Kapitel 58

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Nach unserem kurzen Gespräch schauten wir den Film weiter an. Emir hatte zum Glück nicht weiter nachgefragt, wieso ich mich komisch verhielt, worüber ich froh war.

Ich spielte mit den Gedanken, so langsam nach Hause zu gehen, aber ich wollte weder Emir in diesem Zustand verlassen, noch hatte ich Lust auf meinen Vater - der mich sicher ausfragen würde.

Seufzend kuschelte ich mich näher an Emirs Schulter, der die ganze Zeit schon unsichtbare Kreise auf meinem Arm zeichnete. Wenn er so weitermachen würde, würde ich womöglich einschlafen.

"Wann musst du gehen?", fragte er mich leise. Seine Stimme war noch immer kratzig. Ich zuckte nur mit den Schultern und schaute auf die Wanduhr.

18.25 Uhr

Ich war seit Stunden hier und es fühlte sich nicht mal so lange an. Und wie gesagt - gehen wollte ich nicht, musste ich aber.

"Meine Mutter weiß, dass ich hier bin", sagte ich leise. Das hatte ich total vergessen zu erwähnen. Emir setzte sich auf und schaute mich geschockt an.

"Wie? Und sie hat nichts dagegen?"

Ich schüttelte lachend meinen Kopf, da sein Gesichtsausdruck immer geschockter aussah. "Woher der Sinneswandel?"

Ich seufzte. "Frag mich nicht, ich hab keine Ahnung. Sie hat mich durchschaut und mit mir geredet, wieso ich sie die ganze Zeit anlüge und sowas. Dann hab ich ihr eben gesagt, dass sie und mein Vater mir keine andere Wahl lassen. Und plötzlich meinte sie, dass ich zu dir darf", erzählte ich ihm die Kurzversion von heute morgen.

"D-Das kam jetzt unerwartet. Zu plötzlich, findest du nicht?", erkundigte er sich. "Doch, finde ich auch. Aber andererseits ist es gut, dass sie einsieht, dass sie mir nicht ewig alles verbieten kann. Ich mein, sie sieht ja, dass ich mich auch heimlich mit dir treffen könnte", sagte ich schulterzuckend.

Emir grinste über beide Ohren und schüttelte den Kopf. "Dass du alldas in Kauf nimmst und das nur wegen mir, das ist-"

"Nicht mal der Rede wert!", unterbrach ich ihn schnell, bevor er was sagen konnte. "Du hättest dasselbe getan, oder nicht?", fragte ich ernst nach.

"Natürlich. Wobei ich mich eigentlich auch von dir fernhalten müsste nach Drohungen von deinem Bruder."

Stimmt. Ich erinnerte mich an die Situation, als Semih mich angelogen hatte und in Wirklichkeit zu Emir gekommen war um ihn ernsthaft zu schlagen. Dachten Jungs irgendwie, dass Schläge sie weiterbrachten? Was wurde dadurch bewiesen? Nicht Stärke - so wie die meisten es dachten, sondern Schwäche. Anstatt sich einer Sache zu stellen, ließ man Fäuste sprechen. Wie originell.

"Wenn meine Mutter es wirklich ernst meint und ab jetzt den Kontakt zu dir gewährt, dann bin ich mir sicher, dass sie meinen Vater irgendwann auch dazubringt, mir eine Chance zu geben", meinte ich ehrlich.

"Wirklich?" Emir machte große Augen, als ich das sagte. Lächelnd nickte ich. Seine Reaktion zeigte mir, wie sehr er das wollte. Genauso wie ich. Wenn mein Vater mit der Beziehung einverstanden wäre - er wusste ja noch nicht mal was davon - dann hätte ich keinen anderen Wunsch mehr.

"Ich hoffe es", nuschelte Emir. "Ich will dich nämlich nicht jedes mal mit einem schlechten Gewissen nach Hause schicken und Angst haben, dass deine Eltern etwas mitbekommen haben und alles an dir rauslassen."

"Das musst du nicht! Schließlich habe ich meinen Eltern oft genug gesagt, wie wichtig du mir bist und dass mein Vater noch immer nichts ahnt, wundert mich sowieso. Also wäre es mir sogar lieber, wenn er es so bald wie möglich wüsste."

Aber trotzdem plagte mich die Angst, es ihm zu sagen...

"Ja, ich verstehe das", sagte Emir leise.

Für immer und ewig.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt