funkelten vor Zorn, und ich fühlte, wie meine Kehle sich zuschnürte.
"Jamal, ich-"
"Mein Vater hat uns verlassen," rief er, seine Stimme vor Wut bebend.
"Er hat meine Mutter verlassen, als er herausfand, dass sie krank ist. Er hat sie im Stich gelassen. Und mich auch! Ich war noch ein Kind, und ich musste mich um sie kümmern. Ich musste der Mann im Haus sein, als ich selbst noch ein Junge war. Und jetzt, hat er eine andere Frau und Kinder mit ihr. Du wirst das niemals verstehen!"Seine Worte trafen mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich wollte etwas sagen, irgendetwas, um seine Wut zu besänftigen, aber ich konnte nicht. Seine Geschichte war herzzerreißend, und ich wusste, dass er Recht hatte. Ich konnte seinen Schmerz nicht wirklich nachvollziehen.
"Jamal, ich wollte nur-" versuchte ich erneut, doch er schüttelte heftig den Kopf.
"Ich will nichts hören, Jiyan. Gar nichts. Steig aus."Ich zögerte, wollte ihm irgendwie helfen, aber er war stur.
"Bitte, Jamal, lass uns reden-"
"Steig aus!" befahl er, seine Stimme eiskalt.Widerwillig öffnete ich die Tür und stieg aus. Ich fühlte mich hilflos und traurig, als ich zusah, wie Jamal davonfuhr. Sein Schmerz war tief, und ich hatte es nur schlimmer gemacht. Während ich dort stand und auf die verschwundene Rücklichter seines Autos starrte, wusste ich, dass es ein langer Weg sein würde, bis wir beide Frieden finden konnten.
Jamal's Sicht
Ich konnte den Ärger in mir kaum unterdrücken, als ich ins Studio fuhr. Jiyan hatte sich auf die Seite meines Vaters gestellt, und das brachte mich zum Kochen. Ich hatte gehofft, dass sie mich verstehen würde, dass sie sehen würde, wie sehr ich gelitten hatte. Stattdessen war sie einfach in seine Angelegenheiten eingetaucht, ohne zu wissen, was wirklich passiert war.
Im Studio angekommen, knallte ich die Tür hinter mir zu und ging direkt ins Aufnahmestudio. Die Jungs warfen mir besorgte Blicke zu, aber ich ignorierte sie und begann, meine Wut in die Texte zu kanalisieren. Die Beats donnerten in meinen Ohren, und ich spuckte die Worte in das Mikrofon, als ob mein Leben davon abhinge. Jede Zeile war voller Schmerz und Wut, und ich fühlte, wie die Last auf meinen Schultern ein wenig leichter wurde.
"Jamal, alles okay?" fragte Safraoui vorsichtig.
"Lass mich arbeiten, Bro" knurrte ich zurück.Die Jungs sahen sich an, aber niemand widersprach. Sie wussten, dass es sinnlos war, mit mir zu reden, wenn ich in diesem Zustand war. Ich vertiefte mich wieder in meine Texte, versuchte, die Welt um mich herum zu vergessen.
Plötzlich öffnete sich die Studiotür, und Sina trat ein. Ich hatte sie seit der Sache ignoriert, und ihre Anwesenheit brachte mein Blut zum Kochen. Die Jungs starrten sie an, als wäre sie eine Fremde und haben sich gegenseitig Blicke, und ich konnte den Unmut in ihren Blicken sehen.
"Jamal, wir müssen reden," sagte sie und kam auf mich zu.
"Nicht hier" fauchte ich und ging in die Küche. Sie folgte mir, und ich spürte, wie die Wut in mir brodelte.
"Was willst du?" fragte ich scharf, als wir allein waren.
"Jamal, mir geht es nicht gut. Mein Bruder-" begann sie, aber ich schnitt ihr das Wort ab.
"Das interessiert mich nicht, Sina. Du bist schuld an all dem."Sie sah mich fassungslos an.
"Schuld? Jamal, du warst es, der zu mir gekommen ist. Du hast die Entscheidung getroffen, mit mir zu schlafen. Mach mich nicht verantwortlich für deine Fehler."
Ihre Worte trafen mich hart, aber ich ließ es nicht zu, dass sie mich aus der Fassung brachte.
"Hör auf, dich als Opfer darzustellen. Du wusstest genau, was du tust."
"Und du auch, Bro!" konterte sie.
"Gib mir nicht die Schuld für deine Unzulänglichkeiten."Ich konnte die Wut nicht länger zurückhalten.
"Du bist nichts als eine Last, Sina. Ich bereue den Tag, an dem ich dich wieder in mein Leben gelassen habe."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber ich fühlte keine Reue. In diesem Moment trat Mali in die Küche und sah uns an.
"Jamal, dein Vater ist da." sagte er plötzlich.
Meine Wut verwandelte sich in kochenden Zorn. Es war alles zu viel - Jiyan, Sina, und jetzt auch noch mein Vater. Ich schnappte mir meine Jacke und stürmte aus dem Studio, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Ich brauchte Abstand, ich musste weg. Die Probleme häuften sich wie ein Berg vor mir, und ich hatte das Gefühl, dass ich jeden Moment darunter begraben werden könnte. Die kühle Luft draußen traf mich wie ein Schlag ins Gesicht, aber es half, meinen Kopf ein wenig zu klären. Ich ging ziellos durch die Straßen, versuchte, einen Weg zu finden, mit all dem fertig zu werden. Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass es keine einfache Lösung gab.

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in meiner Welt
FanfictionJiyan und Jamal leben in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Sie stammt aus einem guten Elternhaus und träumt von einer strahlenden Zukunft. Er hingegen kämpft ums Überleben auf den Straßen, verstrickt in Drogenhandel, um seine Familie über Wasser...