Kapitel 56

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"Komm, setz dich hin, ich mach dir einen Tee." Ich schaute Emir hinterher, der im Wohnzimmer war und lief seufzend ebenfalls dahin.

"Lenk nicht ab", mahnte ich ihn. Er sah mir nicht mal in die Augen. "Komme gleich", murmelte er und verschwand in der Küche.

Kopfschüttelnd setzte ich mich auf die Couch. Okay, ich durfte ihn nicht bedrängen. Ich wollte es ja auch nicht. Ich wollte nur, dass er mir vertraute. Eine Beziehung ohne Vertrauen funktionierte doch nicht einmal!

Wie könnte ich am besten vorgehen, wenn er nicht von sich aus anfing? Was musste ich tun, um ihn zu überreden? Oder sollte ich wirklich darauf warten, bis er sich zum Reden bereit fühlte?

"Hier." Emir stellte meine Tasse auf den Tisch und nahm neben mir auf der Couch Platz. Eine unangenehme Stille entstand. Keiner wusste wohl, womit man ein Gespräch starten sollte.

Emir starrte auf seine Finger, die ineinander verschränkt waren und ich wiederum starrte ihn. Okay, das klang jetzt echt schräg, aber dadurch fiel mir auf, wie kaputt er eigentlich aussah.

War es gestern auch so? Wie konnte ich das nicht bemerkt haben?

"Emir", fing ich leise an. Er hob seinen Kopf und ich hatte das Gefühl, dass die rote Farbe an seinen Augen intensiver geworden war.

"Vertraust du mir?"

Stille entstand. Fragend schaute er mich an. Ich schätzte, dass er mit so einer Frage nicht gerechnet hatte. "Natürlich, was ist das für eine Frage?"

"Wenn du mir also vertraust, wieso erzählst du mir nicht, was in dir vorgeht?", fragte ich leise.

"Das - das hat nichts mit dir zutun", meinte er. Immerhin gab er indirekt zu, dass etwas war. Ein Schritt war geschafft.

"Mit was dann?"

"Es ist nichts!" Er wurde etwas lauter und stand genervt auf. Irritiert schaute ich ihm hinterher, wie er an die Balkontür lief und rausschaute.

War ich zu weit gegangen?

Die Decke, die um meinen Körper war, legte ich weg und stand ebenfalls auf. Bevor ich etwas sagen konnte, drehte sich Emir zu mir um und sah mich mit einem undefinierbaren Blick an.

"Es kann sein, dass du mein Verhalten nicht nachvollziehen kannst. Aber wenn ich mich zu etwas nicht bereit fühle, musst du das akzeptieren, Aleyna. Ich muss dir nicht immer alles erklären, verdammt", rief er.

Erschrocken wich ich einen Schritt zurück. Seine Worte verletzten mich. Wusste er überhaupt, was er da sagte?

"Was hast du mir vor Wochen gesagt? Dass du alles mit mir zusammen durchstehen willst. Dass du es nicht ertragen kannst, mich so zu sehen. Und dasselbe ist auch bei mir so. Ich will dir nur helfen!", rief ich mit zittriger Stimme zurück.

"Mir kann keiner helfen!", schrie er auf einmal. "Hörst du mich? Keiner!"

Emir atmete laut ein und aus und fuhr sich aufgebracht durch die Haare. Wild lief er hin und her, während ich wie versteinert an der Stelle stand.

So hatte ich ihn nie erlebt. Nicht mal an dem Tag, als er mir über seine ganze Vergangenheit erzählt hatte.

Irgendwann blieb er stehen, mit dem Rücken zu mir und lehnte seinen Kopf an die Balkontür. Ich überlegte, ob ich mich ihm nähern sollte. Es war nicht so, dass ich Angst hatte.

Ich wusste, dass er mir niemals was tun würde. Ich war nur deshalb unschlüssig, weil ich der Grund für seinen Ausraster war. Ich hatte es wohl zu weit getrieben, obwohl ich im Endeffekt nichts getan hatte.

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